Beihilferecht

1Komma5° legt Beschwerde gegen Kraftwerksstrategie ein

Die Bundesregierung will Deutschland vor Dunkelflauten schützen und deswegen in den kommenden Jahren bis zu 40 neue Gaskraftwerke errichten lassen. Aus Sicht des Hamburger Grünstrom-Startups 1Komma5° sind die dafür geplanten Milliarden-Subventionen aber nicht mit dem EU-Beihilferecht vereinbar.

1Komma5° legt Beschwerde gegen Kraftwerksstrategie ein

1Komma5° geht gegen Gaskraftwerke vor

Startup hält Milliardensubventionen in Deutschland für rechtswidrig – Beschwerde in Brüssel

kro Frankfurt

Das Hamburger Cleantech-Startup 1Komma5° hat in Brüssel Beschwerde gegen die von der Bundesregierung geplante Kraftwerksstrategie eingelegt. Gaskraftwerke mit einer Leistung von mindestens 20 Gigawatt „durch Milliardenzahlungen zu subventionieren sei nicht mit dem EU-Beihilferecht vereinbar“, so das Unternehmen. Denn dadurch käme es zu einer Wettbewerbsverzerrung im Energiemarkt, in dem bei Dunkelflauten auch Alternativen eine Versorgungssicherheit gewährleisten könnten.

Laut Koalitionsvertrag sollen hierzulande bis 2030 bis zu 20 Gigawatt an Gaskraftwerksleistung „technologieoffen angereizt“ werden. Das würde dem Bau von etwa 40 neuen Gaskraftwerken entsprechen. Die neuen Kraftwerke sollen die Stromversorgung auch dann sicherstellen, wenn Wind und Sonne nicht ausreichen – bislang springen hauptsächlich noch Kohlekraftwerke in solchen Dunkelflauten ein.

Früheren Medienberichten zufolge hat die Vorgängerregierung um den damaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck für den Bau und Betrieb der geplanten Gaskraftwerke Subventionen von 17 Mrd. Euro veranschlagt, die in den Jahren 2029 bis 2045 fließen sollen. Im Zuge eines geplanten Kapazitätsmarktes sollen Betreiber der Kraftwerke zudem künftig für die reine Vorhaltung von Kapazitäten vergütet werden und nicht mehr für den tatsächlich gelieferten Strom.

Höhere Kosten befürchtet

Aus Sicht von 1Komma5° würde die geplante Kraftwerkstrategie „kostengünstigere Alternativen systematisch benachteiligen" und Verbraucher „mit deutlich höheren Kosten belasten“. Denn es wird angenommen, dass die staatlichen Förderungen von Stromverbrauchern per Umlage getragen werden müssten – dies sieht das europäische Beihilferecht so vor. Der Strompreis würde so für Verbraucher weiter steigen, so das Startup.

Auch andere Akteure hatten die Pläne in der Vergangenheit kritisiert. Laut einer Studie der Wirtschaftsberatung „Frontier Economics“ gehen die geplanten 20 Gigawatt deutlich über das kurzfristig vertretbare Maß von 5 bis 10 Gigawatt an Gaskraftwerken hinaus. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hatte das Vorhaben ebenfalls kritisiert und erklärt, dass es zu zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft führen werde.  

Zu den Alternativen von Gaskraftwerken zählt 1Komma5° dezentrale Systeme in Form von virtuellen Kraftwerken. Damit ist ein Zusammenschluss dezentraler Stromerzeugungseinheiten wie Photovoltaik- oder Windenergie-Anlagen gemeint. Ein solcher Stromverbund reduziere bei Engpässen den Verbrauch „durch das gezielte und koordinierte Verschieben“. Zugleich könne er Strom aus privaten Batterien und E-Autos bereitstellen, wenn dieser wiederum gebraucht wird, so 1Komma5°. Das Startup schlägt zudem eine Absicherungspflicht vor, die Akteure am Energiemarkt dazu verpflichtet, eine bestimmte Verfügbarkeit von Strom zu garantieren.

Enpal schließt sich Beschwerde nicht an

„Es muss einen technologisch offenen Wettbewerb zwischen zentralen und dezentralen Kraftwerken geben, bei denen Erzeuger und Flexibilität grundsätzlich gleichbehandelt beziehungsweise gefördert werden", findet 1Komma5°-Chef Philipp Schröder. Der ehemalige Tesla-Deutschlandchef hat das Startup im Jahr 2021 als Mitgründer an den Start gebracht. Das Startup bietet privaten Hausbesitzern Installationsleistungen rund um Solaranlagen, Stromspeichern, Wallboxen und Wärmepumpen.

Zu den unmittelbaren Konkurrenten von 1Komma5° gehört das Berliner Startup Enpal. Das Unternehmen sieht ebenfalls „kosteneffizientere und innovationsfreundlichere Wege, um Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit in unserem Energiesystem zu gewährleisten“, wie Politikchef Markus Meyer sagt. Man beteilige sich zwar nicht an der Beschwerde von 1Komma5°, befinde sich aber „im Dialog mit Stakeholdern“.