ABB auf dem Sprung in neue Epoche
dz Zürich – “Schonungslose Umsetzung” lautete die Devise, nach der sich Ulrich Spiesshofer im September 2013 an die Arbeit als neuer ABB-Chef machte. Dass dieser Manager für Sentimentalitäten wenig übrig hat, ist kein Geheimnis. Vielleicht ist das der Grund, weshalb er auf der Bilanzpressekonferenz des Siemens-Konkurrenten den 30. Jahrestag der Fusion der Schweizer Brown Boveri mit der schwedischen Asea unterschlug. Sicher ist, dass der CEO die Zukunft so fest vor Augen hat wie noch nie, seit er die Fäden zieht.Nach vier teils schwierigen Jahren als Kostenschleifer und Effizienzpauker, in denen sich der Elektrotechnik- und Automationskonzern umsatzmäßig rückwärts entwickelt hat, winkt nun ein größerer Schritt nach vorn. Das war aus Spiesshofers euphorischer Rhetorik leicht herauszuhören. Weg ist auch die betont vorsichtige Note, unter der ABB in den vergangenen Jahren den Ausblick zu formulieren pflegte. “Das Sentiment hat sich geändert”, sagte Spiesshofer unter Verweis auf den Umstand, dass ABB in allen wichtigen Märkten wieder Wachstum erwarte. Spiesshofer und seine Mannschaft lechzen danach, endlich die Früchte der Basisarbeit ernten zu können, die sie nach der fulminanten Expansionsphase unter dem früheren CEO Joe Hogan nolens volens leisten mussten. “Digital First”: Das Portfolio habe man so strukturiert, dass ABB überall an vorderster Stelle stehe, wo die digitale Zäsur die Wirtschaft künftig fundamental verändern werde.Doch in den Jahreszahlen ist vom großen Sprung wenig zu sehen. Zwar hat sich der in den Vorjahren stets rückläufige Auftragseingang stabilisiert und der Umsatz liegt immerhin 1 % über Vorjahr. Nimmt man aber das Weltwirtschaftswachstum zum Maßstab, das 2017 rund 3,5 % betrug, ist der Leistungsausweis kein Ruhmesblatt. Gewiss, im “Übergangsjahr 2017” schlugen die Maßnahmen zur Neuausrichtung des Unternehmens noch einmal negativ zu Buche. Doch spätestens seit dem Sommerquartal, als sich das allgemeine Klima aufhellte und auch der Auftragseingang kräftig anzog (8 %), herrschte mindestens in Finanzmarktkreisen die Überzeugung vor, dass ABB die Reise in die Zukunft endlich angetreten hat. Umso größer war die Enttäuschung, als der Konzern gestern wiederum einen Rückgang von Aufträgen und Umsatz (unter Ausklammerung von Akquisitionen) vermelden musste: – 3 bzw. – 1 %. Die ABB-Aktien verloren an der Börse postwendend fast 5 %. Der größte Teil der positiven Jahresperformance schmolz in den vergangenen acht Tagen dahin.Davon will sich Spiesshofer aber nicht ablenken lassen. Er verweist auf das starke Momentum im Unternehmen, das insbesondere durch die seit vier Quartalen beschleunigte Zunahme von Basisaufträgen (weniger als 15 Mill. Dollar) erkennbar werde. Auf diesen ruht viel Hoffnung bei ABB. Im Unterschied zu Großaufträgen sind sie berechenbarer und am Ende vielleicht auch profitabler. Der starke Fokus des Unternehmens auf solche Kleinaufträge kontrastiert in auffälliger Weise mit dem Selbstverständnis der alten Brown Boveri, die einst für den Bau von Großkraftwerken weltberühmt geworden war. Den Preis jener ruhmreichen Monumente des Fortschritts zahlten später allerdings die Aktionäre – vor allem nach der Fusion mit Asea. Inzwischen sind die Schweden gänzlich aus der Konzernleitung verschwunden. Präsent bleiben sie allerdings als Aktionäre und im Verwaltungsrat über die Familie Wallenberg.