Accounting von Tech-Riesen wirft Fragen auf
Accounting von Tech-Riesen wirft Fragen auf
Accounting von KI-Riesen wirft Fragen auf
Nvidia weist Vergleich mit Skandalunternehmen Enron zurück – Finanzierung von Meta-Rechenzentrum bereitet Sorgen
Vorwürfe von Star-Investor Michael Burry über inkorrekte Abschreibungen und eine Verwässerung des Shareholder-Value sorgen bei Nvidia für Unruhe. Zugleich bereiten strukturierte Finanzierungen von Meta Platforms für Rechenzentren der Wall Street Kopfzerbrechen. Dies nährt Zweifel am Boom um künstliche Intelligenz.
xaw New York
An der Wall Street macht eine Mitteilung die Runde, die besorgte Tech-Anleger beruhigen soll – und doch neuen Zündstoff birgt. So hat sich das Investor-Relations-Team von Nvidia über das vergangene Wochenende in einem siebenseitigen Schreiben an Analysten gewandt und darin Vergleiche mit dem 2001 nach einem Buchhaltungsskandal kollabierten Energieunternehmen Enron zurückgewiesen. Zuvor hatten Posts auf der Newsletter-Plattform Substack, in denen dem bislang größten Börsenprofiteur des Booms um künstliche Intelligenz (KI) massiver Accounting-Betrug vorgeworfen wurde, für Verunsicherung gesorgt. Analysen des Star-Leerverkäufers Michael Burry brachten zusätzlichen Wirbel.
Vergleich mit Enron zurückgewiesen
„Nvidia ähnelt historischen Betrugsfällen nicht, weil das fundamentale Geschäft ökonomisch gesund ist, unser Reporting vollständig und transparent ist und uns viel an unserem integren Ruf liegt“, heißt es in der Mitteilung, die das Magazin „Barron's“ zuerst authentifizierte. Im Gegensatz zu Enron und später zusammengebrochenen Skandalunternehmen wie den Telekommunikationsfirmen WorldCom und Lucent nutzt der Chipdesigner nach eigenen Angaben „keine Zweckgesellschaften, um Schulden zu verstecken und Erlöse aufzublähen“.
Wirtschaftskanzleien warnen allerdings vor den engen Beziehungen von Nvidia zu Unternehmen wie dem Cloud-Dienstleister Coreweave. Schließlich investiere der Tech-Riese selbst in diese Anbieter, die für ihren rasanten Ausbau von Infrastruktur für Rechenzentren im großen Stil Nvidia-Chips aufkaufen und sich dafür hoch verschulden. Die Analysten von Goldman Sachs hoben zuletzt einmal mehr drohende Parallelen des KI-Booms zur Dotcom-Blase der 1990er Jahre hervor. Nvidia betont indes, die strategischen Investments repräsentierten „einen kleinen Teil unserer Erlöse und einen noch kleineren Teil der rund 1 Bill. Dollar, die jedes Jahr über die globalen privaten Kapitalmärkte eingesammelt werden“.
Abschreibungen im Fokus
Burry, der mit seinen Wetten gegen den Markt für Subprime-Hypotheken im Vorfeld der Finanzkrise 2008 bekannt wurde, wirft Nvidia zudem vor, dass ihre Kunden den Wert der Chips nicht korrekt beziffern würden. So schrieben Tech-Konzerne die Grafikprozessoren in der Regel über einen Zeitraum von sechs Jahren ab, obwohl die Produkte in Wahrheit über eine kürzere Spanne Mehrwert generierten. Somit trügen sie dazu bei, die Gewinne aufzublähen. Nvidia entgegnet, die Abschreibungszeiträume basierten auf realen Nutzungsmustern. Selbst ältere Prozessoren wie der 2020 lancierte A100 kämen noch großflächig zum Einsatz und lieferten einen starken Deckungsbeitrag. Ihr ökonomischer Wert bestehe also „deutlich über die zwei bis drei Jahre hinaus, die einige Kommentatoren veranschlagen“.
Überdies moniert Burry, Nvidia habe den Shareholder Value über aktienbasierte Vergütungen massiv verwässert. Durch Rückkäufe von Mitarbeiteraktien im Volumen von 112,5 Mrd. Dollar seit 2018 habe das Unternehmen die Einnahmen für seine Anteilseigner um 50% reduziert. Nvidia betont indes, Burrys Berechnungen seien falsch, der Star-Investor habe fälschlicherweise Steuern auf bedingte Aktienzusagen aufgeschlagen. „Aktienzuteilungen an Mitarbeiter sollten nicht mit der Performance des Rückkaufprogramms vermischt werden“, heißt es in der Mitteilung. Dass Angestellte von steigenden Kursen profitierten, bedeute nicht, dass die Kompensationen exzessiv gewesen seien.
Kontroverse Diskussion um Meta-Projekt
Burry hält in seinem Newsletter „Cassandra Unchained“ an seiner Analyse fest. „Zudem behaupte ich nicht, dass Nvdia Enron ist. Sie gleicht ganz klar Cisco“, schreibt der Leerverkäufer, der seinen Hedgefonds Scion Asset Management jüngst für externe Investoren schloss. Das Digital-Konglomerat Cisco Systems war kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase zeitweise das wertvollste Unternehmen der Welt, seine Produkte galten als Rückgrat einer Tech-Revolution – in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten hat das Unternehmen seine einstige Bedeutung allerdings eingebüßt.
Nvidia ist indes nicht der einzige Tech-Riese, dessen Finanzen derzeit für kontroverse Diskussionen sorgen. Auch Meta Platforms bereitet der Wall Street mit ihrem Riesen-Rechenzentrum in Louisiana Kopfzerbrechen. Dieses befand sich bereits im Bau, als die Facebook-Mutter im Oktober einen neuen Finanzierungsdeal ankündigte. Durch diesen verschiebt Meta das unter dem Namen „Hyperion“ laufende Projekt von der eigenen Bilanz in ein Joint Venture mit Blue Owl Capital, an dem der Tech-Riese 20% und der Assetmanager die restlichen Beteiligungen hält.
Konflikt mit Buchhaltungsregeln droht
Die Holding Beignet Investor, die den Blue-Owl-Anteil kontrolliert, warf im vergangenen Monat Bonds im Volumen von 27,3 Mrd. Dollar auf den Markt, wobei der größte Teil an Pimco ging. Meta will das Rechenzentrum ab 2029 für bis zu 20 Jahre pachten, verfügt aber zunächst über einen vierjährigen Vertrag mit Option auf Verlängerung alle vier Jahre.
Die Facebook-Mutter will das Joint Venture nicht konsolidieren und sich die verbundenen Assets und Verbindlichkeiten so aus den Büchern halten, auch um ihr starkes Investment-Grade-Credit-Rating nicht zu gefährden. Analysten warnen indes davor, dass gerade dieser Plan schnell in Konflikt mit bestehenden Accounting-Regeln treten könnte, da Meta de facto die operative Kontrolle und das größte ökonomische Interesse an dem Projekt habe. Hinter den KI-Boom, der zur maßgeblichen Stütze für die Aktien der Tech-Riesen geworden ist, treten damit neue Fragezeichen.
