Hauptversammlung

Aktionäre von ProSiebenSat.1 beklagen schlechte Show

Die Anteilseigner von ProSiebenSat.1 hatten auf der virtuellen Hauptversammlung etliche Anlässe für teils heftige Kritik: von der Unruhe um die Tochter Jochen Schweizer Mydays über Wechsel im Vorstand bis zur abermaligen Bestellung von EY als Wirtschaftsprüfer.

Aktionäre von ProSiebenSat.1 beklagen schlechte Show

Aktionäre beklagen schlechte Show

Management von ProSiebenSat.1 muss auf Hauptversammlung viel Kritik einstecken

jh München

Die Aktionäre von ProSiebenSat.1 haben auf der Hauptversammlung etliche Anlässe für zum Teil heftige Kritik ausgemacht: von der Unruhe um das Tochterunternehmen Jochen Schweizer Mydays über Wechsel im Vorstand und die gekürzte Dividende bis zur abermaligen Bestellung von EY als Wirtschaftsprüfer.

Am schärfsten ist auf dem virtuellen Aktionärstreffen von ProSiebenSat.1 die Fondsgesellschaft der Sparkassen, Deka Investment, mit dem Management ins Gericht gegangen. Das Unternehmen mache den Eindruck einer schlecht produzierten Reality-Show, sagte Andreas Thomae: “Eine nicht enden wollende Serie aus Komik und Horror.” Er erinnerte daran, dass Bert Habets der fünfte Vorstandschef in fünf Jahren sei und Martin Mildner der vierte Finanzchef in fünf Jahren. “Es geht zu wie im Taubenschlag”, monierte Thomae und rief Habets und Mildner zu: “Bringen Sie wieder Kontinuität in das Unternehmen.”

ProSiebenSat.1 habe im vergangenen Jahr für meistens unerfreuliche Schlagzeilen gesorgt, betonte Otto Laßkorn von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die Dividende von 5 Cent je Aktie bezeichnete er als sehr mickrig. Angesichts des schwachen Jahresergebnisses gebe es aber eigentlich nichts auszuschütten.

Wegen der aus Sicht der Deka viel zu hohen Abfindung für Rainer Beaujean, den Vorgänger von Habets als Vorstandschef, stimmte die Fondsgesellschaft gegen die Billigung des Vergütungsberichts. Beaujean, dessen Vertrag der Aufsichtsrat bis Mitte 2027 verlängert hatte, erhält mehr als 8,7 Mill. Euro. Das entspricht nach Angaben von ProSiebenSat.1 zwei Jahresvergütungen.

“Bedauernswerter Sachverhalt”

Die Entlastung des Vorstands für das vergangene Geschäftsjahr wurde, wie in der Einladung zur Hauptversammlung angekündigt, auf das kommende Jahr vertagt. Grund ist eine interne Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens von Vorständen im Zusammenhang mit der Tochterfirma Jochen Schweizer Mydays, einem Anbieter von Gutscheinen für Erlebnisse wie Gleitschirmfliegen und Baggerfahren. Wie berichtet, gab es Ungereimtheiten im Geschäftsmodell und der Bilanzierung von Jochen Schweizer Mydays. Teile des Geschäfts fielen unter das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz, dessen Einhaltung von der BaFin überwacht wird. ProSiebenSat.1 hat das Geschäftsmodell daraufhin angepasst.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiele berichtete, mit einem Abschluss der Untersuchung sei in diesem Sommer zu rechnen, ein Zwischenergebnis wollte er nicht bekanntgeben. Die Turbulenzen um Jochen Schweizer Mydays bezeichnete Wiele als “bedauernswerten Sachverhalt”. Deka-Manager Thomae sagte, “es ist unverständlich, dass die Probleme dem Wirtschaftsprüfer nicht schon früher aufgefallen sind”. Prüfer von ProSiebenSat.1 ist seit 2019 Ernst & Young (EY). Das Unternehmen ist als Prüfer von Wirecard in die Schlagzeilen geraten.

“Fast ein Reputationsverlust”

EY wurde gegen die Stimmen von unter anderem der SdK und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) für ein weiteres Jahr zum Wirtschaftsprüfer bestimmt. DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt kritisierte – an Vorstand und Aufsichtsrat gerichtet – den Beschluss: “Es ist schon fast ein Reputationsverlust für Sie.” EY habe systemische Fehler begangen, die von der Abschlussprüferaufsicht Apas bestraft worden seien.

Größter Aktionär von ProSiebenSat.1 ist das italienische Unternehmen Media for Europe (MFE), das von der Familie des vor kurzem gestorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kontrolliert wird. MFE besitzt nach der jüngsten Mitteilung 25,7% der Stimmrechte und einschließlich Derivaten 28,9%. Der zweite Großaktionär ist PPF, ein Beteiligungsunternehmen der tschechischen Milliardärin Renata Kellnerova, mit einem Anteil von insgesamt 15%.

Entlastung Brandts abgelehnt

Beide sind nun im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 vertreten: Katharina Behrends, die Geschäftsführerin von MFE in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz, wurde mit 99,6% Ja-Stimmen gewählt, Thomas Ingelfinger, der der Familie Berlusconi nahe stehen soll, erhielt 99,1%. Die PPF-Managerin Klara Brachtlova wird zur Bestellung per Gericht vorgeschlagen als Nachfolgerin des kurzfristig ausgeschiedenen Erik Huggers, Manager des schwedischen Finanzinvestors EQT. Von den Aufsichtsratsmitgliedern wurde als einzigem Werner Brandt die Entlastung verweigert: Gegen den früheren SAP-Manager, der bis vor einem Jahr Vorsitzender war, stimmten knapp 53%.

MFE-Geschäftsführerin Behrends sagte in einem Video: “Paneuropäische Zusammenarbeit wird eine große Rolle spielen, um unsere Medienunternehmen für die Zukunft fit zu machen.” Sie brachte die Unterstützung von MFE für die Strategie von Vorstandschef Habets zum Ausdruck “mit Fokus auf das Entertainment- und Streaminggeschäft”.

Auf Fragen nach einer Zusammenarbeit mit MFE blieb der Vorstand vage: Beide Unternehmen seien im Austausch, um Kooperationen auszuloten, antwortete Habets.

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