China

Alibaba verpasst sich ein Holding-Modell

Der von Wachstumsschwäche geplagte chinesische Tech-Gigant Alibaba wird nach einem Holding-Modell umstrukturiert, das den Einzelgeschäften einen separaten Kapitalmarktauftritt ermöglichen soll. An der Börse wird der Schritt stürmisch gefeiert.

Alibaba verpasst sich ein Holding-Modell

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Völlig überraschend legt der chinesische Tech- und Online-Handels-Riese Alibaba einen Plan für einen weitreichenden Konzernumbau vor, mit dem künftig sechs Einzelunternehmen unter dem Dach der in New York und Hongkong börsennotierten Alibaba Group Holding stehen werden. Das Vorhaben gilt als umfassendster Restrukturierungsschritt seit dem Börsengang 2014 und soll dem Alibaba-Ensemble mehr Beweglichkeit verleihen sowie neue Finanzierungsoptionen am Kapitalmarkt eröffnen.

Chairman und CEO Daniel Zhang stellte am Dienstag die Möglichkeit von unabhängigen Kapitalmaßnahmen, darunter separaten Börsenlistings einzelner Geschäfte, explizit in den Raum. Damit weckt Alibaba einige Fantasie hinsichtlich Spin-off-Lösungen und künftiger Initial Public Offerings (IPOs) von Alibaba-Einheiten. Die nach Handelsschluss in Hongkong verkündeten Maßnahmen ließen den Kurs der in New York primär gelisteten Alibaba-Aktie in der Spitze um 13% in die Höhe schnellen.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Aktie sowohl unter der zy­klisch bedingten Drosselung des Wachstums im chinesischen Online-Handel und bei Cloud Computing als auch einem gegen große Tech-Unternehmen gerichteten und teilweise politisch motivierten Regulierungsfeldzug Pekings gelitten. In dieser Zeit büßte der Alibaba-Kurs rund 70% ein und die Börsenkapitalisierung sank um mehr als 500 Mrd. Dollar.

Das Alibaba-Manöver dürfte eine breitere Rally im chinesischen Tech-Sektor lostreten, weil es als neues Signal für die Beendigung einer politischen Kampagne gilt, die mit der Anfeindung des Alibaba-Gründers Jack Ma und dem Verbot des Börsengangs des ebenfalls von Ma aufgezogenen Fintech-Riesen Ant Group begann. Bezeichnenderweise wurde der von Peking geächtete und seit einem Jahr im Ausland „untergetauchte“ Ma zu Wochenbeginn erstmals wieder in seiner Heimatstadt Hangzhou öffentlich gesehen.

Von der an einem Holdingkonzept ausgerichteten Managementstruktur verspricht sich Zhang zum einen verkürzte Entscheidungswege und flexiblere Reaktionen auf Marktveränderungen in den jeweiligen Ge­schäftsfeldern. Zum anderen strebe man einen schlankeren Auftritt im Verwaltungsapparat an sowie Einsparungspotenzial bei sogenannten Middle-Office- und Back-Office-Funktionen (Finanzcontrolling und Abwicklung). In einem öffentlichen Brief an die Belegschaft forderte Zhang dazu auf, dass Alibaba-Angestellte wieder stärker zur „Denkweise eines Entrepreneurs“ zurückkehren.

Während das Kerngeschäft mit den beiden E-Commerce-Plattformen Taobao und Tmall, die für 68% der Konzernumsätze stehen, im Vollbesitz der Alibaba Group bleiben sollen, werden daneben fünf weitere Einheiten stehen, die als quasi-selbständige Unternehmen jeweils einen eigenen Board unter der Führung eines CEO aufweisen. Das internationale E-Commerce-Geschäft mit den Plattformen Lazada (Südostasien) und Ali Express, das rund 8% Anteil am Konzernerlös aufweist, wird künftig als Global Digital Commerce Group geführt. Das den Online-Handel unterfütternde und auch Fremdkunden bedienende Logistikgeschäft nennt sich nun Cainiao Smart Logistics. Eine weitere Einheit namens Local Services Group umfasst Frischwarenzustellungen und den zweitgrößten chinesischen Essenslieferer Eleme.

Das in den vergangenen Jahren stark forcierte Cloud-Geschäft von Alibaba wird zusammen mit neuen Bereichen wie Chipentwicklung und künstliche Intelligenz (KI) sowie der Dingtalk genannten Messenger-App für interne Firmenkommunikation in die Cloud Intelligence Group eingebracht. Die Wichtigkeit dieser Einheit wird dadurch unterstrichen, dass Alibaba-Chef Zhang hier auch künftig als CEO in der operativen Verantwortung stehen wird. Als sechste Einheit wird das eher ein Randdasein fristende Medien- und Unterhaltungsgeschäft mit der Videostreaming-Plattform Youku, der Hongkonger Tageszeitung „South China Morning Post“ und der Filmproduktionsgesellschaft Alibaba Pictures nun als Digital Media and Entertainment Group geführt.

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