Altana entkoppelt sich weiter vom Branchentrend
Im Gespräch: Stefan Genten
„Ohne Chemie keine Nachhaltigkeitstransformation“
Altana-Finanzchef schreibt Geschäftserfolg der klaren Ausrichtung auf Spezialchemie zu – Dennoch ist Erhalt der Basischemie in Europa von Bedeutung
Von Annette Becker, Köln
In schöner Regelmäßigkeit zeigt der Chemiekonzern Altana den deutschen Wettbewerbern mit Blick auf die Geschäftsentwicklung die Rücklichter. Was Altana anders macht als der Rest der Branche und warum der Erhalt der Basischemie in Europa trotzdem relevant ist, erläutert Finanzchef Stefan Genten im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Mit Altana und der deutschen Chemieindustrie ist es fast so wie mit Asterix & Obelix und den Römern. Während die gesamte Branche hierzulande unter der weltweiten Nachfrageschwäche, strukturellen Problemen und widrigen Rahmenbedingungen ächzt, legt der Spezialchemiekonzern aus Wesel regelmäßig beeindruckende Zahlen vor.
Auch für den Zeitraum Januar bis Juni 2025 ist das so: Altana hielt Umsatz und operatives Ergebnis weitgehend auf Vorjahresniveau, während sich Wettbewerber teils prozentual zweistelligen Rückgängen gegenübersahen. Dabei erwirtschaftete Altana eine Umsatzrendite bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von annähernd 18%. So profitabel sind große Chemiefirmen bestenfalls in guten Zeiten.
Kundennähe und Produktinnovation
Wenngleich Finanzchef Stefan Genten im Gespräch sogleich einräumt, dass sich auch Altana nicht vom Markt abkoppeln könne – einen gewissen Stolz kann er dennoch nicht verhehlen. Doch was ist das Erfolgsrezept von Altana, was macht der Chemiekonzern aus dem Besitz der Beteiligungsgesellschaft Skion anders als der Rest der Branche? „Wir sind ein echtes Spezialchemieunternehmen und setzen auf höchste Kundenähe, Präsenz vor Ort und echte Produktinnovation“, sagt Genten.
Hinzu kommt: „Wir investieren deutlich mehr als der Branchendurchschnitt in Forschung und Entwicklung (F&E)“ – unabhängig von der schwierigen Situation. Allein im ersten Halbjahr steckte Altana 109 Mill. Euro in F&E, das waren 7% des Konzernumsatzes. In der Branche seien es im Durchschnitt etwa 4%, weiß Genten.
Klasse statt Masse
Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist die strikte Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, sowohl was die Produktentwicklung betrifft, als auch die Produktionsprozesse. „Nachhaltigkeit ist heute mehr denn je ein Geschäftsmodell. Sie ist ein wesentlicher Treiber unserer Innovation“, sagt der Finanzchef. Das zahlt sich aus, werden nachhaltige Produkte doch nicht über die Kosten, sondern über den Mehrwert verkauft. Kundennähe, Produktion vor Ort und Produktinnovation dank eigener Forschung seien bewährte Strategien, doch Altana setze sie auch konsequent um. Das mache den Unterschied.
Da Altana auf Klasse und nicht auf Masse setzt, ist die Produktion natürlich auch weniger energieintensiv als beim Wettbewerb. In Zeiten, in denen die hohen Energiekosten, allen voran die Strompreise, zahlreiche Chemiefirmen aus dem Markt drängen, ist das ein echter Vorteil. Außerdem hat sich Altana über die Jahre vom deutschen Heimatmarkt emanzipiert, ohne ihm den Rücken zu kehren. Heute stammt der Umsatz ganz grob zu je einem Drittel aus den Regionen Americas, Asien und Europa. Größte Einzelmärkte sind die USA (18%), China (18%) und Deutschland (10%). In alle drei Regionen wird gleichermaßen investiert.
Hohe Anpassungsfähigkeit
Der schleichende Rückzug der Basischemie aus Europa stimmt Genten dennoch nachdenklich. „Auch für uns ist es wichtig, dass Europa weiterhin über eine Basischemie verfügt, denn wir beschaffen und produzieren auf den lokalen Märkten für die lokalen Märkte“, erläutert der Manager und spielt damit auf die Resilienz der Lieferketten an. Zugleich warnt er davor, das Thema Deindustrialisierung auf die leichte Schulter zu nehmen. Innovation bringe wenig, wenn die Industrienachfrage nicht mehr da sei, so die Argumentation.
Doch Genten ist optimistisch, dass sich das Blatt wieder wendet, zeichne sich die chemische Industrie doch durch hohe Anpassungsfähigkeit aus. Außerdem steht für den Manager fest: „Es gibt keine Nachhaltigkeittransformation ohne Chemie.“ Diese Erkenntnis müsse nun auch in Brüssel ankommen. „Vieles, was aus der EU an Regulierung kommt, ist sicherlich gut gemeint. Aber über das Ziel hinausschießende Berichtspflichten bringen keinen Zusatznutzen“, moniert der Vorstand.
Produkte für die Transformation
Die mit der Transformation im Zusammenhang stehenden Themen Batteriespeicher, Elektromobilität und Elektrifizierung sind für Altana echte Wachstumstreiber. So ist der Geschäftsbereich Elantas, der Isolierstoffe für die Elektroindustrie herstellt, im ersten Halbjahr organisch um 7% gewachsen. In diesem Segment reklamiert Altana die Innovationsführerschaft für sich. In den anderen drei Segmenten Byk (Additive), Eckart (Pigmente) und Actega (Speziallacke) waren die Erlöse im ersten Halbjahr dagegen leicht rückläufig.
Am Ende fußt der Erfolg von Altana auf der Klarheit der Strategie. Dazu gehört neben der hohen F&E-Quote auch eine eindeutige Akquisitionsstrategie. „Bei unseren Akquisitionen ging und geht es immer darum, unsere Spezialitäten zu stärken. Es ging nie allein um Größe“, sagt Genten. Zwar haben sich auch andere Chemiekonzerne in Richtung Spezialitäten auf den Weg gemacht. Diese Firmen hätten heute jedoch zwei Geschäftsmodelle unter einem Konzerndach – das forschungsintensive Innovationsmodell und das kapitalintensive Modell, das auf Menge und Kostenführerschaft setzt. Ob zwei so fundamental unterschiedliche Geschäftsmodelle parallel betrieben werden könnten, müsse jedes Unternehmen für sich selbst beantworten, sagt Genten.