Alzchem soll durch die kalte Küche an die Börse
Von Walther Becker, FrankfurtNach dem gescheiterten Initial Public Offering soll Alzchem nun huckepack an die Börse. Großaktionär Peter Löw, bekannt für seine früheren Aktivitäten bei der Beteiligungsgesellschaft Arques, will diese in den Börsenmantel der Softmatic AG einbringen, die nach der Insolvenz ohne Geschäft dasteht.An Softmatic hält Löw über sein Vehikel Livia gut 72 %, an Alzchem 48 %. Er beabsichtigt diese auf Softmatic gegen neue Aktien dieser zu verschmelzen. Nach dieser Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage dürfte eine Umfirmierung in Alzchem anstehen. Alleinvorstand von Softmatic ist Maik Brockmann, der ebenfalls früher bei Arques war.Nach einer ersten Prüfung erachten die Vorstände diesen Vorschlag “grundsätzlich als eine sinnvolle Möglichkeit”, Softmatic zu aktivieren und Alzchem auf diesem Wege eine Finanzierungsoption über die Börse einzuräumen. Und die Altgesellschafter könnten nach der Transaktion über Platzierungen sukzessive aussteigen. Im ersten Schritt wird die gerichtliche Bestellung eines Verschmelzungsprüfers beantragt. Löw und seine aus Zeiten der ehemaligen Beteiligungsgesellschaft Arques verbundenen Mitstreiter kontrollieren Alzchem seit 2009. Löw hält 48,2 %, Martin Vorderwülbecke 28,5 % und Markus Zöllner 21,4 %. Sie wollten beim Börsengang bis zu 165 Mill. Euro einstreichen. Wie bei Arques/SalzschlirfLöw selbst hat diesen Weg schon beschritten: Die heutige Gigaset ging aus der seit dem Jahr 1900 börsennotierten AG Bad Salzschlirf, eines Kurmittelbetriebs, hervor. Diese ging 2001 in Insolvenz. Im Mai 2002 übernahmen Löw 61 % und Buchanan 22 %. Kurz darauf wurde die AG Bad Salzschlirf in Arques umbenannt; der Unternehmenszweck wurde laut Satzung auf den Erwerb und die Sanierung mittelständischer Unternehmen erweitert. 2010 wurde aus Arques dann die heutige Gigaset. Andere derartige Fälle sind Wirecard, Capital Stage oder TAG. 2004 hatte die EBS in die damalige Infogenie Europe AG die Einbringung sämtlicher Anteile ihrer Tochter Wirecard durchgezogen. Die heutige Capital Stage AG entstand 2001 durch Einbringung der Beteiligungen der Futura Capitalis in die seit 1998 börsennotierte HWAG Hanseatisches Wertpapierhandelshaus. Die heutige TAG Immobilien hatte ihre Wurzeln in der Eisenbahn-Actiengesellschaft Schaftlach-Gmunden am Tegernsee. Und die heute über Conwert zu Vonovia gehörende KWG Wohnen kam 2005 durch einen Zusammenschluss von Investoren zustande, die den Börsenmantel der Carthago Biotech erworben hatten.Alzchem hatte Anfang Februar ihre Börsenpläne in der Schublade verschwinden lassen. Das “gegenwärtig weiterhin von politischen Themen dominierte Marktumfeld” sorge trotz hoher Indexstände für eine “anhaltende Unsicherheit bei Neuinvestitionen”, hieß es zur Begründung. Gesellschafter und Banken – Société Générale und Baader – zielten auf einen Börsenwert bis 350 Mill. Euro bei einem Emissionsvolumen von 163 Mill. bis 219 Mill. Euro. Alzchem war dem Evonik-Konzern 2009 für 78 Mill. Euro schuldenfrei abgekauft worden.Der überwiegende Teil der Emission wäre den Plänen zufolge in die Taschen der Altgesellschafter geflossen: Alzchem sollten daraus brutto 40 Mill. bis 54 Mill. Euro zukommen. Denn es war primär eine Umplatzierung aus der Schatulle der drei verkaufenden Aktionäre vorgesehen. Doch die fielen mit ihren Pläne auf die Nase. Alzchem hatte geplant, 35 Mill. Euro der angestrebten Nettoerlöse aus dem Aktienverkauf in den Bau einer weiteren Produktionsanlage für den Futtermittelzusatzstoff Creamino in Trostberg zu investieren. Alzchem setzte 2016 mit 1 400 Beschäftigten 327 (i.V. 323) Mill. Euro um. Das operative Ergebnis (Ebitda) legte von 33,2 Mill. auf 38,6 Mill. Euro zu.Softmatic aus Norderstedt kam 1999 mit der Commerzbank quasi als “SAP für Arme” an den Neuen Markt. Angeboten wurde für Mittelständler betriebswirtschaftliche Standard-ERP-Software namens SQLblending. Umstrukturierungen, Zielverfehlungen und Verluste folgten. Schon 2002 kam der Insolvenzantrag. 2015 übernahm Löw die Mehrheit. Softmatic weist für 2016 einen Jahresfehlbetrag von 29 000 Euro aus. Der Börsenhandel machte einen Großteil der Kosten aus, zweiter Block sei die Abschlussprüfung.—– Wertberichtigt Seite 8