Technologie

Amazon schöpft aus dem Vollen

Amazon verzichtet kurzfristig auf Gewinne und nimmt Geld in die Hand, um das Wachstum zu finanzieren. Die Strategie hat sich bisher immer ausgezahlt und setzt Wettbewerber unter Druck.

Amazon schöpft aus dem Vollen

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Amazon gibt viel Geld aus zulasten kurzfristiger Gewinne. Eine Strategie, die die Investoren des US-Plattformriesen eigentlich nicht überraschen kann, denn „Think big“ war stets das Mantra der Konzernführung – auch unter Jeff Bezos. Der weltgrößte E-Commerce-Anbieter und Webhoster, der wie nur wenige andere Unternehmen vom Digitalisierungsschub der Pandemie profitiert hat, weist nicht nur für das dritte Quartal unterm Strich einen auf 3,2 Mrd. Dollar gegenüber dem Vorjahreswert nahezu halbierten Gewinn aus, sondern stimmt die Anleger im Weihnachtsquartal schlimmstenfalls auf eine schwarze Null ein.

Die Anleger reagierten darauf kurzfristig vergrätzt, schließlich ist das vierte Quartal normalerweise das stärkste des Konzerns in vielen Geschäftsfeldern. Indes schlagen in diesem Jahr die Spätfolgen der Pandemie voll durch. Amazon verzeichnet an vielen Stellen Wachstumsschmerzen, die sich in Lieferschwierigkeiten und Knappheitspreisen ausdrücken. Dies resultiert in einer gewissen Unsicherheit der Prognose, die sich in einer breiten Wachstumsspanne von 4% bis 12% ausdrückt und zu einer Gewinnerwartung von 0 bis 3 Mrd. Dollar führt.

Doch selbst wenn es ganz dumm läuft und Amazon jeweils das untere Ende erwischt – der Konzern kann sich seine Ausgabenoffensive leisten. Und er wird damit auf zahlreichen Märkten den Druck erhöhen. Mit einem operativen Cash-flow von 24 Mrd. Dollar in den ersten neun Monaten und 30 Mrd. Dollar in der Kasse greift Amazon tief in die Tasche, um Tausende neuer Stellen zu schaffen – allein 150000 für Saisonkräfte in den USA und 50000 in Europa, wobei die US-Stellen im Durchschnitt mit einem Spitzenstundenlohn von 18 Dollar ausgestattet sind. Das Unternehmen reagiert damit auf die angespannte Nachfrage nach Arbeitskräften. Ebenso werden die Lagerzentren und die Logistik zu hohen Kosten ausgebaut.

Logistik im Fokus

Beides dürfte die Logistikbranche unmittelbar treffen; auch Wettbewerber wie UPS und Deutsche Post DHL müssen konkurrenzfähig bleiben. Der Ausbau von Amazon Logistics wird allerdings von den Kartellbehörden bereits mit Aufmerksamkeit betrachtet. Denn der E-Commerce-Riese reagiert damit zwar auf Probleme in der Distribution, was überhaupt nicht zu beanstanden ist, allerdings haben die Behörden speziell in Deutschland ein Auge darauf, dass der US-Konzern mit dem eigenen neuen Service kein Dumping betreibt – eine Option, die von US-Tech-Giganten schon wiederholt gewählt wurde, um das eigene Angebot in den Markt zu drücken.

Amazon profitiert im Konzern von exzellenten Quersubventionierungsmöglichkeiten, denn die Hosting-Sparte AWS (Amazon Web Services) gehört ebenfalls zu den herausragenden Coronagewinnern, zeigt aber als globaler Marktführer seit Jahren ein konstant hohes Wachstum. Im dritten Quartal gelang der Sparte ein Umsatzsprung von fast 40% auf 16 Mrd. Dollar, bei einer operativen Rendite von 30%. Diese hält AWS seit vielen Quartalen konstant. Sie ist allerdings in diesem Geschäft keineswegs glänzend. Microsoft zeigte im vergleichbaren ersten Geschäftsquartal in der Cloud-Sparte eine operative Marge von 45%, der kleine europäische Konkurrent und Börsenneuling OVH Cloud kam im vergangenen Jahr auf eine Marge von 40%. Auch hier ist Amazon bereit, bei der Profitabilität Abstriche zu machen zugunsten des Marktanteils. An dieser Schraube kann aber jederzeit in beide Richtungen gedreht werden.

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