Arbonia ist zuversichtlich dank steigender Baugenehmigungen in Deutschland
Schweizer Türenhersteller Arbonia braucht einen langen Atem
Nummer 2 der Branche in Europa macht Hälfte des Umsatzes in Deutschland – Wohnungsbauvolumen wird hierzulande 2025 und 2026 sinken
Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt
Der sich auf Türen fokussierende Gebäudeausstatter Arbonia aus der Schweiz bekommt die seit langem negative Entwicklung der Baukonjunktur in Deutschland zu spüren. Mit einem Umsatzanteil von rund 50% ist dies der wichtigste Markt für das Unternehmen.
Der schleppende Neubau von Wohnraum habe belastet, denn wo gebaut wird, werden auch Türen gebraucht. Zu den rückläufigen Baugenehmigungen hätten die anhaltende konjunkturelle Unsicherheit und die hohen Zinskosten geführt. Das Renovierungsgeschäft habe sich dagegen stabil gezeigt.
Einfamilienhäuser sind im Aufwind
Doch nun gibt es einen Hoffnungsschimmer: Die Berechtigungen zum Neubau von Einfamilienhäusern in Deutschland nehmen zu, berichtete Jonas Tausent, Investor-Relations-Manager von Arbonia, auf der Herbstkonferenz des Finanzintermediärs Equity Forum. Im ersten Halbjahr seien die Genehmigungen in diesem Segment um 14,1% gestiegen. Einfamilienhäuser haben gemäß Tausent verglichen mit Mehrfamilienhäusern mehr Türen – sind für Arbonia also attraktiver.
Zu Optimismus gibt es jedoch wenig Anlass: Zum einen sind laut dem IR-Manager 70% aller Wohnhäuser in Deutschland Mehrfamilienhäuser, zum anderen wird laut einer Schätzung im Euroconstruct-Report vom Juni das Wohnungsbauvolumen in Deutschland dieses Jahr auf 63,1 (i.V. 69,7) Mrd. Euro fallen und nächstes Jahr weiter auf 60,0 Mrd. Euro sinken, bevor es 2027 zu einer leichten Erholung auf knapp 64 Mill. Euro kommen soll.
Sitz in Arbon am Bodensee
Woher Arbonia seinen Namen hat, ist nicht schwer zu erraten. Der Sitz des Türenherstellers ist die am Bodensee gelegene Schweizer Kleinstadt Arbon. Die Produktionsstandorte ziehen sich wie ein Band quer durch Europa: von der iberischen Halbinsel über Frankreich und Deutschland bis nach Polen. Hintergrund dieser regionalen Verbreitung ist, dass Arbonia, deren Historie auf eine 1874 gegründete Kupferschmiede zurückgeht, in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Übernahmen in Europa getätigt hat.
Zwei von drei Divisionen in vier Jahren verkauft
Seit 2021 kam es bei Arbonia zu zwei einschneidenden Umstrukturierungen. Anfang dieses Jahrzehnts war das Unternehmen nicht nur ein bedeutender Türenhersteller, sondern besaß auch Geschäftsbereiche für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK) sowie Fenster. Doch 2021 verkaufte Arbonia die Division Fenster an die dänische Dovista. Die Gruppe ist ein führender Anbieter von Fenstern und Außentüren in Europa; zum Portfolio gehört die 2021 übernommene deutsche Weru. Der Verkauf der Fenster-Sparte sei „opportunistisch“ gewesen, sagt Tausent; sprich: Die Höhe der Offerte war attraktiv. Zudem sei Arbonia langfristig „signifikant zu klein“ gewesen, um im Fenstermarkt bestehen zu können.
Den Erlös aus dem Verkauf der Fenster-Division steckte Arbonia in die verbleibenden Sparten HLK und Türen, von denen man sich stärkeres profitables Wachstum versprach. Dieses sollte sowohl organisch als auch mittels Akquisitionen generiert werden. Doch die Entwicklung von HLK (Climate) blieb wohl hinter den Erwartungen zurück; zudem sei das Management zu dem Schluss gekommen, dass für diesen umkämpften Markt Arbonia ein zu kleiner Spieler sei, so Tausent.
Im April 2024 wurde der Verkauf der HLK-Division an die chinesische Midea-Gruppe ankündigt und Ende Februar dieses Jahres „zu marktüblichen Multiples“ vollzogen, so Tausent. Midea, einer der weltweit führenden Hersteller von Haushaltsgeräten und Klimaanlagen, habe für die Sparte 700 Mill. sfr gezahlt; davon seien 400 Mill. sfr als Sonderausschüttung an die Aktionäre geflossen, der Rest sei zum Schuldenabbau und für Akquisitionen eingesetzt worden.
Dachkonzern für ein Dutzend Unternehmen
Nunmehr konzentriert sich Arbonia weitgehend auf das Türengeschäft. Hier habe man auf den Kernmärkten Mitteleuropas eine führende Stellung inne. 2024 seien rund 1,9 Millionen Türen hergestellt worden; zwei im Vorjahr getätigte Übernahmen treiben die Zahl rechnerisch auf etwa 2,7 Millionen Türen. Je 100.000 zusätzlich verkaufte Türen führen zu einem Anstieg der Ebitda-Marge um 75 bis 100 Basispunkte, wie aus den Konferenzunterlagen hervorgeht.
Unter dem Dach der Obergesellschaft findet sich heute ein Dutzend Unternehmen und Marken. Neben Türen und Zargen (Einfassung von Türen und Fenstern) werden ergänzend Duschkabinen und -abtrennungen sowie Bade- und Duschwannen angeboten.
Arbonia verfolge das Ziel, die Stellung als führender Hersteller von Innentüren aus Holz und Glas in ganz Europa auszubauen. Nach diesen beiden Segmenten, die 90% aller Türen ausmachten, wird der Konzern nun unterteilt. Kapazitätsspielräume gibt es mehr als genug: 2024 lag die Auslastung nach den Angaben nur bei 66 (71)%. Der europäische Türenmarkt sei sehr fragmentiert: Neben Arbonia (Marktanteil ca. 10%) gebe es nur noch einen großen Spieler: die US-amerikanische Jeld-Wen (Marktanteil ca. 20%). Ansonsten gebe es Schwergewichte nur auf regionaler bzw. nationaler Ebene.
Der Glas-Bereich werde von Arbonia derzeit weniger in den Fokus gestellt, so Tausent. Einerseits, weil er deutlich kleiner ist als der Holzbereich, andererseits stehe dieser Geschäftsteil aktuell vor größeren Herausforderungen als das Segment Holz – dies habe sowohl operative als auch marktbedingte Ursachen. Unter anderem sind die Preise für Glas stark gestiegen.
Umgerechnet knapp 600 Mill. Euro Umsatz
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Unternehmensgruppe mit im Schnitt knapp 3.500 Mitarbeitenden einen Umsatz (ohne die verkaufte Division Climate) von 556,3 Mill. sfr (594,4 Mill. Euro); ein Plus von 10%. Organisch, also ohne Währungs- und Akquisitionseffekte, wurde jedoch ein Rückgang von 5,4% verzeichnet. Nach Deutschland und dem Heimatmarkt Schweiz (18%) entfallen die höchsten Umsatzanteile auf Spanien (12%) und Frankreich (7%).
Bereinigt um Sondereffekte, u.a. ein Grundstücksverkauf 2024, kletterte das Ebitda um 22% auf 41,7 Mill. sfr. Unbereinigt hat sich das operative Ergebnis auf 66,3 (31,9) Mill. sfr mehr als verdoppelt. Unterm Strich wechselte so das Vorzeichen: Aus einem Fehlbetrag von 14,1 Mill. sfr (2023) für das fortgeführte Geschäft wurde ein Überschuss von 2,7 Mill. sfr. Inklusive des veräußerten HLK-Geschäfts und der Sondereffekte wurde ein Nettogewinn von 8,3 Mill. sfr nach einem Minus von 17,2 Mill. sfr verbucht.
Auftragseingang stimmt zuversichtlich
Mit dem ersten Halbjahr 2025 zeigt sich Arbonia zufrieden, insbesondere mit dem Auftragseingang. Der deutsche Markt wird dagegen weiter als „herausfordernd“ beschrieben. Auf organischer Basis ging der Umsatz im Jahresvergleich um 1,5% auf 307 Mill. sfr zurück. Das bereinigte Ebitda landete bei 26,1 Mill. sfr, die Marge bei 8,5%.
Für das zweite Halbjahr 2025 zeigt sich Arbonia zuversichtlich. Diverse Kostenfaktoren, die im ersten Semester das Ergebnis belastet hatten – der große Stromausfall in Spanien, der dort die Produktion zum Erliegen brachte, erhöhte Marketingkosten für den ersten eigenen Kongress (Arbonia Next) sowie strukturelle Anpassungen –, werden im laufenden Halbjahr nicht anfallen. Dies „sollte zusammen mit Umsatzwachstum und einem höheren Ergebnisbeitrag aus gewonnenen Projekten sowie in den nächsten Monaten voll wirkenden Preiserhöhungen und mehr Arbeitstagen zu einem deutlich stärkeren zweiten Halbjahr 2025 führen“. Außerdem sollten umgesetzte Sparmaßnahmen Wirkung zeigen.
US-Importzölle für die Schweiz lassen Arbonia kalt
Von einem großen Belastungsfaktor bleibt Arbonia verschont: von den angedrohten hohen US-Importzöllen für Waren aus der Schweiz. Da sich das Unternehmen auf den europäischen Markt konzentriert, bewegen sich Lieferungen in die USA auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Exporte, die in nichteuropäische Länder gingen, beliefen sich im ersten Halbjahr auf 3% des Umsatzes. „Wenn es solche Lieferungen in die USA punktuell geben sollte, dann durch einen US-Importeur, der hier in Europa einkauft“, sagt Tausent. „Andersherum beziehen wir auch keine Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe aus den USA, so dass es auch aus dieser Richtung keine Einflüsse geben kann.“
Mit der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen vor einer Woche wurde die im März veröffentlichte Prognose für 2025 bestätigt. Danach wird mit einem Wachstum von 3 bis 5% gerechnet, basierend auf einem Pro-forma-Umsatz von 604 Mill. sfr im vergangenen Jahr. Das bereinigte Ebitda soll der Schätzung zufolge bei 60 (42) Mill. sfr liegen.
Mittelfrist-Guidance bis 2029 sieht kräftiges Wachstum und Margenerhöhung vor
Auch an der Mittelfrist-Guidance für 2029 hält Arbonia fest: Es wird ein Umsatz zwischen 820 Mill. und 850 Mill. sfr angestrebt. Die Ebitda-Marge soll 14 bis 15% erreichen. „Ein steigendes Ebitda, ein sinkender Capex (die Investitionsausgaben sollen unter 4% vom Umsatz sinken; die Red.) sowie tiefe Steuern durch höhere Abschreibungen (6,0 bis 6,5% des Umsatzes; die Red.) führen zu einem zunehmenden Free Cash Flow, der eine Dividendenpolitik im Bereich von mehr als 30% des Nettogewinns und maximal 50% des Free Cash Flow ermöglicht“, teilte Arbonia mit.
Die Aktien von Arbonia sind seit 1988 an der Schweizer Börse gelistet. Nach Unternehmensangaben haben 91% der Anteilseigner ihr Domizil in der Schweiz. Großaktionär ist der Geschäftsmann und Milliardär Michael Pieper über sein Investmentvehikel, die Artemis Group, mit einem Anteil von 22,6%. Kleine Pakete halten nach Unternehmensangaben UBS Fund Management (Switzerland) mit 6,5% und Leo Looser (3%). Loosers Anteil rührt von der Übernahme der ebenfalls in der Bauzulieferung tätigen Looser Holding vor fast zehn Jahren her.
Kurs liegt knapp über dem Zehnjahrestief
Die Aktionäre können mit der Kursperformance nicht zufrieden sein. Der Preis für eine Arbonia-Aktie liegt bei 5,80 sfr. Erst Mitte August war der Kurs auf ein Zehnjahrestief von 5,09 sfr gefallen. Zuvor war die Notierung nach einem Jahr der Seitwärtsbewegung zwischen 10 und 13 sfr Ende April ruckartig von 11,60 auf knapp über 6 sfr gefallen. Grund war die Sonderausschüttung aus dem Verkaufserlös für die HLK-Sparte in Höhe von 1,20 sfr pro Aktie, die ordentliche Dividende von 0,33 sfr und eine Nennwertrückzahlung von 4,00 sfr, was zu einer Gesamtausschüttung von 5,83 sfr pro Aktie führte.
Die Marktkapitalisierung von Arbonia beträgt rund 400 Mill. sfr (427 Mill. Euro). Anfang 2022 hatte der Börsenwert noch bei 1,57 Mrd. sfr gelegen.