Atlantia gerät immer stärker unter Druck

Italiens Premierminister droht offen mit Entzug der Konzession für Autobahnbetrieb

Atlantia gerät immer stärker unter Druck

bl Mailand – Italiens Premierminister Giuseppe Conte hat der börsennotierten Infrastrukturgesellschaft Atlantia mit dem Entzug der Konzession für den Betrieb eines 3 500 Kilometer langen Autobahnnetzes in Italien gedroht. Es sei “offenkundig, dass jemand für die gravierende und unverzeihliche Nachlässigkeit verantwortlich” sei, sagte er der Zeitung “La Repubblica. “Der Beschluss wird auf einer technischen Bewertung der Mängel des Betreibers basieren”, sagte der Regierungschef.Die Situation um das Unternehmen bzw. deren Tochter Autostrade per l’Italia (Aspi) hatte sich zugespitzt, nachdem vergangene Woche in einem Autobahntunnel bei Genua schwere Deckenteile auf die Fahrbahn gestürzt waren. Das war die letzte Episode in einer Reihe von Vorfällen, die im August 2018 mit dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua, bei dem 43 Menschen zu Tode kamen, begonnen hatte.Im Laufe von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Genua war bekannt geworden, dass Brücken und Tunnels nicht gewartet oder Untersuchungsberichte manipuliert worden waren. Gegen Dutzende von Managern wird ermittelt, gegen einige wurden Berufsverbote oder Hausarreste verhängt. Die Regierungspartei 5 Sterne dringt auf einen Entzug der Konzession. Ihre Koalitionspartner, der sozialdemokratische PD und die Renzi-Partei Italia Viva, sind deutlich zurückhaltender, solange eine juristische Schuld nicht festgestellt ist. Ex-Premierminister Matteo Renzi bezeichnet einen Konzessionsentzug als “verfassungswidrig”. Atlantia kündigte an, sich mit allen Mitteln wehren zu wollen. Entschädigungszahlungen könnten sich bis auf 23 Mrd. Euro belaufen. Allerdings hat die Regierung kurz vor Weihnachten ein Dekret verabschiedet, das den Entzug von Konzessionen einfacher macht und die Höhe von Entschädigungszahlungen reduziert. Atlantia gesteht Versäumnisse ein und hat einige Manager, darunter CEO Giovanni Castellucci, geschasst. Sein Nachfolger Roberto Tomasi warnt davor, dem Unternehmen die Konzession zu entziehen.”Im Fall eines Konzessionsentzugs droht uns der Bankrott, da wir offene Kreditlinien in der Größenordnung von 10,5 Mrd. Euro haben”, sagte er. Tomasi hofft auf einen Dialog mit der Regierung und hat mehr als 2 Mrd. Euro für den Wiederaufbau der Brücke in Genua, Entschädigungszahlungen an Opfer und weitere Maßnahmen angeboten. Außerdem sollen bis 2023 rund 13 Mrd. Euro in das Autobahnnetz investiert werden. Der Regierung ist das zu wenig.Der Aktienkurs ist massiv unter Druck geraten und gab am Montag erneut um 1,1 % auf 20,13 Euro nach. Die Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s haben ihre Bewertungen zurückgenommen. Moody’s bewertet Autostrade inzwischen mit dem Ramschniveau “Ba1” bei negativem Ausblick und Atlantia mit “Ba1”. In Wirtschaftskreisen fürchtet man im Fall eines Konzessionsentzugs verheerende Auswirkungen auf ausländische Investoren. An Atlantia sind neben der Benetton-Familienholding Edizione (30,2 %), die Allianz (7 %), die Staatsholding von Singapur, HSBC und Lazard beteiligt. – Wertberichtigt Seite 6