Im GesprächKlaus Jaenecke, Armid

„Künstliche Intelligenz kann für Aufsichtsräte eine große Hilfe sein“

Nur wenige Aufsichtsräte von deutschen Unternehmen im Mittelstand setzen künstliche Intelligenz für ihre Arbeit ein. So bleiben nach Meinung von Klaus Jaenecke große Chancen ungenutzt.

„Künstliche Intelligenz kann für Aufsichtsräte eine große Hilfe sein“

Im Gespräch: Klaus Jaenecke

„KI kann für Aufsichtsräte eine große Hilfe sein“

Der Vorsitzende des Vereins Armid stellt jedoch Widerstände gegen künstliche Intelligenz fest – „Gewisse Sättigung“

Von Joachim Herr, München

Künstliche Intelligenz ist aus Sicht von Klaus Jaenecke ein wertvolles Instrument für Aufsichtsräte. „KI kann eine große Hilfe sein, um zum Beispiel wichtige Informationen zu Fachthemen beizusteuern“, sagt der Vorsitzende des Vereins „Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland" (Armid). So ließen sich zeitaufwendige Prozesse verkürzen. Als Beispiel nennt er Entscheidungen über Unternehmenskäufe. KI könne etwa Differenzen zwischen dem Akquisitionsziel und der Marktentwicklung ermitteln und Lücken im Due-Diligence-Bericht aufspüren.

Doch es gibt erhebliche Widerstände: Eine Umfrage unter den Armid-Mitgliedern ergab, dass weniger als 2% KI für ihre Arbeit in den Kontroll- und Beratungsgremien einsetzen und gerade einmal 16% in einem nur sehr geringen Maß. Dem Armid gehören rund 400 Aufsichts- und Beiräte von etwa 700 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 100 Mill. bis 500 Mill. Euro an. Ein Teil der Firmen ist börsennotiert.

„Eine gewisse Sättigung“

Auf die Frage nach den Gründen für den zögerlichen Einsatz von KI erwähnt Jaenecke das Alter der Aufsichtsräte in der Spanne von Anfang 40 bis Ende 60: „Nach einer langen operativen Tätigkeit gibt es eine gewisse Sättigung, die manche Aufsichtsräte davon abhält, sich mit neuen Themen zu beschäftigen.“ Jaenecke wünscht sich mehr Experimentierfreude – auch wenn künstliche Intelligenz hohe Anforderungen an die geistige Aufnahmefähigkeit stelle: „KI erfordert die Bereitschaft, dafür offen zu sein und den Umgang damit zu üben.“

Ängste und Bedenken

Es sei nicht einfach, die Ergebnisse, die KI liefert, zu interpretieren und einzuordnen. „Das Beurteilungsvermögen wird extrem gefordert“, sagt Jaenecke. Der eigene Erfahrungsschatz sei sehr wichtig, um die Hilfe der künstlichen Intelligenz nutzen zu können.

Die Widerstände von Aufsichts- und Beiräten gegen den Einsatz von KI erklärt Jaenecke außerdem mit einer diffusen Skepsis: „Es gibt Ängste, die man gar nicht greifen kann.“ Hinzu kämen Bedenken der Rechtsabteilungen von Unternehmen wegen des Datenschutzes. Diese hält der Armid-Vorsitzende jedoch nur für ein temporäres Problem: „Die Programme bleiben zukünftig in gesicherten Bereichen innerhalb des Unternehmens.“

Wie Internet und E-Mail

Jaenecke gibt sich trotz der Zurückhaltung davon überzeugt, dass sich KI in vielfältiger Weise im Alltag durchsetzen wird. Er erinnert daran, dass Internet und E-Mail in der Anfangszeit in den 1990er Jahren ebenfalls auf Widerstände stießen. Jaenecke nimmt an: „Mit KI wird das auch so kommen.“ Er fügt hinzu: „KI wird domestiziert werden und die Black Box wird transparent.“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf die KI-Verordnung der Europäischen Union.

Der 68 Jahre alte Jaenecke ist Aufsichtsratsvorsitzender der Hansgrohe SE, Hersteller von Bad- und Küchenarmaturen, und der börsennotierten Ringmetall SE, Weltmarktführer für Spannringe zum Verschließen von Kunststofffässern. Zuvor war er im Investment Banking tätig, unter anderem für Goldman Sachs in London und New York. Später war er Berater für M&A-Transaktionen im deutschen Mittelstand.

„Ein Weckruf“

Vorsitzender des Vorstands des 2013 gegründeten Vereins Armid ist Jaenecke seit 2020. Im Mittelpunkt des Netzwerks steht der Austausch der Aufsichts- und Beiräte über ihre Erfahrungen. Wichtige aktuelle Themen sind außer der künstlichen Intelligenz etwa die Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) für Unternehmen und die Haftung der Aufsichtsräte.

Dem letzten Thema gebe der Prozess um den früheren Zahlungsdienstleister Wirecard regelrecht einen Schub, berichtet Jaenecke. „Das war ein Weckruf für Aufsichtsräte.“ Ein Hinweis, Unterlagen vom Vorstand nicht bekommen zu haben, hebe nicht die Sorgfaltspflicht auf, betont er. Aus seiner Sicht hatte der Aufsichtsrat von Wirecard eher einen „Friends-and-Family-Charakter“.

Nur wenige Aufsichtsräte mittelständischer Unternehmen nutzen künstliche Intelligenz für ihre Arbeit. So werden nach Meinung von Klaus Jaenecke große Chancen vergeben. Der frühere Investmentbanker ist seit fast 20 Jahren als Aufsichtsrat aktiv. Den Widerstand gegen KI erklärt er unter anderem mit einer diffusen Angst.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.