Aufsichtsrat von Linde für Fusion
jh München – Der Aufsichtsrat von Linde hat am Donnerstag nach einer fast zehnstündigen Sitzung knapp für die Fusion mit Praxair gestimmt. Grundlage für die Entscheidung war ein von beiden Industriegasekonzernen erarbeiteter Fusionsvertrag, ein sogenanntes Business Combination Agreement. Damit haben die Unternehmen eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einem gemeinsamen Konzern genommen.Um das deutsch-amerikanische Projekt wurde wie erwartet zwischen der Kapital- und Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des Münchner Unternehmens hart gerungen. Wie zu hören ist, gab es am Ende sechs Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Vertreten sind in dem Gremium für die Belegschaft die beiden Gewerkschaften IG Metall und IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sowie Betriebsräte. In den vergangenen Monaten hatten sie ihren Widerstand gegen das Vorhaben zum Ausdruck gebracht – unter anderem mit einer Protestaktion an Standorten von Linde.Wolfgang Reitzle, der Aufsichtsratsvorsitzende von Linde, hatte angekündigt, im Fall einer Pattsituation mit seinem doppelten Stimmrecht eine Entscheidung für den Zusammenschluss durchzusetzen. Dies war aufgrund des Abstimmungsergebnisses nicht notwendig. Eine besondere Rolle kam dem Betriebsratsvorsitzenden des Anlagenbau-Standorts Dresden, Frank Sonntag, zu. Ohne eine Fusion will Linde den Unternehmensteil in Sachsen mit 500 Mitarbeitern schließen. Es wäre die gravierendste Folge des laufenden Sparprogramms von Linde. Im Fall eines Zusammenschlusses mit Praxair gäbe es dagegen zusätzliche Aufträge aus Amerika, da der US-Konzern keinen eigenen Anlagenbau besitzt und Bestellungen weitergibt. Der Standort Dresden wäre gerettet – zumindest solange die für eine Fusion vereinbarte Beschäftigungssicherung bis Ende 2021 gilt. Ob sich Sonntag angesichts dieses Dilemmas enthalten hat, war bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren.Wenige Tage vor der Entscheidung des Aufsichtsrats hatte die IG BCE vorgeschlagen, einen Mediator einzusetzen, ehe es zu einer Kampfabstimmung komme. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hatte dies befürwortet (vgl. BZ vom 31. Mai). 1,1 Mrd. Euro SynergienDer umfangreiche Fusionsvertrag wird, wie es heißt, in Teilen in den nächsten Tagen veröffentlicht. Die am Donnerstag bekannt gegebenen Kernpunkte waren weitgehend schon bekannt. Präzisiert wurden die erwarteten Synergien und Kostensenkungen eines gemeinsamen Konzerns: Nach drei Jahren sollen es 1,1 Mrd. Euro im Jahr sein. Den einmaligen Aufwand dafür schätzen die Unternehmen auf rund 940 Mill. Euro. Den Abschluss der Fusion, das sogenannte Closing, erwarten sie für die zweite Hälfte des kommenden Jahres.Rechtlicher Sitz der geplanten gemeinsamen Holding soll Irland werden. Für die Zentralfunktionen ist Großbritannien vorgesehen. Dort sollen auch die Sitzungen des Vorstands stattfinden.Der Aktienkurs von Linde legte am Donnerstag bis zum Handelsschluss um 1,8 % auf 173,05 Euro zu. Der Markt rechnete offensichtlich mit einer Zustimmung des Aufsichtsrats. Die Meldung veröffentlichte Linde erst nach Börsenschluss in Frankfurt. Im nachbörslichen Handel vergrößerte sich das Kursplus auf 3,8 %. Der Handel mit Aktien von Praxair wurde in New York vorübergehend ausgesetzt.