Aurubis setzt auf Metall-Boom
Aurubis setzt auf Metall-Boom
Im Interview: Steffen Hoffmann
„Das Jahrzehnt der Metalle hat begonnen“
Der Aurubis-CFO über Metalle für Megatrends, die Aussichten für Batterie-Recycling in Europa, über Ambitionen in den USA und Chancen für Sonderdividenden
Der Multimetallproduzent Aurubis ist in diesem Jahr bei Anlegern gefragt. Das derzeit an der Börse mit rund 5 Mrd. Euro bewertete MDax-Unternehmen will vom stark steigenden Bedarf nach Metallen profitieren, der mit technologischen Megatrends einhergeht. CFO Steffen Hoffmann spricht im Interview vom Jahrzehnt der Metalle.
Herr Hoffmann, der Kurs der Aurubis-Aktie hat 2025 bislang um mehr als 40% zugelegt und unlängst ein Rekordhoch bei 120,40 Euro erreicht. Wie erklären Sie die Hausse?
Wir überlassen es grundsätzlich dem Kapitalmarkt, den Aktienkurs zu kommentieren. Wir fokussieren uns auf unser originäres Geschäft und darauf, operativ gute Ergebnisse zu erzielen und strategische Projekte im vorgegebenen Zeit- und Budgetrahmen umzusetzen. Wir konzentrieren uns auch darauf, das Vertrauen bei unseren Stakeholdern weiter zu stärken, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vorstandswechsel im vergangenen Jahr. Der Kapitalmarkt honoriert offenbar die Relevanz von Aurubis im Bereich der kritischen Materialien. Der Markt honoriert, dass Aurubis auf Megatrends gute Antworten hat. Wir arbeiten daran, Alleinstellungsmerkmale weiter zu schärfen.
Was meinen Sie damit?
Damit meine ich vor allem unsere besondere Kompetenz, 20 Multimetalle und Elemente auszubringen. In der Verarbeitung komplexer Rohstoffe sind wir besser als der Wettbewerb. Ein wichtiges Argument im Dialog mit Investoren ist auch, innerhalb unserer Branche über einen besonders niedrigen CO₂-Fußabdruck zu verfügen – bei Kupfer liegt dieser mehr als 60% unter dem globalen Durchschnitt aller Kupferhütten. Wir arbeiten daran, dass wir uns hier klar vom Wettbewerb abheben. Zudem haben wir beim jüngsten Kapitalmarkttag unsere Cashflow-Orientierung untermauert. Und wir werden zugleich mit unserer Dividendenpolitik berechenbarer.
Wir setzen auf globale Megatrends, die die Nachfrage nach kritischen Metallen deutlich anwachsen lassen.
Welchen Anteil am Aufschwung an der Börse haben externe Faktoren?
Wir fokussieren uns auf die Dinge, die wir selbst beeinflussen können: die operative Performance, die Verlässlichkeit und die Transparenz gegenüber den Aktionären, die disziplinierte Umsetzung von Projekten. Wir setzen auf globale Megatrends, die die Nachfrage nach kritischen Metallen deutlich anwachsen lassen. Viele der relevanten Megatrends gewinnen am Kapitalmarkt zunehmend an Bedeutung. Kupfer als eines der wichtigsten Elemente für die Elektrifizierung, die Transformation unserer Energieinfrastruktur und AI- sowie Datenzentren steht hier besonders im Mittelpunkt.
Wie bewerten Sie die Aussichten der Kupfernachfrage?
Das Jahrzehnt der Metalle hat begonnen. Wir sehen nachhaltige Treiber der Nachfrage: die Elektrifizierung, die Energieinfrastruktur, Verteidigung und Sicherheit, Künstliche Intelligenz und Datencenter. Die Megatrends und die damit verbundene Nachfrage ist real, sie werden die nächsten zehn Jahre bestimmen.
Zur Person
Seit dem 1. Oktober 2024 ist Steffen Alexander Hoffmann Finanzvorstand von Aurubis. Der 55 Jahre alte Diplom-Wirtschaftsingenieur hat eine lange Laufbahn im Automobilsektor hinter sich: Von 1996 an arbeitete der gebürtige Stuttgarter für Mercedes bzw. Daimler. Die Funktion des Chief Financial Officer (CFO) lernte Hoffmann in dieser Zeit schon kennen, so von 2005 bis 2008 bei Mercedes-Benz France in Paris, später bei Daimler Buses und EvoBus sowie ab 2017 bei Daimler Greater China in Peking. Vor seinem Wechsel zum Kupferkonzern nach Hamburg war er von 2020 bis September 2024 als Vice President Treasury und Investor Relations von Mercedes-Benz in Stuttgart tätig. Hoffmann ist verheiratet und zweifacher Vater.
Was heißt das konkret?
Marktanalysten erwarten, dass der Kupfermarkt in den nächsten zehn Jahren um 22% zulegen wird, bis 2050 soll sich die Nachfrage sogar verdoppeln. Bei Gold wird im Zehnjahres-Zeitraum ein Anstieg um 26%, bei Silber 10% prognostiziert. Wir sind ein Multimetallunternehmen und arbeiten mit 20 Metallen und Elementen, darunter Tellur, das bei Solartechnologien eine wichtige Rolle spielt. Bei Tellur wird mit einem Marktwachstum von über 80% in der nächsten Dekade, bei Zinn von rund 40 % gerechnet. Wir sind insofern sehr positiv gestimmt, was die Nachfrageperspektiven angeht. Wichtig ist, dass die Verfügbarkeit von Materialien und Vormaterialien geklärt ist.
Wie ist die?
Das Angebot, das wir 2026 sehen, ist begrenzt, vor allem in Europa.
Warum?
Das Angebot ist begrenzt, weil wir einen stärkeren Wettbewerb um verfügbare Rohstoffe erleben. Zudem gehen Angebote für raffiniertes Kupfer aus Lateinamerika und Afrika eher in Richtung USA als in Richtung Europa. Das hat mit den regulatorischen Entwicklungen in den USA zu tun. Hier spielt die sogenannte Comex/LME-Arbitrage eine Rolle. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass man mit Kupfer, das in den USA zum Kunden kommt, mehr verdienen kann als mit Kupfer, das in Europa zum Kunden kommt. Wir sehen sehr niedrige Lagerbestände an der London Metal Exchange in Europa. Wir haben in den letzten sechs Monaten kontinuierlich hohe Spotpreise erlebt in Europa. Die Produktion in Europa ist etwas angespannt. Insofern trifft eine hohe Nachfrage der Industrie auf eine limitierte Verfügbarkeit der Hüttenbetriebe.
Vor kurzem sorgten Berichte für einen Kursauftrieb, Aurubis plane die 2024 und 2025 stabil gehaltene Kathodenprämie, den Aufschlag für Metalllieferungen, an europäische Kunden von 228 auf 315 Dollar je Tonne zu erhöhen. Was sagen Sie dazu?
Wir kommentieren die Prämie nicht öffentlich, sie ist Teil der bilateralen Gespräche mit unseren Kunden. Aber klar: Die eben beschriebene Konstellation, das eine hohe Nachfrage auf limitiertes Angebot trifft, kann sich positiv auf eine Prämie auswirken.
An unserer ausbalancierten Ertragsbasis wollen wir festhalten.
Metallergebnis, Schmelzlöhne sowie Prämien und Produkte haben in etwa die gleichen Anteile an ihren Erlösen. Wird das so bleiben oder erwarten Sie Verschiebungen?
An unserer ausbalancierten Ertragsbasis wollen wir festhalten. Akzentverschiebungen sind am ehesten beim Metallergebnis zu erwarten. Hier halten wir noch eine Stärkung der Beiträge für möglich. Zum einen tun wir über die strategischen Projekte sehr viel dafür, um künftig noch mehr komplexere Inputmaterialien besser verarbeiten zu können. Wenn man komplexe Materialien verarbeiten kann, kann man sich vom Wettbewerb differenzieren und Ertragspotenziale für sich erschließen. Zum anderen können dabei auch mehr Edelmetalle herauskommen, und vor dem Hintergrund der sehr positiven Prognosen für Edelmetallpreise ist das eine Möglichkeit, im Metallergebnis noch einen stärkeren Akzent setzen zu können.
Sie verweisen auf Megatrends von denen Aurubis profitiere. Wo sehen Sie das größte Potenzial?
Wir profitieren von allen vorher bereits angesprochenen Megatrends. Bis 2035 werden zum Beispiel mehr als 200.000 neue Windturbinen gebaut. Pro Windturbine werden rund 40 Tonnen Kupfer benötigt. Dieses Nachfragepotenzial werden wir für uns erschließen. Auch bei anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solarpaneelen ist eine erhebliche Nachfrage nach Multimetallen zu erwarten. Hier werden wir ebenfalls partizipieren.

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Wie sieht es bei Energieinfrastruktur und Rechenzentren aus?
Was den Bedarf an neuen Rechenzentren angeht, sagen Prognosen voraus, dass bis 2035 weltweit mehr als 1.000 neue Rechenzentren entstehen werden. Pro Rechenzentrum braucht man bis zu 30.000 Tonnen Kupfer. Gute Aussichten auch für uns. Elektronik ist ein weiterer starker Treiber. Hier wird angenommen, dass sich die Nachfrage bis 2035 verdoppeln wird. Das hat neben Kupfer auch eine Auswirkung auf Zinn, was zum Löten gebraucht wird. Abschließend noch: Es ist derzeit in Europa viel von steigenden Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben die Rede. Ein Anstieg um mehr als 600 Mrd. Dollar wäre eine Steigerung verglichen mit 2024 um 250%. Auch das schlägt sich in einem höheren Materialverbrauch nieder. Insofern wird sich unsere Multimetallkompetenz aus unserer Sicht langfristig auszahlen.
Wie steht Aurubis zu den Möglichkeiten, die sich im Zuge der verstärkten staatlichen Rüstungsinvestitionen ergeben?
Kupfer ist beispielsweise das zweitwichtigste Element in der US-Verteidigungsindustrie. Insofern sehen wir infolge der weltweit wachsenden Verteidigungshaushalte auch die Möglichkeit, mehr hochwertige Kupferprodukte in den Markt zu bringen.
Wie schätzen Sie das Potenzial für Aurubis ein?
Aus unserer Sicht ist das Potenzial in den genannten Marktschätzungen enthalten, die von einem Wachstum des weltweiten Kupferbedarfs um 22% in den kommenden zehn Jahren ausgehen.
Wie wird sich der Kupferbedarf aus dem Bereich Elektromobilität entwickeln?
Studien gehen für 2035 von mehr als 50 Millionen Elektroautos aus. Bei den Batteriemetallen haben wir zuletzt zwar eine Verlangsamung der Elektrofahrzeugverkäufe in Europa festgestellt. Der Trend in Richtung Elektromobilität ist aber ungebrochen. Insofern wird auch die Elektromobilität eine starke Säule der Kupfernachfrage bleiben.
Die Rolle, die Batterie-Recycling in Europa im Verhältnis zu Entwicklungen in China am Ende spielen wird, beurteilen wir skeptisch.
Sie haben gerade angekündigt, Investitionspläne für das Batterie-Recycling nicht weiterzuverfolgen. Weshalb?
Wir haben eine sehr gute Technologie und eine funktionierende Pilot- und Demoanlage in Hamburg. Die Rückgewinnungsraten für die wertvollen Batteriemetalle wie Lithium liegen bei rund 95 %, ein Spitzenwert im Industrievergleich. Wir erleben aber ein langsameres Wachstum der Elektromobilität. Die Rolle, die Batterie-Recycling in Europa im Verhältnis zu Entwicklungen in China am Ende spielen wird, beurteilen wir skeptisch. Das Wachstum des europäischen Markts für schwarze Masse (ein Zwischenprodukt beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien und ein Granulat, das aus den zerkleinerten Elektroden besteht; die Red.) ist geringer als erwartet. Es gibt eine strukturelle Unsicherheit, die von den Automobilherstellern ausgeht und die wir nicht beeinflussen können. Bei der Beantwortung der Frage, ob wir jetzt eine industrielle Verarbeitung im Batterie-Recycling anstreben wollen, war für uns wichtig, nicht abhängig von den weiteren Hochlaufkurven der Elektrofahrzeugverkäufe großer Autohersteller zu werden.
Daher die Abkehr?
Ja. Deshalb ist der Weg für uns klar: Wir werden nicht weiter in das Batterie-Recycling investieren, sind aber bereit, im Sinne eines Asset-Light-Ansatzes Partnern unser Knowhow, das wir durch die Arbeit in der Demo-Anlage in Hamburg erworben haben und das durch Patentierung verankert ist, zur Verfügung zu stellen. Nur eben nicht verbunden mit weiteren eigenen Investitionen.
Um welche Investitionen ging es denn?
Nach der Investition eines kleineren zweistelligen Millionen-Euro-Betrags in die Demo-Anlage haben wir uns die Frage gestellt, ob wir das Geschäft in diesem Feld industriell kommerzialisieren und dafür eine größere dreistellige Millionen-Euro-Summe für den Bau einer Fabrik im industriellen Maßstab in die Hand nehmen wollen. Wir haben uns intensiv mit den Marktaussichten beschäftigt. Diese haben sich deutlich verändert, vor allem für Europa. Daher haben wir von weiteren Investitionen in den Auf- und Ausbau von Batterie-Recycling Abstand genommen.
Ist das eine Momentaufnahme oder eine langfristige Richtungsentscheidung? Sie sagen doch, Elektromobilität werde eine starke Säule der Kupfernachfrage bleiben.
Aus heutiger Sicht haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir in den nächsten Jahren nicht zusätzlich in das Batterie-Recycling investieren und in dem Bereich keine industrielle Führerschaft übernehmen wollen. Wir sind aber gerne bereit, unser Knowhow im Batterie-Recycling mit möglichen Partnern zu teilen.
Für Unternehmen mit energieintensivem Geschäft spielen Strompreise eine wichtige Rolle. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für Ihr Geschäft?
Die Strompreise in Deutschland sind zu hoch. In Nordamerika bezahlen wir rund ein Drittel dessen, was wir in Deutschland für Strom aufbringen müssen. In beiden Märkten sind wir durch langfristige Bezugsverträge gesichert. Aber für eine energieintensive Industrie wie unsere sind international wettbewerbsfähige Strompreise unter Einbeziehung aller Neben- und Infrastrukturkosten elementar wichtig.
Welche Rolle spielten die Rahmenbedingungen für die Entscheidung, in den USA zu expandieren?
Es gibt verschiedene Gründe, warum wir es als sehr wichtig für Aurubis ansehen, in den USA tätig zu werden und zu expandieren. Wir haben im September den ersten Schmelzofen am neuen Produktionsstandort, dem ersten Multimetall-Recyclingstandort seiner Art in den USA, hochgefahren. Wir sehen sehr viel Potenzial in den USA. Allein die amerikanische Industrie benötigt derzeit rund 1,8 Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr. Studien besagen, dass die Nachfrage in den kommenden fünf Jahren um annähernd 30% zunehmen wird. Die USA importieren rund die Hälfte des verarbeiteten Kupfers, während sie gleichzeitig große Mengen an Multimetallschrott exportieren. Aus unserer Sicht ist der große Vorteil von Recycling, dass es viel schneller zur Schließung der Versorgungslücke in den USA beitragen kann als die Erschließung neuer Minen.

Aurubis AG
Das ist im Sinne der Trump-Regierung?
Wir zahlen mit der Produktion strategischer wichtiger Metalle, die die US-Wirtschaft benötigt und die wesentlich sind für den Ausbau von Datenzentren und KI-Anwendungen, der Energieinfrastruktur, für Hightech-Produkte und nicht zuletzt für die Verteidigungsfähigkeit, auch auf die Ziele der US-Administration ein, eine stärkere Verarbeitung heimischer Rohstoffe zu fördern. Neben dieser strategischen Relevanz, die die USA für uns haben, kommen natürlich auch Faktorkosten in die Erwägung. Und da spielen Energiekosten eine große Rolle für die Expansion in den US-Markt.
Am US-Standort sind wir mit den Energiekosten sehr zufrieden, sie machen ein Drittel der Energiekosten in Deutschland aus.
Inwiefern?
Um eine Zahl zu nennen: 10% der Kosten der Aurubis-Gruppe sind Energiekosten. Energiekosten haben für uns ein relativ hohes Gewicht. Am US-Standort sind wir mit den Energiekosten sehr zufrieden, sie machen ein Drittel der Energiekosten in Deutschland aus.
Seit August gelten in den USA sektorale Importzölle, unter anderem auch von 50% für Kupfer und Kupferprodukte. Inwieweit tangiert Sie die Handelspolitik der US-Regierung?
Aktuell treffen uns erhöhte Importzölle nur in sehr begrenztem Umfang, was unsere Ausfuhren in die USA angeht. Der Anteil der Ausfuhren in die USA an unseren Gesamtströmen lag im Geschäftsjahr 2023/24 bei etwa 1%. Jetzt sind wir durch den Aufbau regionaler Kapazitäten im neuen US-Werk gut aufgestellt und können vom wachsenden Markt profitieren. Wir sehen Richmond als Leuchtturmprojekt, weil es auch zeigt, wie man in den USA modernes Recycling aufbauen kann, wie man einen Beitrag leisten kann, um die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Lieferketten zu stärken.
Wie ist die Resonanz?
Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen und merken, dass die US-Industrie sehr daran interessiert ist, mit uns zusammenzuarbeiten und Kreislauflösungen zu schaffen. Die Zölle, die jetzt erhoben wurden, sollen aus US-Sicht die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten stärken und ein günstiges Investitionsklima schaffen. Insofern ist unser Standort in Richmond eine starke Plattform für die weiteren Wachstumsambitionen der Aurubis in den USA.
Sie haben rund 740 Mill. Euro in die erste Multimetall-Recyclinganlage investiert; es ist die bislang größte Investition von Aurubis außerhalb Europas. Wenn Sie von weiteren Wachstumsambitionen in den USA sprechen: Was meinen Sie konkret?
Wir sehen drei mögliche Optionen für eine weitere Expansion in den USA. Wir können uns horizontales Wachstum vorstellen. Das würde bedeuten, dass wir weitere Schmelzkapazitäten über Richmond hinaus in anderen Regionen der USA schaffen, um das Land besser bedienen zu können.
Eine weitere Multimetall-Recyclinganlage in den USA?
Ein zweites Recycling-Center weiter westlich in den USA ist eine Option. Eine weitere Option besteht in vertikaler Expansion. Das heißt, wir würden die Wertschöpfungskette am Standort Richmond erweitern und potenziell höherwertige Produkte produzieren. Die dritte Option könnte sein, dass wir vorteilhafte strategische Partnerschaften in den USA eingehen. Bei solchen Partnerschaften würde es darum gehen, jeweilige Kompetenzen einzubringen und sich Investitionen zu teilen.
Unter gewissen Bedingungen könnte auch der Bau einer Primärhütte in den USA in Betracht kommen.
Welche Option favorisieren Sie?
Es handelt sich um drei Denkrichtungen. Wir befinden uns noch in einem sehr frühen Stadium der Sondierung dieser Optionen. Konkret sind noch keine weiteren Schritte in Planung. Klar ist: Die strategische Bedeutung des US-Markts für Aurubis ist groß. Wir können uns sehr gut vorstellen, dort perspektivisch weiter zu wachsen.
Für welche Bereiche kommen strategische Partnerschaften in Betracht?
Wir sind nun in den USA mit einer Sekundärhütte präsent, mit einem Recycling-Smelter. Mögliche Partnerschaften könnten im Fall einer vertikalen Expansion entlang der Wertschöpfungskette ansetzen. Unter gewissen Bedingungen könnte auch der Bau einer Primärhütte in den USA in Betracht kommen. Eine solche Primärhütte würde eine größere Investition erfordern. Wir würden in diesem Fall Partnerschaften ausloten und auch über eine staatliche Unterstützung sprechen.
Medienberichten zufolge spricht Aurubis bereits mit der US-Regierung über eine mögliche Unterstützung für eine neue Kupferhütte.
Wir denken in alle Richtungen, befinden uns noch am Anfang von Sondierungen und priorisieren bislang keine Option. Wenn wir mit Regierungsvertretern sprechen, dann generell darüber, dass wir aus unserer Sicht bereits einen wichtigen Beitrag leisten, der die Kupferwirtschaft der USA resilienter werden lässt und dass wir uns auch mehr vorstellen können. In solchen Gesprächen geht es generell um unsere Ambitionen in den USA und noch nicht um bestimmte Vorhaben.
Wie wichtig wird das US-Geschäft im Verhältnis zu Ihrem Geschäft in Europa?
Der Umsatzanteil des US-Geschäfts liegt derzeit im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Es ist noch zu früh, konkrete Zahlen zu nennen, welche Rolle das US-Geschäft für die Aurubis in Zukunft spielen wird. Das US-Geschäft, das wir mit einer Investition von 740 Mill. Euro angeschoben haben, wird zunehmend wichtiger. Wir werden aber auch weiterhin in Europa investieren. Rund 1 Mrd. Euro unserer Investitionen in strategische Projekte von insgesamt 1,7 Mrd. Euro entfallen auf Vorhaben in Europa.
Wie viel des aktuellen Projektvolumens von 1,7 Mrd. Euro ist investiert?
Als wir im August unsere Zahlen zum dritten Quartal vorgestellt haben, haben wir von mehr als 70%, das heißt rund 1,2 Mrd. Euro, gesprochen. Jetzt sind wir drei Monate weiter. Bei der Vorstellung der Geschäftsjahresbilanz 2024/25 im Dezember werden wir ein Update geben.
Akquisitionen stehen für Aurubis derzeit nicht im Vordergrund.
Die Investitionen sollen sinken, zugleich wollen Sie wachsen. Welche Rolle spielen weitere Zukäufe für die Aurubis?
Akquisitionen stehen für Aurubis derzeit nicht im Vordergrund. Wir wollen die strategischen Investitionsprojekte abschließen und richten unseren Fokus zudem darauf, dass sich die Ergebnisbeiträge dieser Projekte wie geplant realisieren lassen. Wir stellen in Aussicht, dass diese Projekte ab dem Geschäftsjahr 2028/29 mit insgesamt etwa 260 Mill. Euro pro Jahr zum operativen Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) beitragen werden. Davon sollen allein rund 170 Mill. Euro auf Aurubis Richmond entfallen. Zukäufe schließen wir nicht aus, wenn sich interessante Konstellationen ergeben sollten. Aber aktuell stehen M&A-Transaktionen für uns nicht auf der Agenda.
Finanziellen Spielraum hätte Aurubis für Zukäufe?
Ja. Wir haben uns strategisch eine operative Eigenkapitalquote von mindestens 40% vorgenommen. Derzeit liegen wir bei über 55%. Die maximale Nettoverschuldung bezogen auf das bereinigte Ebitda soll höchstens das Dreifache ausmachen. Auch diese Vorgabe erfüllen wir aktuell solide. Wir verfügen über eine starke Bilanz und über sehr gute Voraussetzungen für Akquisitionen, auch wenn sie gerade nicht im Fokus stehen.
Wenn nicht für Zukäufe, wofür wollen Sie den Finanzspielraum nutzen?
Die Mittelzuflüsse wollen wir nutzen, um Basisinvestitionen und Instandhaltungsinvestitionen zu leisten. Darüber hinaus ist es uns wichtig, über den Cashflow die Bilanz weiterhin sehr solide halten zu können. Ferner haben wir uns mit einer geänderten Dividendenpolitik eine erhöhte Ausschüttung vorgenommen. Wir streben für das nächste Geschäftsjahr 2025/26 an, 30% des bereinigten Konzernergebnisses als Dividende zu zahlen. Und schließlich wollen wir gewappnet sein, wenn wir Möglichkeiten für organisches Wachstum oder mittelfristig Möglichkeiten für mehr M&A-Aktivitäten sehen. Wenn das Vorgenannte erreicht werden sollte, können wir uns vorstellen, überschüssige Liquidität an unsere Aktionäre zurückzugeben, etwa in Form einer Sonderdividende.

picture alliance/dpa | Marcus Brandt
Sie stellen ein bereinigtes Vorsteuerergebnis von 300 bis 400 Mill. Euro für das Geschäftsjahr 2025/26 in Aussicht, das dem ursprünglichen Ausblick für das abgelaufene Geschäftsjahr entspricht. Was bremst das Ergebnis?
Rückenwind spüren wir bei der Kupferprämie und dem Metallergebnis. Angespannter ist die Lage bei den Schmelzlöhnen. Die Nachfrage nach Kupferprodukten ist gut, aber die Verfügbarkeit auf der Konzentrat- und der Recyclingseite ist eingeschränkt. Zweitens gehen wir von einem schwächeren Dollar aus, was uns im laufenden Geschäftsjahr tendenziell belasten wird. Drittens werden sich, wenn sich die strategischen Projekte materialisieren, auch Abschreibungen erhöhen. Die Mehrbelastung durch Abschreibungen erwarten wir bei rund 50 Mill. Euro. Wenn wir alle Faktoren berücksichtigen, kommen wir zu dem prognostizierten Ergebniskorridor von 300 bis 400 Mill. Euro. Im Übrigen zielen wir – wie auch für das abgelaufene Geschäftsjahr – mit unserer Guidance auf die Mitte der Spanne. Ein wichtiges finanzielles Ziel für uns als Managementteam ist zudem, im Geschäftsjahr 2025/26 beim Free Cashflow vor Dividende wieder positiv zu sein.
Im Geschäftsjahr 2023/24 haben Einmalbelastungen durch Metalldiebstahl- und -betrugsfälle das Ergebnis gedrückt. Sind die Fälle vollständig aufgearbeitet?
Finanziell ja. Gerichtlich wurde ein Teil aufgearbeitet. Der Sachstand bei dem sogenannten Rohsilberfegselfall ist, dass die Täter zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt wurden. Was die Manipulation von internen Proben im Recyclingbereich und anderen Metallmengen angeht, sind die internen Untersuchungen abgeschlossen. Die Untersuchungsergebnisse wurden an das Landeskriminalamt übergeben. Mit einem kurzfristigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens wird nicht gerechnet.
Könnten sich solche Vorfälle bei Aurubis wiederholen?
Wir haben aus den Diebstahl- und Betrugsfällen gelernt und viele Maßnahmen umgesetzt. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wir setzen Drohnen mit Infrarotkameras zum Perimeterschutz in Hamburg ein. Wir haben die Anzahl der Kameras am Standort Hamburg mehr als verdoppelt. Wir setzen auch auf die Sensibilisierung unserer Beschäftigten. Wir haben in die Infrastruktur, zum Beispiel in die neue Edelhütte, investiert und werden weitere Investitionen vornehmen, um das Sicherheitsniveau deutlich anheben. Viele Maßnahmen sind konzernweit ausgerollt. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Aber wir bereiten uns darauf vor, immer einen Schritt voraus zu sein.
Mit dem Umzug verbunden ist auch das Ziel, als Arbeitgeber attraktiver zu werden, ohne die Nähe zum industriellen Standort aufzugeben.
Sie planen, in Hamburg umzuziehen und Ihren Verwaltungssitz in die HafenCity zu verlagern. Warum?
Die weitere Nutzung des aktuellen Gebäudes ist ökonomisch nicht mehr sinnvoll. Der Umzug schafft perspektivisch Raum für eine Erweiterung der Produktionskapazitäten am Standort Hamburg. Wir haben uns bewusst für die kosteneffiziente Anmietung einer Bestandsimmobilie entschieden. Mit dem Umzug verbunden ist auch das Ziel, als Arbeitgeber attraktiver zu werden, ohne die Nähe zum industriellen Standort aufzugeben.
Wann wollen Sie umzuziehen? Und mit welcher Perspektive?
Der Wechsel ist in der ersten Hälfte des kommenden Jahres geplant, das heißt, für die Zeit zwischen April und Juni 2026. Der Mietvertrag ist so ausgestaltet, dass wir dort für die nächsten Dekaden bleiben können.
Das Interview führte Carsten Steevens.
