Kartellverfahren

Autobauer reagieren auf EU-Strafe unterschiedlich

Auf die Strafe wegen wettbewerbswidrigen Absprachen reagieren die deutschen Autobauer unterschiedlich: BMW will das Bußgeld akzeptieren, VW erwägt hingegen rechtliche Schritte.

Autobauer reagieren auf EU-Strafe unterschiedlich

sck München

In dem Kartellverfahren wegen des Verdachts auf wettbewerbswidrige Absprachen über technische Details hat die EU-Kommission gegen deutsche Autohersteller ein Bußgeld von insgesamt 875 Mill. Euro verhängt. Im Detail kommen Gespräche auf Fachebene über die Größe von Tanks für den Kraftstoffzusatz namens Adblue den Dax-Unternehmen BMW und Volkswagen teuer zu stehen. Während der Münchner Konzern die Strafe von 373 Mill. Euro akzeptiert, erwägt der Wolfsburger Mehrmarkenkonzern, rechtliche Schritte gegen die Strafe von 502 Mill. Euro einzuleiten.

Die Brüsseler Wettbewerbshüter betraten mit ihrer Entscheidung nach eigenen Angaben juristisches Neuland. Denn die EU-Kommission erließ erstmals Bußgelder für rein technische Absprachen. Es ging nicht um Preise oder die Aufteilung von Märkten, wie sonst üblich. „Trotzdem hat die EU-Kommission bei der Berechnung des Bußgelds die Maßstäbe eines solchen klassischen Kartells angelegt und die Neuartigkeit des Falles lediglich durch einen Abschlag berücksichtigt“, meldete BMW. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager warf BMW, VW und Daimler vor, sie hätten mit den Gesprächen „einen Wettbewerb darüber vermieden, das volle Potenzial dieser Technologie zur Abgasreinigung von Schadstoffen zu nutzen“. Die Autobauer hätten die Software zur Steuerung des Adblue-Verbrauchs gemeinsam entwickelt und Partikelfilter verhindert. Dieser Vorwurf sorgte für Aufsehen angesichts des Diesel-Manipulationsskandals bei VW. Daimler befreite sich von einer drohenden Strafe im Rahmen einer Kronzeugenregelung. Der Stuttgarter Hersteller meldete die Absprachen bei der EU an. Daimler ersparte sich damit ein Bußgeld von 727 Mill. Euro. VW halbierte die Strafe als zweiter Kronzeuge um mehr als die Hälfte auf den nun fälligen Betrag. Nach Angaben der Unternehmen wurden die Vereinbarungen nie umgesetzt. BMW legt Wert auf die Feststellung, bei der Abgas-Nachbehandlung einen eigenen Weg gegangen zu sein.

Wolfsburg ohne Rückstellung

Das Verfahren hatte im Frühjahr 2019 für Schlagzeilen gesorgt. Seinerzeit bildete BMW wegen der Vorwürfe Rückstellungen von 1,4 Mrd. Euro. Als sich abzeichnete, dass das Urteil viel milder ausfällt, löste der weiß-blaue Hersteller im Mai mit 1 Mrd. Euro den überwiegenden Teil der Rückstellung auf (vgl. BZ vom 21. Mai). Die verbliebenen 400 Mill. Euro entsprechen weitgehend der erwarteten Strafe. Im Gegensatz zu BMW hatte VW für das Verfahren zuvor keine Rückstellungen gebildet.

Ingenieure der drei Autobauer hatten sich über mehr als fünf Jahre immer wieder getroffen, um sich über die Entwicklung von Technologien auszutauschen, mit denen Diesel-Abgase über einen Harnstoffzusatz (Adblue) gereinigt werden sollten. Dabei ging es um den erwarteten Verbrauch des Zusatzes und die Größe des Tanks, die darüber entschied, ob die Fahrer den Stoff selbst nachfüllen müssen oder ob das bei der Inspektion in der Werkstatt geschehen könnte. Laut EU waren sie sich dabei einig, die politischen Vorgaben für die Stickstoff-Emissionen nicht übererfüllen zu wollen. „Damit schränkten sie den Wettbewerb um für Kunden relevante Produktmerkmale ein“, erklärte Brüssel.

BMW verweigerte von Anfang an ein Schuldeingeständnis. Der Vorstand pochte darauf, dass die EU-Kommission die Anschuldigungen gegen das Unternehmen weitgehend fallenlässt. Das betraf die Adblue-Dosierung und den Partikelfilter für Motoren. Die Konzernspitze stimmte daraufhin dem Vergleich zu.

BMW räumte ein, „dass im Rahmen der in Rede stehenden Gespräche ein zu hohes Maß an Transparenz hergestellt wurde – bezüglich der notwendigen Größe von Adblue-Tanks, der damit erzielbaren Reichweiten und des angenommenen durchschnittlichen Adblue-Verbrauchs“. Der VW-Vorstand prüft indes, gegen die Höhe der Geldbuße vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg zu klagen. Eine Entscheidung muss bis Mitte September fallen. „Statt eines Bußgeldes wäre für die Automobilindustrie der Erlass klarer Richtlinien zielführender gewesen, wie Kooperationen im Rahmen der Forschung und Entwicklung (…) kartellrechtskonform ausgestaltet werden können“, erklärte VW.