Bahn fürchtet Baustelle auf Nebengleis

Konzernchef kritisiert Diskussion über Gesellschaftsform - Absage an Ausgliederung der DB Netz AG

Bahn fürchtet Baustelle auf Nebengleis

Bahnchef Richard Lutz hat die Politik davor gewarnt, mit der Diskussion über die Gesellschaftsform des Staatskonzerns eine neue Baustelle aufzumachen. Der Vorstand sei gegenüber guten Argumenten immer aufgeschlossen, sagte Lutz. Seine Zeit und Energie will er aber für dringendere Bauvorhaben einsetzen. Von Stefan Paravicini, BerlinMängel in der Infrastruktur, Verluste im Güterverkehr, Rückstand bei der Digitalisierung der Schiene und Probleme bei der Tochter Arriva, die mit einem Börsengang in diesem Frühjahr frisches Geld in die Kasse spielen soll – das sind nur einige der vielen Baustellen der Deutschen Bahn. Dem Bund als Eigentümer scheint das aber noch nicht genug zu sein. Konzernchef Richard Lutz droht nach Forderungen aus der Politik, gut 25 Jahre nach der Bahnreform die Gesellschaftsform des Staatskonzerns zu überdenken, eine weitere Baustelle auf einem Nebengleis. Was die Führung der Bahn von der Debatte hält, machte Lutz bei einem Treffen des Vorstandes mit Medienvertretern in Berlin ziemlich unmissverständlich klar.Der Vorstand werde sich einem Dialog über das Pro und Contra verschiedener Rechtsformen nicht verweigern, erklärte Lutz. Gegenüber guten Argumenten für eine starke Schiene sei man immer aufgeschlossen. “Gleichzeitig sage ich aber auch: Lassen Sie uns bloß nicht unsere Zeit und Energie auf Nebenschauplätzen vergeuden.” Die Bahn müsse die Kapazitäten ihrer Infrastruktur erhöhen, die Flotte ausbauen, mehr Personal einstellen sowie Digitalisierung und Vernetzung vorantreiben, sagte Lutz. “Das alles sind dicke Bretter”, betonte der Bahnchef. Angesichts solcher Kraftanstrengungen müsse man sich gut überlegen, ob man gesellschaftsrechtliche Strukturen darüber hinaus auch noch anpacken wolle. “Das bringt immer zusätzliche Ablenkung.” Ablenkung Aktiengesellschaft Verantwortlich für die Ablenkung ist unter anderem Ulrich Lange (CSU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. “Es ist Zeit für eine neue Bahnreform”, sagte Lange kurz nach dem Jahreswechsel in einem Interview und sprach sich für die GmbH als Rechtsform der Bahn aus. Was Lutz davon hält, machte er schon wenige Tage später im Rahmen der feierlichen Unterzeichnung der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn deutlich, die dem Konzern bis 2030 rund 86 Mrd. Euro für Investitionen in den Erhalt der Schieneninfrastruktur zusichert. Es werde der Eindruck erweckt, dass der Bund als Eigentümer der Bahn AG gegenüber den Entscheidungen des Vorstandes ohnmächtig wäre, monierte der Bahnchef. “Dem Punkt würde ich jedenfalls entschieden widersprechen”, sagte Lutz (vgl. BZ vom 15. Januar).Lange ist nicht der Erste, der die Gesellschaftsform der Bahn zur Diskussion stellt. Der Bundesrechnungshof forderte den Eigentümer in seinem “Bericht zur strukturellen Weiterentwicklung und Ausrichtung der Deutschen Bahn AG am Bundesinteresse” bereits vor gut einem Jahr auf, für einen angemessenen gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf den Staatskonzern zu sorgen. Lutz will die Kräfte dagegen für die Mammutaufgaben bündeln, die auch unabhängig von der Änderung der Gesellschaftsform auf die Bahn zukommen, und sprach sich am Dienstag außerdem gegen eine Ausgliederung der DB Netz AG aus dem Konzern aus.”Mit Demut und Disziplin gehen wir an die vor uns liegenden Aufgaben”, erklärte der Bahnchef und warb um Geduld. “Klar ist auch: Zaubern kann niemand”, mahnte Lutz. Der Eigentümer könnte dennoch versucht sein, Versäumnisse in der Verkehrspolitik mit einer Änderung der Rechtsform wegzaubern zu wollen.