Baidu tastet sich an Internetfinanzdienste heran

Chinesischer Suchmaschinenbetreiber steigt bei US-Firma für Kreditratings ein - Rückstand zu Alibaba und Tencent

Baidu tastet sich an Internetfinanzdienste heran

nh Schanghai – Der zuletzt wegen seiner Praktiken im Anzeigengeschäft bei Suchdiensten in Schwierigkeiten geratene chinesische Internetkonzern Baidu trachtet nach neuen Möglichkeiten, um sich stärker bei Internetfinanzdiensten im Reich der Mitte zu engagieren. Wie nun bekannt wurde, ist Baidu mit einem Investment über einen nicht genannten Betrag bei dem in Los Angeles beheimateten Internetfinanzdienstleister ZestFinance eingestiegen. Credit Scoring ist TrumpfDie US-Gesellschaft ist vor allem darauf spezialisiert, mit intelligenten Maschinenlernprogrammen große und komplexe Datenmengen zu verarbeiten, um daraus ein sogenanntes Credit Scoring und Bonitätsbewertungen für private Konsumenten zu entwickeln. Wie aus einer gemeinsamen Mitteilung hervorgeht, soll es nach dem Einsteig von Baidu zu einer breiten Kooperation beider Gesellschaften kommen.Im Rahmen der neuen Zusammenarbeit soll die Technologie von ZestFinance für Datenströme auf Baidus Plattformen für Such- und Lokalisierungsdienste sowie Zahlungsverkehrsapplikationen angewandt werden. Dies soll es dem chinesischen Internetriesen ermöglichen, unter anderem eigene Kreditscoring-Modelle zu entwickeln. Experten betonen, dass Baidu nach dem Aufbau eines Systems trachtet, das für ein umfassendes Bonitätseinschätzungssystem von Baidu-Nutzern und darauf aufbauenden Finanzdiensten verwendet werden kann. NachholbedarfDas Unterfangen dürfte im Zeichen der Bemühungen Baidus stehen, den Rückstand gegenüber den Internetrivalen Alibaba Group Holding und Tencent Holdings bei Online-Finanzdiensten zu verkleinern. Diese haben in den vergangenen Jahren ihr Kerngeschäft rund um E-Commerce (Alibaba) beziehungsweise soziale Medienplattformen und Online-Spiele (Tencent) vor allem auch um größere Finanzdienstleistungseinheiten erweitert.Sowohl Alibaba als auch Tencent betreiben höchst erfolgreiche Plattformen für mobiles Bezahlen via Smartphone-Applikationen. Auch waren beide Gesellschaften von den beiden Konkurrenten bei einer ersten Runde von neu zugelassenen privaten chinesischen Retailbanken mit von der Partie. Damit sind auch Lizenzen verbunden, die es Alibaba und Tencent erlauben, Konsumkreditaktivitäten und Informationsdienste rund um Kreditscoring und Bonitätseinschätzungen zu betreiben, die wiederum Kooperationsformen mit herkömmlichen chinesischen Geschäftsbanken ermöglichen. Baidu hofft, über die Kooperation mit ZestFinance einen entsprechenden Rückstand zumindest teilweise wettzumachen beziehungsweise sich als Partner für andere Finanzdienstleister interessanter zu machen, betonen Analysten. Monetisierung gefragtFür den mit Abstand führenden Suchmaschinenbetreiber im Reich der Mitte geht es grundsätzlicher darum, neuen Elan für die sogenannte Monetisierung seiner Suchdienste zu generieren.Baidu war im Frühjahr in Schwierigkeiten, nachdem die Behörden einen in China für großes Aufsehen sorgenden Skandalfall rund um die Bewerbung und Vermittlung von Gesundheitsdiensten via Anzeigen auf Baidus Suchmaschinen nachgegangen waren und neue Beschränkungen erlassen hatten. Schmerzhafte BeschränkungZur Jahresmitte ließ der chinesische Internetregulator neue Richtlinien für den Umgang mit der Bewerbung von Suchdiensten in Kraft treten, die über stärkere Kontrollen von Anzeigen im Gesundheitssektor weit hinausgehen. Baidu darf beispielsweise in Zukunft nur noch ein Drittel einer jeweiligen Internetseite für Suchergebnisse mit bezahlten Einträgen bzw. auf Anzeigen hinauslaufenden Suchinhalten bestücken. Die neuen Regelungen werden nach Ansicht von Branchenexperten die laufende Monetisierung des herkömmlichen Suchmaschinengeschäfts von Baidu um einiges erschweren.Zum Wochenbeginn wurde außerdem bekannt, dass sich Baidu mit einem neuen Problemfall im Werbegeschäft herumschlagen muss. Wie Baidu nun konzedierte, laufen polizeiliche Untersuchungen über unlautere Vermarktungsformen für Internetseiten von Anbietern im Wettgeschäft, das in China strengen Kontrollen unterliegt. Dem Vernehmen nach sollen zahlreiche Anbieter Lizenzen, die benötigt werden, um sich für eine entsprechende Vermarktung via Baidu anzumelden, gefälscht und missbraucht haben. In diesem Zusammenhang dürfte Baidu erneut die Verletzung von Sorgfaltspflichten zum Vorwurf gemacht werden. Damit sind weitere Beeinträchtigungen in einem Ausschnitt des Anzeigengeschäfts von Baidu zu erwarten. Gewinnrückgang erwartetBaidu hatte im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres die Einnahmen überraschend kräftig um 24 % auf 15,8 Mrd. Yuan (knapp 2,2 Mrd. Euro) gesteigert, der Gewinn nach Steuern war allerdings um 19 % auf 2 Mrd. Yuan zurückgefallen. Analysten erwarten, dass Baidu für das zweite Quartal einen gebremsten Umsatzanstieg und weiter rückläufige Gewinne verzeichnen wird.