Üppiger Vorratsbeschluss

Bayer auf Aktionärsunterstützung angewiesen

Die Chancen, dass die Aktionäre von Bayer den üppigen Kapitalrahmen genehmigen, stehen nicht schlecht. Zumindest die internationalen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis heben den Daumen. Andere Themen sind dagegen strittig.

Bayer auf Aktionärsunterstützung angewiesen

Bayer braucht Unterstützung der Aktionäre

Stimmrechtsberater für üppigen Kapitalrahmen – Vergütungsbericht im Fokus – Kein Say on Climate

Von Annette Becker, Köln

Die Chancen, dass die Aktionäre von Bayer dem Management den gewünschten Kapitalrahmen in der Hauptversammlung zubilligen, stehen nicht schlecht. Zumindest die internationalen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis heben den Daumen. Anders sieht es bei der Billigung des Vergütungsberichts aus.

Nach vielen Jahren der Abstinenz will sich Bayer in der diesjährigen Hauptversammlung ein genehmigtes Kapital schaffen. Dabei hat es der Umfang in sich, es geht um bis zu 35% des Grundkapitals. Doch wer gedacht hätte, dass die Aktionäre dagegen Sturm laufen, sieht sich getäuscht. Natürlich bleibt abzuwarten, wie die Anteilseigner in der Hauptversammlung am 25. April votieren. Doch zumindest die einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfehlen, dem Vorschlag zuzustimmen. Auch die Vertreter deutscher Fondsgesellschaften wollen den Kapitalrahmen, wenn auch unter Grollen, genehmigen.

Außergewöhnlich ist in diesem Fall, dass Bayer etwaige Kapitalmaßnahmen – auf dem aktuellen Kursniveau könnte das Unternehmen gut 8 Mrd. Euro frisches Eigenkapital einsammeln – ausschließlich zweckgebunden vornehmen würde. Es geht darum, „die Bilanz während der Beilegung der Rechtsstreitigkeiten widerstandsfähig zu halten“, wie Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann in einem Aktionärsbrief erläutert hatte. Ausdrücklich ausgeschlossen werden Kapitalmaßnahmen zur Finanzierung von Akquisitionen. Aus Sicht der Proxy Advisors ist entscheidend, dass den bestehenden Aktionären in jedem Fall Bezugsrechte eingeräumt werden. Damit werde das Verwässerungspotenzial minimiert, lobt ISS.

Aktionäre zahlen die Zeche

Hendrik Schmidt von der DWS hebt laut Redemanuskript hervor, mit der Genehmigung die Hoffnung zu verbinden, „dass sich das Kapitel Monsanto für Bayer (damit) tatsächlich erledigen“ lässt. Zugleich fordert er, dass eine etwaige Kapitalerhöhung nur dann durchgeführt wird, „wenn sich Bayer vollumfänglich von bestehenden und künftigen Ansprüchen lösen“ könne. Janne Werning von Union Investment und Ingo Speich von der Deka fühlen sich vor den Kopf gestoßen, da Bayer-Chef Bill Anderson noch im vorigen Sommer in einem Interview eine Kapitalerhöhung kategorisch ausgeschlossen habe. „Wir Investoren sollen jetzt die Zeche zahlen“, moniert Speich laut vorab veröffentlichtem Redebeitrag. Er fügt aber zugleich an, dass den Aktionären „gar nichts anderes übrigbleibe, als dem Kapitalvorratsbeschluss zuzustimmen“. Alles andere wäre „unverantwortlich“.

Qualifizierte Mehrheit

Auch Glass Lewis ist alles andere als euphorisch. Einige Aktionäre könnten zögern, dem Management einen solch umfangreichen Handlungsspielraum zuzugestehen. Zumal es keine Garantie gebe, dass die in den USA anhängigen Klagen mit dem frischen Kapital ein für allemal aus dem Weg geräumt seien, heißt es im Proxy Paper. Letztlich empfiehlt jedoch auch Glass Lewis den Vorschlag der Verwaltung zu unterstützen. Der Ausgang der Abstimmung bleibt allerdings insofern spannend, als eine Drei-Viertel-Mehrheit zustimmen muss.

Vernachlässigbar dürften dagegen die beiden Gegenanträge zu diesem Tagesordnungspunkt sein. Neben ISS und Glass Lewis sprechen sich auch die Vertreter der Fondsgesellschaften für die Entlastung der Gremien aus. Letztere verbinden damit explizit die Erwartung, dass Anderson in seinem dritten Amtsjahr endlich Wert für die Aktionäre schafft. „Wenn Sie weiterhin auf der Stelle treten, werden wir bei der nächsten Hauptversammlung grundsätzlichere Fragen stellen müssen“, warnt Speich.

Nachfolgersuche einleiten

In die gleiche Stoßrichtung zielt Schmidt mit der Aufforderung, dass sich der Aufsichtsrat jetzt um die Nachfolge bzw. Verlängerung der auslaufenden Vorstandsverträge kümmern müsse. Andersons Vertrag endet im März 2026, Finanzchef Wolfgang Nickel scheidet im Mai 2026 auf eigenen Wunsch aus. Die Vertragsverlängerung für Anderson dürfte der Aufsichtsrat davon abhängig machen, ob dem CEO signifikante Fortschritte bei der Beseitigung der Rechtsrisiken gelingen.

Uneins sind die Stimmrechtsberater mit Blick auf den Vergütungsbericht, der in den vergangenen drei Hauptversammlungen Stein des Anstoßes war. 2022, als die Hauptversammlung den Bericht erstmals billigen sollten, hatten gerade 24% der Aktionäre positiv votiert. Zwar heben beide Proxy Advisor hervor, dass Bayer hinsichtlich Vergütungspraxis und Transparenz mittlerweile bewährte Methoden anwende und Gepflogenheiten teilweise sogar übertreffe. ISS stößt sich allerdings an der hohen Pensionszahlung von 40% des Fixums, die alle nach 2020 neu bestellten Vorstände erhalten. Ein Grund, gegen die Billigung des Berichts zu stimmen, ist das für ISS gleichwohl nicht.

Anders Glass Lewis: Der Stimmrechtsberater argumentiert explizit gegen die Billigung des Vergütungsberichts. Nach der Einschätzung hätte der Vergütungsausschuss mehr Fingerspitzengefühl zeigen sollen angesichts der Verfehlung der Finanzziele, des weiteren Kursverfalls, der auf das gesetzliche Minimum reduzierten Dividende, der unverändert hohen Rechtsrisiken und des laufenden Stellenabbaus. Wenngleich die Gesamtvergütung des Vorstands mit 15,8 Mill. Euro angesichts der Größe und Komplexität des Unternehmens vernünftig erscheine, sei die Vergütung von Vorstandschef Bill Anderson „signifikant“. Anderson hat nach den Angaben 4,8 Mill. Euro erhalten, davon entfielen 2,25 Mill. Euro auf das Festgehalt. Nach Einschätzung von Glass Lewis ist das im Peer-Vergleich ein hoher Wert.

Breite Ablehnung gegen virtuelle HV

Unterschiedliche Voten geben ISS und Glass Lewis auch mit Blick auf die erbetene Zustimmung zur virtuellen Hauptversammlung ab. Bayer lässt den Beschluss alle zwei Jahre neu fassen. ISS spricht sich gegen den Vorschlag aus und argumentiert, dass es sich um eine Blankogenehmigung handele. Wenngleich Bayer hybride Formate oder eine Präsenzveranstaltung nicht per se ausschließe, gebe es keine Zusage, dass dem Aktionär künftig die Option auf die Teilnahme in Präsenz eingeräumt werde.

Union Investment und Deka schließen sich der Ansicht von ISS an. „Einen Blankoscheck für die „virtual-only“-Option erteilen wir nicht“, stellt Werning fest. Bayer ziehe sich „in den Elfenbeinturm zurück – gerade wenn es schwierig wird“, beklagt Speich und ergänzt: „Wenn Sie ihre Aktionäre im Fokus hätten, würden Sie eine Präsenzhauptversammlung durchführen.“

Trump im Nacken?

Anders als von einigen Aktionären erhofft, wird die diesjährige Hauptversammlung von Bayer nicht über die eingeschlagene Klimastrategie befinden (Say on Climate). Nachdem die Leverkusener im Juni 2024 ihren Klima-Transformationsplan vorgestellt hatten, waren sie damit anschließend bei ihren Investoren vorstellig geworden. Dabei wurde auch über ein Say on Climate diskutiert. Wie Bayer auf Anfrage mitteilt, „äußerten Investoren einige Bedenken im Hinblick auf Zeitpunkt und Notwendigkeit“. Daher habe sich Bayer in diesem Jahr gegen eine entsprechende Abstimmung entschieden. Inwieweit dabei die ESG-feindliche Haltung der Trump-Administration eine Rolle spielte, lässt sich nur spekulieren. Größter Einzelaktionär ist nach Angaben von Glass Lewis Blackrock mit 6,87%.

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