IM BLICKFELD

Bei Sportartikelfirmen häufen sich die Chefwechsel

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 20.11.2019 Bjørn Gulden hat einen trockenen Humor. Den bewies der norwegische Vorstandschef von Puma erst vor kurzem wieder, als er die Telefonkonferenz zu den Zahlen für das dritte Quartal eröffnete: "Es...

Bei Sportartikelfirmen häufen sich die Chefwechsel

Von Joachim Herr, MünchenBjørn Gulden hat einen trockenen Humor. Den bewies der norwegische Vorstandschef von Puma erst vor kurzem wieder, als er die Telefonkonferenz zu den Zahlen für das dritte Quartal eröffnete: “Es mag euch angesichts all der Veränderungen in unserer Branche überraschen, aber ich bin noch hier.” Und er habe auch vor zu bleiben, fügte Gulden hinzu.Für seine Bemerkung mit Augenzwinkern gab es gute Gründe: Erst kündigte am 22. Oktober Kevin Plank, der Gründer von Under Armour, seinen Rückzug von der Spitze des Konzerns zum Jahreswechsel an. Wenige Stunden später folgte Mark Parker, der im Januar den Chefposten von Nike räumt. Auch Adidas meldete einen Wechsel: Marketingvorstand Eric Liedtke geht nach 25 Jahren. Ihn ziehe es mit Familie zurück in seine Heimat USA, heißt es. Die näheren Gründe für die Personalien nennen die Unternehmen nicht. Über die Motive lässt sich also trefflich spekulieren.Das größte Aufsehen erregt der Rückzug des 64 Jahre alten Parker, der seit fast 14 Jahren Vorstandschef des umsatzstärksten Sportartikelanbieters der Welt ist. Denn Nike steckt mitten und außergewöhnlich tief in einem Dopingskandal und verteidigt nach wie vor den mutmaßlichen Drahtzieher Alberto Salazar.Salazar war Cheftrainer und Kopf des von dem Unternehmen gesponserten “Nike Oregon Project”, einem Eliteteam von Läufern. Nach Erkenntnissen der Usada, der Antidopingagentur der USA, testete Salazar mit der Hilfe eines Arztes von 2010 bis 2014 Testosteron- und Schilddrüsenpräparate und ermöglichte den Athleten Doping. Mit Parker gab es darüber offenbar einen engen Austausch von E-Mails. Ein Schiedsgericht hat Salazar vor kurzem für vier Jahre gesperrt.Nike unterstützt weiterhin den Trainer, der das Urteil anfechten will. Dennoch stoppte der Konzern nach 16 Jahren das auch technisch bestens ausgestattete Trainingscamp und teilte dies am 11. Oktober mit. Die offizielle Begründung: Die unbegründeten Behauptungen lenkten viele Athleten ab und hinderten sie daran, sich auf das Training und die Wettkämpfe zu konzentrieren.Den Aktienkurs von Nike belasteten die Dopingvorwürfe allerdings nicht. Er stieg in der ersten Oktoberhälfte sogar leicht. Der Rückzug Parkers von der Spitze brachte einen Tagesverlust von gut 3 %, der mittlerweile fast ausgeglichen ist. Parker geht ja auch nicht ganz, sondern bleibt Vorsitzender des Verwaltungsrats und will mit seinem Nachfolger John Donahoe (59) eng zusammenarbeiten. Donahoe kommt vom Software-Konzern Servicenow.Die Dopingvorwürfe sind nicht die einzigen Schlagzeilen, für die Nike und Parker in den vergangenen Monaten und Jahren gesorgt haben. Mitarbeiterinnen beschwerten sich über sexuelle Belästigung und Gehaltsnachteile. Zudem enthielten Sponsorverträge mit Athletinnen Strafen im Fall einer Schwangerschaft. “Eine Art Heiligenschein”Aktienanalysten beschäftigen diese Themen allenfalls am Rande. Mit messbaren Einbußen im Geschäft muss Nike auch nicht rechnen. Das zeigen Erfahrungen bisheriger Skandale – und das wird ebenso dieses Mal in der Branche erwartet. Negative Schlagzeilen seien auch wegen der sozialen Medien an der Tagesordnung, meint Gerd Nufer, Leiter des Deutschen Instituts für Sportmarketing in Reutlingen: “Konsumenten nehmen diese Infos offensichtlich eher gleichgültig auf und vor allem insgesamt weniger ernst.” Gelte eine Marke als cool, schadeten Skandale weniger als früher. “Das positive Image der Marke Nike in den Köpfen der Konsumenten überstrahlt offensichtlich die Bad News wie eine Art Heiligenschein”, sagt der Professor für Betriebswirtschaft.Ähnliches wie das Oregon Project gibt es von den Nike-Konkurrenten nicht. Dopingfälle können und haben freilich auch andere getroffen. Die Frage ist, wie die Unternehmen mit ihren gesponserten Sportlern umgehen. In der Regel ist Doping Anlass, die Geschäftsbeziehung zu beenden. “Wir haben bewiesen, dass wir solche Klauseln nicht nur in den Verträgen haben, sondern sie auch konsequent anwenden”, sagt ein Sprecher von Adidas. Er erinnert an den Radrennfahrer Jan Ullrich mit seinem Team Telekom und an die Leichtathletik-Sprinter Tyson Gay und Dwain Chambers. Nike stand dagegen länger hinter Lance Armstrong, der siebenmal die Tour de France gewonnen hatte, ehe ihm alle Siege wegen Dopings aberkannt wurden.Mit einer ganz anderen Art von Skandal schlägt sich Under Armour herum. Die Börsenaufsicht in den USA prüft, ob das Unternehmen Umsätze zwischen Quartalen verschoben hat, um einen stabileren wirtschaftlichen Erfolg vorzutäuschen. Das dürfte aber nicht der entscheidende Grund dafür sein, dass Unternehmensgründer Kevin Plank (47) nach 24 Jahren den CEO-Posten seinem älteren Vorstandskollegen Patrik Frisk (56) überlässt.Vielmehr hat sich Under Armour mit aggressivem Wachstum übernommen und rutschte danach in die Verlustzone. Seit vergangenem Jahr ordnet sich das Unternehmen neu – mit bisher mäßigem Erfolg. Das spiegelt sich im Aktienkurs wider, der deutlich hinter den drei größeren Konkurrenten zurückbleibt. Daran ändert auch der Dopingskandal von Nike nichts.