Berlusconi beherrscht ProSiebenSat.1
Berlusconi beherrscht ProSiebenSat.1
Media for Europe erreicht Dreiviertelmehrheit – ProSieben-CEO Habets hofft auf „tiefergehende Zusammenarbeit“
jh München
Media for Europe gelingt die Übernahme von ProSiebenSat.1. Das italienische Unternehmen hat sich etwas mehr als drei Viertel der Aktien gesichert. Bert Habets, der Vorstandschef von ProSiebenSat.1, erhofft sich eine Abstimmung „der Visionen für die Zukunft“. Darüber entscheiden wird der Konzern der Familie Berlusconi.
Der von der Familie Berlusconi kontrollierte Konzern Media for Europe (MFE) kann bei ProSiebenSat.1 durchregieren. Nach der verlängerten Annahmefrist für das Übernahmeangebot am 1. September kommt das italienische Unternehmen auf einen Anteil von 75,61% am Grundkapital, wie MFE am Donnerstag in einer Pflichtmitteilung bekannt gab.
Bezogen auf die Stimmrechte sind es 75,67%. Der Grund für die Differenz sind eigene Aktien von ProSiebenSat.1, die nicht stimmberechtigt sind.
„Vielversprechendste Möglichkeiten“
Mit diesem Ergebnis sichert sich MFE auf jeden Fall eine Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung. Der Weg wäre frei, um einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit ProSiebenSat.1 abzuschließen. Der Aktienkurs des deutschen Medienunternehmens machte am Donnerstag einen Sprung um 7% auf 8,15 Euro am Nachmittag, der von MFE an der Börse in Mailand um 6,1% auf 3,43 Euro. Für eine Aktie von ProSiebenSat.1 haben die Italiener 4,48 Euro in bar und 1,3 eigene A-Aktien geboten. Das ergab auf Basis des Tageskurses 8,94 Euro.
In einer Stellungnahme von ProSiebenSat.1 spricht der Vorstandsvorsitzende Bert Habets über seine Erwartungen für die nähere Zukunft: „In den kommenden Wochen werden wir gemeinsam die vielversprechendsten Möglichkeiten für eine tiefergehende Zusammenarbeit identifizieren und unsere Visionen für die Zukunft aufeinander abstimmen.“ Das Drehbuch gibt nun freilich MFE vor.
Vorrang für nationales Programm
In einem Gespräch mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer am Dienstag in Berlin hatte MFE-Vorstandschef Pier Silvio Berlusconi seine Pläne für ProSiebenSat.1 als Teil einer paneuropäischen Medienplattform angedeutet: „Wir möchten ein lokaleres Angebot produzieren und anbieten, das noch stärker auf das deutsche Publikum zugeschnitten ist: mit mehr Nachrichten, mehr Unterhaltungssendungen und mehr Fernsehserien.“ In Italien und Spanien werde dies schon getan. ProSiebenSat.1 und auch RTL verstärken nationale Formate seit einigen Jahren.
Wegen der Flaute im sehr profitablen Fernsehwerbegeschäft sinken Umsätze und Ergebnisse der privaten TV-Konzerne. MFE dürfte deshalb vorerst auf Kontinuität im Management von ProSiebenSat.1 setzen, wie es in der Branche heißt. Änderungen im Vorstand von ProSiebenSat.1 dürften auch von der wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns abhängen.
Aufsichtsrat wird sich verändern
MFE besetzt vier der neun Sitze im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1. Anzunehmen ist, dass sich die zwei Vertreter der tschechischen Beteiligungsgesellschaft PPF zurückziehen. Geschieht das nicht freiwillig, wird MFE vermutlich eine Abwahl durchsetzen. PPF entschied sich Ende August, MFE ihren Anteil von 15,7% an ProSiebenSat.1 anzudienen.
Verantwortlich für die Medienaufsicht über ProSiebenSat.1 ist die Bayerische Landeszentrale für neue Medien. Deren Präsident Thorsten Schmiege sagte der Nachrichtenagentur Reuters, rein rechtlich sei eine vorherrschende Meinungsmacht von MFE nicht zu befürchten. Sollte Berlusconi wie dessen Vater in die Politik gehen, wäre die Lage neu zu bewerten. Der Chef von MFE schließt ein Engagement als Politiker nicht aus, wie er in diesem Sommer sagte.