WERTBERICHTIGT

Blauäugig am Bosporus

Börsen-Zeitung, 16.10.2019 Allen aktuellen geopolitischen Risiken zum Trotz scheinen Unternehmen diese bei Standortentscheidungen nachrangig zu behandeln. Aktuell hat Volkswagen Investitionspläne für ein Werk in der Türkei verschoben, weil sich...

Blauäugig am Bosporus

Allen aktuellen geopolitischen Risiken zum Trotz scheinen Unternehmen diese bei Standortentscheidungen nachrangig zu behandeln. Aktuell hat Volkswagen Investitionspläne für ein Werk in der Türkei verschoben, weil sich herausstellte, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vielleicht doch kein verlässlicher Partner ist. Dass dieser zu einem Angriff auf die kurdische YPG-Miliz bereit sein würde, sobald US-Präsident Donald Trump den amerikanischen Truppen in Nordsyrien den Befehl zum Abzug gibt, war für die Wolfsburger schließlich kaum zu erwarten? Wie groß der Rückhalt am Bosporus für den Angriff ausfällt, lässt die türkische Fußballnationalmannschaft erahnen. Für Solidaritätsbekundungen mit dem Militär setzen Spieler sogar ihre berufliche Karriere aufs Spiel. Nun folgen erste Sanktionen der USA. Trump und der US-Kongress könnten in einen Wettlauf um den schärfsten Kurs verfallen. VW hat die Investitionsentscheidung nur auf Eis gelegt und hofft, diese später wieder aufwärmen zu können. Das lässt befürchten, das Unternehmen könnte am schönen Bosporus noch immer zu blauäugig unterwegs sein. scd