Bondemissionen von Big Tech alarmieren Aktieninvestoren
Bondemissionen von Big Tech alarmieren Aktieninvestoren
Anleiheemissionen von Big Tech für KI-Projekte beunruhigen Investoren
Gewaltiger Finanzierungsbedarf droht Marktteilnehmer zu überfordern – Furcht vor Einschränkungen bei erhofften Aktienrückkäufen
xaw New York
Der Kapitalmarkt muss eine Flutwelle historischen Ausmaßes absorbieren: Seit Anfang September haben Amazon, Alphabet, Meta Platforms und Oracle Anleihen im Volumen von nahezu 90 Mrd. Dollar an den Markt geschmissen – dieser Wert übertrifft das kombinierte Niveau der vorangegangenen dreieinhalb Jahre. Denn der Boom bei künstlicher Intelligenz sorgt für einen Finanzierungsbedarf, den selbst mehrere Riesen des Silicon Valley nicht mehr aus ihren Cash-Reserven stemmen können.
In den kommenden fünf Jahren rollen nach Prognosen von J.P. Morgan folglich Rechenzentren-Bondemissionen im Umfang von 1,5 Bill. Dollar auf den Markt zu, die dann über 20% des amerikanischen Investment-Grade-Segments einnehmen könnten. Die Renditeentwicklung nach den jüngsten Deals deutet laut Analysten darauf hin, dass die schieren Mengen die Marktteilnehmer bereits überfordern.
Auswirkungen am Sekundärmarkt
Meta musste Investoren bei einer 30 Mrd. Dollar schweren Begabe Ende Oktober mit deutlich höheren Verzinsungen locken, als bisher auf ihre Bestandsanleihen fällig wurden. Dies wirkte sich auf den Sekundärmarkt aus: Bei Bonds der Facebook-Mutter mit Fälligkeit 2054 und einem Kuponzins von 5,4% ist der Spread gegenüber lang laufenden Treasuries von zuvor knapp 0,8 Prozentpunkten auf über 1 Prozentpunkt geschnellt.

Bereits im zweiten Quartal hatte Meta Platforms erstmals mehr Verpflichtungen aus Krediten, Steuern und Mieten als Cash und marktgängige Wertpapiere vorzuweisen – ein Ungleichgewicht, das sich im dritten Viertel noch verstärkte. Der freie Cash-flow ging zuletzt zudem um 31,5% auf 10,63 Mrd. Dollar zurück.
Milliarden-Projekt bereitet Kopfzerbrechen
Zudem bereitet Meta der Wall Street mit ihrem Riesen-Rechenzentrum in Louisiana Kopfzerbrechen. Dieses befand sich bereits im Bau, als die Facebook-Mutter im Oktober einen neuen Finanzierungsdeal ankündigte. Durch diesen verschiebt Meta das unter dem Namen „Hyperion“ laufende Projekt von der eigenen Bilanz in ein Joint Venture mit Blue Owl Capital, an dem der Tech-Riese 20% und der Assetmanager die restlichen Beteiligungen hält.
Die Holding Beignet Investor, die den Blue-Owl-Anteil kontrolliert, warf im vergangenen Monat Bonds im Volumen von 27,3 Mrd. Dollar auf den Markt, wobei der größte Teil an Pimco ging. Meta will das Rechenzentrum ab 2029 für bis zu 20 Jahre pachten, verfügt aber zunächst über einen vierjährigen Vertrag mit Option auf Verlängerung alle vier Jahre.
Dramatische Reaktion bei Oracle
Die Facebook-Mutter will das Joint Venture nicht konsolidieren und sich die verbundenen Assets und Verbindlichkeiten so aus den Büchern halten, auch um ihr starkes Investment-Grade-Credit-Rating nicht zu gefährden. Analysten warnen indes davor, dass gerade dieser Plan schnell in Konflikt mit bestehenden Accounting-Regeln treten könnte, da Meta de facto die operative Kontrolle und das größte ökonomische Interesse an dem Projekt habe.
Bei Oracle fällt die Reaktion der Bondinvestoren noch dramatischer aus. Die Investitionen, die das Unternehmen für seine Rechenzentren-Expansion zugesagt hat, dürften den Kapitalaufwand 2025 um 65% auf 35 Mrd. Dollar treiben. Die Research-Firma Gimme Credit geht davon aus, dass der freie Cash-flow stark ins Negative abrutscht. Angesichts der auf über 100 Mrd. Dollar ausgeweiteten Gesamtverschuldung ist der Spread bei Oracle-Bonds mit 30-jähriger Restlaufzeit und Kupon von 5,95% seit September von 1,2 auf über 1,8 Prozentpunkte geklettert.
Schwäche treibt Aktionäre um
Neben den Investment-Grade-Emittenten treten kleinere Adressen wie die einstigen Bitcoin-Miner Terawulf und Cipher, die sich auf Rechenzentren spezialisiert haben, mit Transaktionen im spekulativen Rating-Bereich auf, deren Gesamtumfang zuletzt 7 Mrd. Dollar erreicht hat. Beim Cloud-Dienstleister Coreweave, der im großen Stil und schuldenfinanziert Nvidia-Chips aufkauft, warfen Anleihen mit Fälligkeit 2031 zuletzt 11% ab und damit so viel wie ein durchschnittlicher Bond aus dem „CCC“-Ramschsegment.
Die Schwäche am Anleihemarkt alarmiert auch Aktionäre, die ohnehin zunehmend am KI-Boom zweifeln. Analysten warnen, dass sich Big Tech von einer zu kleinen Kundengruppe abhängig mache. Oracle, deren Aktienkurs im September dank voller Auftragspipeline explodierte, verwies darauf, „vier Multi-Milliarden-Dollar-Verträge mit drei verschiedenen Kunden“ unterzeichnet zu haben. Auch bei Microsoft wird eine übergroße Abhängigkeit von OpenAI befürchtet. Der Nasdaq 100 hat im November infolge der Skepsis um 2,5% nachgegeben.
Rückkäufe in Gefahr
Anteilseigner fürchten dabei auch, dass die Allokation von Kapital in den Rechenzentren-Ausbau den direkten Shareholder Return belastet. Denn viele Unternehmen, die nun mit schweren Emissionsvorhaben an die Märkte herantreten, haben ihre Aktien in den vergangenen Jahren mit milliardenschweren, auch schuldenfinanzierten Rückkäufen gestützt.
Bei Meta ist das Buyback-Volumen im dritten Quartal bereits auf 3,16 Mrd. Dollar gefallen, nachdem es im vorangegangenen Viertel noch bei 9,76 Mrd. Dollar lag. Amazon hat den Großteil der Anfang 2022 vom Verwaltungsrat autorisierten Summe von 10 Mrd. Dollar für ein zunächst umjubeltes neues Rückkaufprogramm bisher nicht genutzt und Investoren zu verstehen gegeben, dass sie mit dem Geld Besseres anzufangen weiß. Einige Investoren sehen ein gewichtiges Argument für Käufe von Big-Tech-Aktien nun weiter erodieren.
