Brewdog ist plötzlich 1 Mrd. Pfund wert
Von Andreas Hippin, LondonVor zwei Jahren hat die schottische Brauerei Brewdog noch ausgestopfte fette Katzen aus einem Hubschrauber über dem Londoner Finanzviertel abwerfen lassen, um darauf aufmerksam zu machen, dass man auch ohne Banker Geld bei Anlegern einsammeln kann. Nun holte James Watt, der Brewdog 2007 im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit Martin Dickie “und einem Hund” gegründet hatte, einen Finanzinvestor ins Boot. Die kalifornische TSG Consumer Partners, zu deren Portfolio Marken wie Pop Chips und Vitamin Water gehören, lässt sich 22 % an Brewdog 213 Mill. Pfund kosten. Davon sollen 100 Mill. Pfund in die weitere Expansion von Brewdog gesteckt werden. Das Unternehmen kommt dadurch auf eine Bewertung von gut 1 Mrd. Pfund. Von Ausverkauf könne nicht die Rede sein, heißt es auf der Website von Brewdog. Man nehme lediglich einen Partner mit einer Minderheitsbeteiligung an Bord – wie bereits 2009 die Griffin Group. Dickie und Watt blieben die größten Anteilseigner. Allerdings schrumpft Watts Beteiligung von 35 auf 25 %, die von Dickie von 30 % auf 22 %. Andere Brauer wie Stone Brewing und Dogfish Head hätten vor kurzem ähnliche Deals abgeschlossen.Während die Hersteller der vor Sportübertragungen mit großem Aufwand beworbenen Fernsehbiere über schwindende Nachfrage klagen, werden die Produzenten obskurer Bierspezialitäten von der Kundschaft überrannt. Wer schon immer mal eine eigene Brauerei an den Start bringen wollte, hat das in den vergangenen Jahren in Großbritannien getan. Die Großbrauereien sind längst dabei, sich einen Teil des Markts für “Craft Beer” zu sichern. SABMiller angelte sich mit der Meantime Brewing Co. aus Greenwich eine der berühmtesten britischen Mikrobrauereien. Besonders attraktiv muss für die Industriebierhersteller sein, dass sich Frauen für die handgebrauten Bierspezialitäten interessieren – eine Zielgruppe, die man fast schon aufgegeben hatte.”Dieser neue Deal gibt uns die Feuerkraft, um weltweit mit den Megabierbrauern und ihren falschen Craft-Beer-Sorten in Wettbewerb zu treten und dabei leidenschaftlich unabhängig zu bleiben”, verlautbarte Brewdog. Beim Thema Unabhängigkeit stimme man mit TSG Consumer Partners vollständig überein. Die 1987 gegründete Private-Equity-Gesellschaft verwaltet Assets von rund 5 Mrd. Dollar und hat sich auf die Konsumgüterbranche spezialisiert. Cocoa PsychoBrewdog bringt laufend neue Spezialitäten auf den Markt. “Cocoa Psycho”, ein Imperial Stout, hat einen Alkoholgehalt von 10 % und erfreut den Trinker mit Kakao- und Kaffeenoten. “Tokyo” kommt auf 16,5 % und ging aus den Bemühungen der Gründer hervor, das stärkste Ale der Welt zu brauen. Das Extremgebräu “Tactical Nuclear Penguin” brachte es auf 32 %. Dem folgte ein Bier mit 55 %, das allerdings gegen einen guten Scotch keine Chance hat.Vor sieben Jahren begann Brewdog damit, Geld von ihren Fans einzusammeln. Mehr als 1 300 ließen sich für das “Antigeschäftsmodell” der Schotten begeistern. Es folgten drei weitere Finanzierungsrunden unter dem Motto “Equity for Punks”. Sie haben mittlerweile 55 000 Anteilseigner, 44 Bars rund um den Globus und mehr als 600 Mitarbeiter. Wer 2015 die vierte Runde für den Einstieg bei Brewdog nutzte, akzeptierte eine Bewertung, die rund dem zehnfachen Umsatz des Vorjahres entsprach. Zum Vergleich: Der an der Mittelstandsbörse ISDX notierte Brauer Adnams Southwold, der auf Nachhaltigkeit setzt, wurde damals zum 2,1-fachen Umsatz gehandelt. Wer möchte, kann nun 15 % seiner Aktien – maximal 40 Stück – an den Finanzinvestor verkaufen. Für diejenigen, die 2010 schon mit dabei waren, käme das einem Plus von 2 765 % gleich. Wer zuletzt eingestiegen ist, erzielt lediglich 177 %.Was das alles mit Punk zu tun haben soll? Gleich eine ganze Reihe von Szenegrößen wie die Bands GBH, Oi Polloi und Subhumans fragte in einem offenen Brief, ob Brewdog den Begriff zu Recht verwendet, nachdem das Unternehmen gegen einen Musikveranstalter vorging, weil dieser eine Bar mit Namen “Draft Punk” eröffnen wollte.