"Brexit ist eine echte Chance für uns"
Vor dem Brexit hat Ralph Quellmalz keine Angst. Im Gegenteil: Der Finanzvorstand des Entertainment-Veranstalters Deag äußerte sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung am Rande der DVFA Herbstkonferenz voller Zuversicht zu den dortigen Wachstumsaussichten. Der Erlösanteil des “zweiten Heimatmarktes” soll nach dem jüngsten Zukauf von 36 auf 40 % steigen.md Frankfurt – Die Deag Deutsche Entertainment schwimmt gegen den Strom. Während sich andere Unternehmen wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU mit Investitionen in dem Land zurückhalten, hat der Live-Entertainment-Veranstalter gerade die britische Flying Music Group (FMG) für rund 5 Mill. Pfund übernommen. Wie Deag-Finanzchef Ralph Quellmalz einräumt, könnte sich der Kaufpreis in Abhängigkeit von der künftigen Geschäftsentwicklung noch erhöhen. Neben den Töchtern Kilimanjaro Live, einem Veranstalter von Musikkonzerten und -festivals (Umsatz: 42 Mill. Euro), und dem Promoter Raymond Gubbay (24 Mill.) sei FMG “ein weiterer wichtiger Meilenstein” in der Auslandsstrategie der Deag. “Dies wird uns dabei helfen, die Wachstumschancen in unserem zweiten Heimatmarkt künftig noch besser zu nutzen”, erklärt der 47-Jährige, der von 2006 bis 2015 in verschiedenen Funktionen für KHD Humboldt Wedag tätig war (zuletzt als CFO). “Für 2018 erwarten wir erhebliche Wachstumsimpulse aus dem UK-Geschäft”, sprüht Quellmalz vor Zuversicht. Der Anteil Großbritanniens am Konzernerlös (2016: 184,8 Mill. Euro) soll von 36 auf 40 % steigen. Deutschland stand 2016 mit 97 Mill. Euro bzw. 52 % des Umsatzes noch mit großem Abstand an erster Stelle.Für 2017 peilt die Deag angesichts des positiven Geschäftsverlaufs im ersten Halbjahr und des traditionell starken vierten Quartals einen leicht über dem Vorjahreswert liegenden Umsatz an. Dabei sei zu berücksichtigen, so Quellmalz, dass dieses Ziel ohne die 2016 angefallenden Festivalerlöse sowie die Event-Umsätze von Manfred Hertlein (11 Mill. Euro) erreicht werden soll. Ihren Anteil an dem Würzburger Veranstalter hatte die Deag im Februar veräußert.Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), das 2016 bei 0,5 (-26,2) Mill. Euro lag, soll dieses Jahr im mittleren bis oberen einstelligen Millionen-Euro-Bereich liegen; also irgendwo zwischen 3 und 9 Mill. Euro (siehe Grafik). Daraus ergibt sich eine Vervielfachung der Ebit-Marge auf geschätzte 1,6 bis 5 (i.V. 0,3) %.Der EU-Austritt Londons bereitet Quellmalz keine Sorge. Im Gegenteil: “Der Brexit ist eine echte Chance für uns”, meint der Finanzvorstand. Es sei durchaus denkbar, dass der Exit aus der EU eine Trotzreaktion auf der Insel auslöse, die Schwung in das Kulturleben bringe und die Nachfrage nach Live-Events antreibe. Größter Einzelaktionär von Deag ist Plutus Holdings 2 Ltd. mit 10,4 %; “ein privates Family Office”, wie Vorstandschef Peter Schwenkow 2011 beim Einstieg der im Steuerparadies Britische Jungferninseln ansässigen Firma erklärte. Quellmalz räumt ein, dass er über diesen Investor nicht viel wisse. Es folgen Allianz Global Investors mit knapp 10 % und Monolith Duitsland, eine Tochter der auf westeuropäische Small Caps spezialisierten niederländischen Private-Equity-Gesellschaft Monolith, mit 9,5 %. Die Investmentfirma ist auch bei Schaltbau und Dr. Hönle engagiert. PlanungshorizonteAls Insider weiß Quellmalz Interessantes über die unterschiedlichen Planungshorizonte im Klassik- bzw. Rock/Pop-Geschäft zu berichten. So habe die Deag mit der bekannten russischen Opernsängerin Anna Netrebko gerade eine Fortsetzung der exklusiven Zusammenarbeit in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) bis Ende 2022 vereinbart. Auch Auftritte anderer großer Klassikstars würden mehrere Jahre im Voraus geregelt. Dagegen werde in der Rock/Pop-Szene meist nur eine Saison im Voraus geplant. Das war wohl auch bei den Rolling Stones so, die die Deag zusammen mit FKP Scorpio, die mehrheitlich dem Wettbewerber CTS Eventim gehört, in den nächsten fünf Wochen für drei (ausverkaufte) Konzerte nach Deutschland holt.