BIETERWETTSTREIT IN DEN USA

Briten auf dem Gesundheitstrip

Reckitt ist mit der Milliardärsfamilie Reimann als Großaktionär auf Expansionskurs

Briten auf dem Gesundheitstrip

Von Walther Becker, FrankfurtAusrichtung auf Schwellenländer und Fokus auf Gesundheit: Für den britischen Konsumgüterhersteller Reckitt Benckiser ist der Griff nach dem Nutrition-Anbieter Schiff kein Neuland. So hat der Konzern mit deutschen Wurzeln – bekannt für “Calgonit”-Spülmaschinenmittel, “Hoffmanns” (“Pflege ist unsere Stärke”), “Sagrotan”-Reiniger, “Clearasil” (gegen Pickel), “Scholl”-Fußpflege, “Kukident” oder “Durex”-Kondome – 2007 für 2,3 Mrd. Dollar den Atemwegsspezialisten ART übernommen. Der Start ins Geschäft mit der Selbstmedikation war dem Konzern 2005 gelungen, als für 2,8 Mrd. Euro von Boots deren Schmerz- und Fiebermittel sowie “Clearasil” erworben wurden. Fast so groß war der Erwerb des Kondomherstellers SSL 2010 für 2,5 Mrd. Euro. Geführt wird der Konzern, meist als Wasch- und Putzmittelhersteller bezeichnet, in Indizes unter Personal & Household Goods und nicht Healthcare. Reckitt Benckiser notiert derzeit nahe dem Allzeithoch und hat gezeigt, Akquisitionen integrieren zu können. Dabei wird der Konzern immer mal wieder selbst als Zielobjekt gehandelt – ob nun von Procter & Gamble oder Unilever.Das hängt maßgeblich an der deutschen Milliardärsfamilie Reimann, die Großaktionär des Konzerns mit 32 000 Beschäftigten ist. Ansonsten ist das Kapital institutionell gestreut. Die Familie hat ihr Aktienpaket dieses Jahr von 15,5 auf 10,6 % abgeschmolzen, um Mittel für die Übernahme von Avon zu generieren – doch beim 10-Mrd.-Dollar-Kampf um den Kosmetikdirektvertrieb kam sie nicht zum Zuge. Der Clan will nun seine Kosmetikgruppe Coty an die US-Börse bringen, hat jüngst den Röster Peet’s Coffee erworben und sich mit 12 % an D.E Master Blenders aus Utrecht beteiligt. Im Portfolio ist neben dem Reckitt-Paket und der Coty-Mehrheit das Luxusgüterunternehmen Labelux mit Marken wie Jimmy Choo und Bally. Drei Partner steuern die Beteiligungen: Peter Harf, Bart Becht und Olivier Goudet. Die Familie, die seit Jahren nicht mehr in Deutschland lebt, bleibt im Hintergrund. Harf hatte das Traditionsunternehmen aus Ludwigshafen 1996 aufgeteilt: in Benckiser für Reinigungsmittel und Coty für Kosmetik. Die heutige im FTSE 100 enthaltene Reckitt Benckiser entstand dann 1999 aus der Fusion der britischen Reckitt & Colman mit der niederländischen Benckiser – denn die Familie hatte ihr Unternehmen in Amsterdam an die Börse gebracht.Als Wettbewerber gelten Beiersdorf, Clorox, Colgate-Palmolive, Henkel, Procter & Gamble, Unilever und Johnson & Johnson. In diesem Jahr will Reckitt Benckiser die Erlöse bei stabiler Marge auf vergleichbarer Basis um 3 bis 4 % steigern. Geführt wird der Konzern seit April 2011 von dem Inder Rakesh Kapoor. Als Finanzchef trat vor zwei Monaten Adrian Hennah an, der von 1978 bis 1980 bei der Stadtsparkasse Köln war.Vorgänger Colman entstand 1814 als Getreidemühle, Reckitt 1840 aus einer Mühle. Johann A. Benckiser gründete 1823 in Pforzheim eine Salmiakhütte.