"Bundesweit angespannte Situation"

Bahn hat nicht nur im Mainzer Stellwerk Personalsorgen - Netz hinkt hinterher

"Bundesweit angespannte Situation"

ge Berlin – Die (wachsenden) Probleme im Mainzer Stellwerk sind kein Einzelfall. “Wir haben bundesweit eine angespannte Situation”, räumte Frank Sennhenn ein, der Vorstandschef bei der Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz. “Wir sind dabei, alle Stellwerke, bei denen wir ähnlich kritische Situationen haben, nach Kräften abzusichern”, fügte er gestern im ARD-Morgenmagazin an. Im laufenden Jahr wolle die Bahn 600 neue Fahrdienstleiter einstellen. Währenddessen wird aus Bahnkreisen bestätigt, dass Hansjörg Hess, Produktionsvorstand bei DB Netz, nach dem Chaos am Mainzer Hauptbahnhof gehen muss.In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt gibt es seit gut einer Woche abends und nachts Zugausfälle. Um den Verkehr zu stabilisieren, hat die Bahn inzwischen die einzelnen Schichten im Mainzer Stellwerk personell ausgedünnt – was nun auch tagsüber zu Zugausfällen oder -umleitungen führt, mit tausenden von betroffenen Pendlern. In dieser Woche gilt für Regionalzüge Stunden- statt Halbstundentakt, nur wenige Fernzüge halten im Hauptbahnhof der Landeshauptstadt. “Wegen des entsprechend höheren Zugaufkommens durch Umleitung ist mit Verspätungen im gesamten Rhein-Main-Gebiet und Südhessen zu rechnen”, kündigte die Bahn an.Trotz des Willens, rasch Neueinstellungen tätigen zu wollen, ist auf die Schnelle keine Besserungen in Sicht. Schulungen dauerten sieben Monate. Zudem müssen Fahrdienstleiter für jedes von ihnen betreute Stellwerk eine Berechtigung erwerben, die allein drei Monate Einarbeitungszeit erfordert. “Aktuell sind alle Stellwerke arbeitsfähig. Wir tun alles, damit es so bleibt”, lautete der Wasserstand gestern Nachmittag – ungeachtet der von Sennhenn eingeräumten angespannten Lage, die typisch sei für die Urlaubszeit. “Es war klasse”Derweil wirft die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dem Staatskonzern eine falsche Personalpolitik vor, die sich nicht nur bei den Stellwerken auswirke. “Wir haben auch in anderen Bereichen eine Reduzierung des Verkehrs, weil Personal fehlt”, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner Reuters TV. Dagegen hält sich die ansonsten deutlich forderndere Gewerkschaftskonkurrenz GDL Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer auffallend zurück. Statt eine falsche Bahn-Politik zu geißeln, schwärmt die GDL auf ihrer Homepage vom jüngsten Bundessommerfest. “Es war klasse.”Die Bahn versucht unterdessen in Mainz, Fahrdienstleiter aus dem Urlaub zurückzuholen. “Das kann nur auf freiwilliger Basis geschehen”, versicherte Sennhenn. Das dortige Stellwerk ist laut Bahn wegen unerwartet vieler Krankmeldungen in der Urlaubszeit seit gut einer Woche nicht voll leistungsfähig. Am heutigen Dienstag wollen Bahn, Gewerkschaft und die rheinland-pfälzische Landesregierung bei einem Treffen in Mainz über die Probleme beraten. Am Mittwoch treffen dann Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber und die Personalchefs der Geschäftsbereiche in einer Spitzenrunde die EVG-Führung, sagte eine Bahnsprecherin.Hintergrund der “bundesweit angespannten Situation” ist nicht nur die personelle Überalterung in der Netzsparte, sondern auch der verstärkte Druck, dass die kapitalintensive Infrastruktur einen höheren Gewinnbeitrag leistet. Zwar weist die DB Netze Fahrweg nach der Regionalverkehrstochter mit 292 Mill. Euro Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im ersten Halbjahr 2013 den zweithöchsten operativen Gewinn aus. Doch angesichts des hohen Capital Employed (von rund der Hälfte des Konzernwerts) und zwei Drittel aller Netto-Finanzschulden wirtschaftet die Sparte unzureichend. In der Folge wurden Tausende von Stellen abgebaut. Zudem wurden Stellwerke langsamer als geplant durch moderne vollelektronische ersetzt, womit Personal hätte eingespart werden können.