Direktinvestitionen

Chinesische Investoren kehren nach Europa zurück

Der Schnelllieferdienst Gorillas, die Smartphonebank N26 oder das Versicherungs-Start-up Wefox: Chinesische Investoren treten oft bei deutschen Jungunternehmen als Geldgeber in Erscheinung.

Chinesische Investoren kehren nach Europa zurück

cru Frankfurt

Nach dem pandemiebedingten Einbruch im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Transaktionen chinesischer Investoren in Deutschland und Europa im Jahr 2021 wieder erhöht: von 132 auf 155. Außer bei klassischen Firmenkäufen treten die chinesischen Investoren oft als Geldgeber bei Finanzierungsrunden von Jungunternehmen in Erscheinung. In Deutschland beispielsweise bei dem Schnelllieferdienst Gorillas, der Smartphonebank N26 oder dem Versicherungs-Start-up Wefox. Vor allem der chinesische Internetkonzern Tencent tritt als Finanzier deutscher Jungunternehmen auf. Das geht aus der jüngsten Untersuchung der Unternehmensberatung EY zu chinesischen Unternehmensbeteiligungen in Europa hervor.

Auch das Transaktionsvolumen stieg: Der Wert der Beteiligungen und Übernahmen hat sich von 1,5 Mrd. auf 12,4 Mrd. Dollar mehr als verachtfacht. Auch in Deutschland nahm das Transaktionsgeschehen wieder etwas Fahrt auf: Es gab 2021 immerhin 35 derartige Beteiligungen oder Übernahmen (2020: 28). Das Investitionsvolumen stieg von 0,4 auf 2 Mrd. Dollar.

Zwölf der 35 Transaktionen in Deutschland und 30 der 155 Transaktionen in Europa fanden im Industriesektor statt. Allerdings ist deren Zahl rückläufig: 2020 waren europaweit noch 36 Industrietransaktionen gezählt worden. Im Gegenzug steigt das Interesse an Hightech und Software- sowie an Health-Care-Unternehmen: Auf sie entfielen im vergangenen Jahr europaweit 27 Transaktionen (Vorjahr: 20) bzw. 26 Transaktionen (Vorjahr: 16).

Mit 36 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (35 Transaktionen) und deutlich vor den drittplatzierten Niederlanden (13). Im Vorjahr war die Reihenfolge an der Spitze noch umgekehrt: 2020 lag Deutschland mit 28 Transaktionen vor Großbritannien mit 21 Deals.

Die europaweit größte chinesische Investition war im vergangenen Jahr der Verkauf der Haushaltsgeräte-Sparte von Philips an die Investmentfirma Hillhouse Capital mit Sitz in Hongkong für 4,4 Mrd. Dollar. Die zweitgrößte Transaktion war die Übernahme des britischen Entwicklerstudios Sumo Digital durch Tencent für 1,1 Mrd. Dollar, gefolgt von der Übernahme des dänischen Kühlcontainer-Herstellers Maersk Container Industry durch China International Marine Containers für ebenfalls 1,1 Mrd. Dollar.

„Chinesische Unternehmen bleiben bei ihren Investitionen in Europa insgesamt noch zurückhaltend“, beobachtet Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in der Region Europe West bei EY. „Dazu trägt zum einen nach wie vor die Pandemie bei, die auch 2021 noch zu Beeinträchtigungen führte – auch wegen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen, strengen Quarantäne-Regeln für Personen, die aus dem Ausland nach China reisen, und Lockdowns. Die meisten chinesischen Unternehmen, die schon im Ausland Firmen übernommen haben, haben sich eher damit beschäftigt, die Restrukturierung in Europa voranzutreiben, als weiter zu expandieren – besonders in den Sektoren Automobilzulieferer und Maschinenbau.“

Protektionistische Hürden

Ebenfalls dämpfend wirkten sich nach Suns Einschätzung die inzwischen hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus. „Die Kaufpreise auf dem M&A-Markt sind zuletzt stark gestiegen – in einigen Fällen wollten die chinesischen Interessenten da nicht mehr mitgehen. Besonders die börsennotierten chinesischen Unternehmen fürchten, mit teuren Zukäufen den eigenen Aktienkurs unter Druck zu setzen“, so Sun. „Zudem besitzen einige der potenziellen Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder Forschungszentren in den USA. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Ablehnung durch das Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS) befürchtet wird – und potenzielle chinesische Bieter gar nicht erst eingeladen werden.“

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