Nachhaltigkeit

Corporate Governance ist alles andere als „Gedöns“

Corporate Governance darf aus Sicht von Unternehmen und Investoren in der ESG-Debatte keine untergeordnete Rolle spielen, sonst lassen sich Nachhaltigkeitsstrategien nicht erfolgreich umsetzen.

Corporate Governance ist alles andere als „Gedöns“

swa Frankfurt

Gute Corporate Governance ist seit langem ein wichtiges Thema und gewinnt durch die Umsetzung von ESG-Anforderungen weiter an Bedeutung. Dieses Selbstverständnis ist noch nicht überall ausgeprägt, kritisiert Martin Kaspar, Director Board Services von PwC Deutschland, auf der Konferenz Governance & Sustainability des In­vestorenverbands DVFA. Es gebe in Deutschland immer noch Unternehmen oder einzelne Protagonisten, die meinten, Corporate Governance sei „halt Gedöns“. Die Mehrheit immerhin ist aus seiner Sicht davon überzeugt, dass gute Governance zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt.

Noch nicht ausdiskutiert ist nach Einschätzung des Beraters, welche Rolle Governance in der ESG-Debatte spielt. Alle drei Nachhaltigkeitsaspekte seien wichtig, aber man könne sie nicht einfach nebeneinander stellen. „Das ‚G‘ ist die Bedingung, dass ‚E‘ und ‚S‘ sinnvoll und erfolgreich implementiert werden“, sagt Kaspar.

Melanie Kreis, Finanzchefin Deutsche Post DHL Group, hält ESG mittel- und langfristig für das entscheidende Governance-Thema. Die Managerin hält es für ausschlaggebend, darüber Transparenz in der Kommunikation zu schaffen und die konkrete Umsetzung voranzubringen. Kreis hebt hervor, dass die Unternehmen mit den Pflichten im ESG-Reporting einem enormen Zeitdruck ausgesetzt sind. Neben neuen rechtlichen Anforderungen gebe es zudem „eine unglaubliche Vielzahl an mehr oder weniger soliden Zusatzrankings über Nachhaltigkeitsthemen“. Hier müsse man sich als Unternehmen überlegen, inwieweit man „auf womöglich nur zum Teil sinnvolle zusätzliche Berichtsanforderungen von Ratings“ eingehen wolle. „Reporting ist kein Selbstzweck. Es geht darum, die mit der Strategie verbundenen wesentlichen Themen umzusetzen“, sagt Kreis.

Multi-Aufsichtsrätin Margret Su­ckale bezeichnet die Regulierungsflut „als Riesenthema, das uns global enorm zurückwirft“. „Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir es an der Stelle nicht übertreiben“, warnt Suckale. Aus Aufsichtsratssicht ist ESG nach ihrer Einschätzung so wichtig geworden, dass es eine umfassende Expertise brauche – auch auf Arbeitnehmerseite. Suckale, viele Jahre im Vorstand von BASF und Deutscher Bahn, mahnt Aufmerksamkeit an, dass Governance in der ESG-Philosophie keine untergeordnete Rolle bekomme.

Antje Stobbe, Head of Stewardship bei Allianz Global Investors, stellt eine hohe Bereitschaft der Unter­nehmen fest, mit Investoren in den Dialog zu gehen. Sie hebt hervor, dass die Regulierung sich nicht nur in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern auch in den Anforderungen an nachhaltige Investments deutlich weiterentwickelt hat. „Insofern haben wir als Investoren sehr viel höhere Transparenzanforderungen an die Unternehmen, weil wir schlichtweg beurteilen müssen, ob unsere Investitionen in bestimmte Unternehmen als nachhaltig zu werten sind oder nicht“, sagt Stobbe.

Dennis Weber, Leiter Investor Relations der Deutschen Lufthansa, erkennt eine hohe Bereitschaft in Vorstand und Aufsichtsrat, mit den Investoren in den Austausch zu gehen. Emittenten könnten aus seiner Sicht ausführlicher darüber berichten, was sie in der Governance tun. Der Input von außen werde beherzigt. Der  Dialog mit allen Stakeholdergruppen zeige, dass Unternehmen keine andere Wahl hätten, als ESG in ihrer Strategie abzubilden. Lufthansa stelle etwa fest, dass die Faszination für Luftfahrt nicht mehr universell sei und Bewerber durchaus kritische Fragen stellten.