BIETERGEFECHT UM ABERTIS

Countdown für den Kampf um Spaniens Autobahnen

Hochtief-Aufsichtsrat berät über 17 Mrd. Euro schwere Gegenofferte für Mautstraßenbetreiber Abertis - Bieterkonkurrent Atlantia könnte nachlegen

Countdown für den Kampf um Spaniens Autobahnen

Spaniens Autobahnbetreiber Abertis ist so profitabel, dass er auch bei Hochtief Interesse an einer Übernahme weckt. Sollte das Essener Unternehmen zum Zuge kommen, wandelt sich das Geschäftsmodell komplett. Aus dem reinen Baukonzern würde überwiegend ein Infrastrukturbetreiber. Der Gewinn würde eine neue Dimension erreichen – ebenso wie der Schuldenberg.cru Düsseldorf – Ein milliardenschwerer Übernahmekampf um Spaniens Autobahnbetreiber Abertis zeichnet sich ab. Bieterkonkurrenten bei dem mindestens 17 Mrd. Euro schweren Deal sind die italienische Atlantia-Gruppe und aller Voraussicht nach Hochtief. Der Aufsichtsrat des deutschen Baukonzerns wird am heutigen Mittwoch über eine mögliche und wahrscheinliche Gegenofferte für den Mautstraßenkonzern aus Barcelona beschließen. Das verlautet aus Finanzkreisen.Auch der Verwaltungsrat des spanischen Hochtief-Mutterkonzerns ACS muss zeitgleich grünes Licht für den Deal geben. ACS hält 72 % der Anteile an Hochtief. Vorstandschef beider Unternehmen ist Marcelino Fernández Verdes, der ein Gebot für Abertis über Hochtief Ende Juli angedeutet hatte. ACS-Verwaltungsratschef Florentino Pérez hat sich laut Finanzkreisen in der vergangenen Woche mit dem Manager Isidre Fainé der einflussreichen spanischen Investment-Holding Criteria Caixa getroffen, die 22 % an Abertis hält, um für das Übernahmegebot Unterstützung zu bekommen. Pérez gehe davon aus, dass Criteria eine Offerte für den Autobahnbetreiber unterstützen wird, hieß es. Hochtief steht unter Zeitdruck. Der deutsche Konzern muss für Abertis bis spätestens Donnerstag (19. Oktober) ein Gegengebot zu der Offerte von Atlantia vorlegen, weil fünf Tage später am 24. Oktober die Angebotsfrist für die schon laufende Offerte von Atlantia endet. Familie Benetton mit dabeiDie Italiener bieten 16,5 Mrd. Euro. Größter Anteilseigner von Atlantia ist die Industriellen-Familie Benetton mit knapp über 30 %. Unterstützt wird sie vom Fonds TCI, der Abertis-Aktien von 1 bis 2 % hält.Mit der Übernahme von Abertis wollen die Italiener den weltgrößten Betreiber von 14 000 Kilometern Mautstraßen mit 10 Mrd. Euro Umsatz und addiert 6,6 Mrd. Euro operativem Gewinn schaffen. Allein in Spanien betreibt Abertis knapp 1 600 Kilometer – mehr als 60 % der dortigen Mautstraßen. In Europa sind die Spanier zudem auch in Italien, Frankreich, Irland, Großbritannien und Kroatien aktiv. Bereits 2006 hatte es den Versuch einer Fusion mit Italiens Autostrade gegeben, damals scheiterte dieser aber am Widerstand der Regierung in Rom.Zusammen würden die beiden Autobahnkonzerne aus Italien und Spanien die französische Vinci als Nummer 1 in Europa ablösen. Die Franzosen betreiben ein Geschäftsmodell, das auch Hochtief bei einer Übernahme von Abertis hätte. Die Deutschen agieren als ein integrierter Konzessions- und Baukonzern, der Verkehrsprojekte zusammen mit der öffentlichen Hand plant, baut und betreibt. Hochtief konzentrierte sich in den vergangenen Jahren allerdings auf das klassische – weniger kapitalintensive – Baugeschäft: Infrastrukturprojekte wie der Bau von Straßen oder Häfen. Mautstraßen standen weniger im Fokus, allerdings ist Hochtief an einer Maut-Autobahn in Griechenland beteiligt. Mit einer Übernahme von Abertis würde der Essener Konzern nun seine Wertschöpfungskette verlängern. Finanzielle RisikenDas wäre allerdings mit erheblichen finanziellen Risiken für den Baukonzern mit seinen 51 000 Beschäftigten verbunden, da Abertis inklusive Schulden von 14 Mrd. Euro einen Unternehmenswert von etwa 34 Mrd. Euro hat: Analysten spekulieren bei Hochtief auf eine Kapitalerhöhung von 50 %, die rund 5 Mrd. Euro einspielen soll, und eine zusätzliche Fremdkapitalaufnahme von etwa 11 Mrd. bis 13 Mrd. Euro. Der Anteil von ACS an Hochtief sänke dadurch voraussichtlich von 72 % unter 50 %, weil die Spanier nicht mitziehen würden und somit auch den neu entstehenden Schuldenberg bei Hochtief nicht in ihrer eigenen Bilanz ausweisen müssten.Eine derart große Kapitalerhöhung müsste mit großer Wahrscheinlichkeit die im MDax notierte Hochtief-Aktie belasten. Dennoch reagierte der Hochtief-Kurs am Dienstag mit einem Plus von zeitweise 2,9 % auf 149,10 Euro auf die bevorstehende Milliardenofferte. Der Börsenwert des deutschen Baukonzerns hat sich damit binnen zwei Jahren verdoppelt auf nahezu 10 Mrd. Euro.Das Bankhaus Lampe sähe in einer Übernahme von Abertis durch Hochtief mehr Chancen als Risiken. Mit der neuen spanischen Tochter könnte der Essener Baukonzern noch viel kräftiger wachsen als bisher, kommentiert Analyst Marc Gabriel. Bedenken gegen die mögliche Kapitalerhöhung würden durch die entstehenden Vorteile überkompensiert. So dürfte sich der Deal nach seiner Einschätzung stark positiv auf den Gewinn von Hochtief auswirken – im Jahr 2018 könnte es der Baukonzern dann auf ein operatives Ergebnis (Ebitda) von rund 5 Mrd. Euro bringen. Das Risiko eines höheren Schuldenstands sei begrenzt – insbesondere in der Aussicht auf zusätzliche Infrastrukturprojekte dank der eigenen Expertise von Hochtief bei öffentlich-privaten Partnerschaften im Straßenbau. Das Analysehaus Mainfirst misst der Übernahme von Abertis durch Hochtief aber nur eine Wahrscheinlichkeit von 40 % bei.