Chemieindustrie

Covestro spielt Gaskürzungen durch

Covestro ächzt unter der Last der gestiegenen Energiepreise. Im Gesamtjahr wird neuerdings mit einer Energierechnung von 2,2 Mrd. Euro kalkuliert, das ist mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2021.

Covestro spielt Gaskürzungen durch

ab Düsseldorf

Der Chemiekonzern Covestro setzt sich mit der möglichen Gasrationierung durch die Bundesnetzagentur nun auch planerisch auseinander. „Im laufenden zweiten Halbjahr haben die gesamtwirtschaftlichen Risiken noch einmal deutlich zugenommen, insbesondere mit Blick auf die sehr hohen Energiekosten sowie Unwägbarkeiten bei der Gasversorgung an unseren deutschen Standorten“, sagte Finanzvorstand Thomas Toepfer bei der Vorlage des Zwischenberichts. Sollte es zu einer Rationierung der Gasversorgung kommen, könne dies in Abhängigkeit vom Umfang einen Teillastbetrieb oder einen kompletten Stillstand einzelner Produktionsanlagen zur Folge haben. Die deutschen Standorte repräsentieren nach den Angaben etwa ein Viertel der Produktionskapazitäten des Konzerns.

Enge Verflechtung

Aufgrund der engen Verflechtung der chemischen Industrie mit nachgelagerten Branchen sei „bei einer weiteren Verschärfung der Situation mit einem Zusammenbruch ganzer Liefer- und Produktionsketten zu rechnen“, warnt der Kunststoffkonzern. In einer Szenariorechnung hat Covestro Gaskürzungen zwischen 10 und 40 % durchgespielt. Basierend auf einer Kürzung um 25 % in Deutschland, ergäbe sich für das operative Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) monatlich eine Belastung im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag, geht aus der Investorenpräsentation hervor. Indirekte Effekte sind in dieser Kalkulation nicht berücksichtigt.

Wenngleich es bislang noch nicht zu einer Gasverknappung kam, haben die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise tiefe Spuren im Zahlenwerk hinterlassen. Auch deshalb hatte Covestro vor wenigen Tagen eine Gewinnwarnung verschickt und die Erwartung an das Ebitda im Gesamtjahr auf 1,7 bis 2 (zuvor: 2 bis 2,5) Mrd. Euro gesenkt.

2,2 Mrd. Euro für Energie

Zwar konnten die Leverkusener einen Teil der höheren Kosten auch im zweiten Quartal an die eigene Kundschaft weiterreichen, der Einbruch der Ebitda-Marge auf 11,6 (i.V. 20,6) % spricht jedoch eine deutliche Sprache. Die gestiegenen Absatzpreise trugen im Berichtsquartal mit 14,5 Prozentpunkten zum Umsatzplus von fast 19 % bei, die Absatzmengen gaben dagegen leicht nach. Unter dem Strich wurden 199 Mill. Euro verdient; im Vergleich zum Vorjahr war das mehr als eine Halbierung.

Schwächeres Wachstum

Da sich die Energiekosten im Juli weiter verteuerten, erwartet Covestro im Gesamtjahr nun eine Energierechnung von 2,2 (i.V. 1) Mrd. Euro, haben die Leverkusener den Energiebezug preislich doch nicht abgesichert und müssen daher zu Spotmarktpreisen einkaufen. Die hohen Energieausgaben spiegeln sich auch im freien Cashflow, der im Berichtsquartal um 836 auf −462 Mill. Euro drehte. Auch an dieser Stelle wurde die Prognose für das Gesamtjahr auf 0 bis 500 Mill. Euro zusammengestrichen.

Für die Prognoserevision waren die steigenden Energiepreise jedoch nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr stellt Covestro dabei auch das sich abschwächende weltwirtschaftliche Wachstum in Rechnung. Größere Auswirkungen im Zuge der möglichen Gasrationierung sind in der revidierten Prognose gleichwohl nicht enthalten. Für das laufende dritte Quartal kalkuliert Covestro mit einem operativen Ergebnis zwischen 300 und 400 Mill. Euro, nachdem im dritten Quartal 2021 operativ noch 862 Mill. Euro verdient worden waren. Die erwartete konjunkturelle Abschwächung hat aber auch einen positiven Effekt, werden die Treibhausgasemissionen doch um 200 000 Tonnen geringer ausfallen als bislang prognostiziert.

Da die Investoren die Gewinnwarnung vom Freitag schon zu Wochenbeginn mit einem Kurssturz bis auf 31,70 Euro abgestraft hatten, fiel die gestrige Reaktion auf den Zwischenbericht positiv aus. In einem schwächeren Gesamtmarkt zählte Covestro mit einem Kurszuwachs um 1,4% auf 33,51 Euro zu den größten Tagesgewinnern. Allerdings gilt es dabei auch zu berücksichtigen, dass die Aktie seit Jahresbeginn fast 40% an Wert eingebüßt hat.

Covestro
Konzernzahlen nach IFRS
1. Halbjahr
in Mill. Euro20222021
Umsatz9 3867 263
Ebitda1 3531 560
 Performance Materials9871 274
 Solutions & Specialties437418
Ebitda-Marge (%)14,421,5
Ebit8961 163
Konzernergebnis615842
Free Operating Cashflow1−445692
Nettofinanzschulden2 7841 4052
1) operativer Cashflow abzgl. Ausgaben für Sachanla­gen und immaterielle Vermögenswerte; 2) zum 31.12.2021 Börsen-Zeitung
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