InterviewChristian Baier, Covestro

Covestro will auch „nach 2028 noch in sehr relevanter Form in Europa produzieren“

Zum Closing der Übernahme winkt Covestro eine milliardenschwere Kapitalerhöhung. Für Finanzchef Christian Baier ist das ein wichtiger Faktor, um trotz Branchenkrise in die Zukunft zu investieren.

Covestro will auch „nach 2028 noch in sehr relevanter Form in Europa produzieren“

Im Interview: Christian Baier

„Produzieren auch nach 2028 noch in sehr relevanter Form in Europa“

Finanzchef von Covestro sieht in frischem Eigenkapital von Adnoc wichtigen Beitrag zur Finanzierung der eingeschlagenen Nachhaltigkeitsstrategie

Die Freude darüber, dass die Übernahme von Covestro in wenigen Tagen abgeschlossen wird, ist Finanzchef Christian Baier ins Gesicht geschrieben. Mit dem neuen finanzstarken Eigentümer aus den Arabischen Emiraten, der mit dem Closing frisches Kapital einschießt, lässt sich leichter durch die Branchenkrise steuern, gibt Baier im Interview zu verstehen.

Herr Baier, was wird sich mit dem Closing für Covestro ändern?

In der Investitionsvereinbarung haben wir die Themen auf der Governance-Seite so vereinbart, dass im Wesentlichen unsere Governance fortgeführt und gleichwohl die neue Eigentümerstruktur berücksichtigt wird. Vereinbart ist insbesondere, dass künftig vier der sechs Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat von Adnoc/XRG kommen werden. Hier wird es in den nächsten Wochen personelle Veränderungen im Aufsichtsrat geben. Zudem arbeiten wir weiterhin nach dem Arms-length-Prinzip, wir haben ja auch noch externe Shareholder.

Mit dem geplanten Delisting spielt der Streubesitz doch kaum noch eine Rolle.

Soweit sind wir noch nicht, auch wenn ein Delisting sehr wahrscheinlich ist.

Welche Folgen hat der Umbau der XRG-Führung für Covestro?

Das können wir noch nicht einschätzen. Wir interagieren dort regelmäßig mit verschiedenen Gesprächspartnern. Sowohl auf Adnoc- als auch auf XRG-Ebene sind wir breit vernetzt. Wir können keine Veränderungen in der Zusammenarbeit wahrnehmen.

Was hat es zu bedeuten, wenn XRG davon spricht, bei Covestro „die operative Effizienz zu erhöhen“?

Wir haben in der Vergangenheit immer über operative Effizienz gesprochen, die wir weiter vorantreiben. Die Chemie steht ja weiter unter Druck. Unser Partner sieht das ähnlich, aber im Zweiklang aus Effizienz und dem Heben künftiger Wertpotenziale. Letzteres hat stark mit Wachstum zu tun. Unser Programm auf der Kostenseite entwickeln wir zugleich immer weiter.

Damit können wir und XRG gut leben, zumal es um einen auf zehn Jahre begrenzten Zeitraum geht.

Christian Baier

Eine der Auflagen, welche die EU für ihre Zustimmung einforderte, betraf Patente von Covestro für Nachhaltigkeitstechnologien. Können Sie erläutern, worum es dabei geht? Beeinträchtigt das Covestro in irgendeiner Form?

Covestro ist mit Blick auf Innovation und Sustainability sehr gut aufgestellt. Da Brüssel genau an dieser Stelle den EU-internen Wettbewerb schützen will, mussten wir für bestimmte Marktteilnehmer Zugang zu unseren Nachhaltigkeitspatenten geben, natürlich zu transparenten und vorab vereinbarten Bedingungen. Damit können wir und XRG gut leben, zumal es um einen auf zehn Jahre begrenzten Zeitraum geht.

Hat es Sie überrascht, dass sich die Zustimmung der EU gemäß der Verordnung für ausländische Subventionen (FSR) so lange hinzog?

Es war in der Tat ein langer Zeitraum. Doch man muss auch sehen, dass es diese Regularie erst seit Mitte 2023 gibt und einige Themen das erste Mal zur Sprache kamen.

Es ist kein Geheimnis, dass Europa und allen voran Deutschland gerade für energieintensive Industrien Standortnachteile hat. Wird Covestro auch nach 2028 noch in Europa produzieren?

Wir gehen sehr fest davon aus, dass wir auch nach 2028 noch in sehr relevanter Form in Europa produzieren werden. Wir verfolgen die Strategie, in den Regionen für die Regionen zu produzieren. Dort sind wir auch im Wettbewerb gut aufgestellt.

Die Investitionsvereinbarung schließt Standortschließungen nur bis 2028 aus. Wie sieht es danach aus?

Das vereinbarte Jahr 2028 ist unter allgemeinen Transaktionsgesichtspunkten bei einer öffentlichen Übernahme zunächst ein durchaus angemessener Zeitraum und gibt uns nach dem Closing genügend Zeit, die Zusammenarbeit strukturiert anzugehen. Dennoch können wir heute keinen Automatismus unterstellen, dass jegliche Themen mit dem Ablauf des Jahres 2028 hinfällig und eine Kehrtwende erfahren werden.

Mit dem Closing erhält Covestro 1,2 Mrd. Euro frisches Kapital. Wofür wird das Geld eingesetzt?

Die 1,17 Mrd. Euro sind ein ganz wichtiger Faktor, um unsere Sustainable-Future-Strategie weiter zu finanzieren und uns dabei auf finanziell ganz soliden Beinen fortzubewegen. Die Euro sind nicht dahingehend markiert, für welche Investitionen sie zu verwenden sind.

Mit der Kapitalerhöhung fühlen wir uns trotz des Gegenwinds sehr gut aufgestellt, um wichtige Investitionen auch künftig tätigen zu können.

Christian Baier

Es ist unwahrscheinlich, dass sie keine konkreten Pläne verfolgen. Die Kapitalzusage war ja ein wichtiger Bestandteil der Investitionsvereinbarung.

Das stimmt, aber unsere jährlichen Investitionen belaufen sich auf rund 800 Mill. Euro und da haben wir natürlich genaue Pläne. Sie können davon ausgehen, dass wir auch stets Investitionsmöglichkeiten haben, die oberhalb des Budgets liegen. Mit der Kapitalerhöhung fühlen wir uns trotz des Gegenwinds sehr gut aufgestellt, um wichtige Investitionen auch künftig tätigen zu können.

Ist die neue MDI-Anlage, über die Covestro seit Jahren spricht und deren Bau mehrfach verschoben wurde, noch Teil der Überlegungen? Oder ist das Thema angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen obsolet geworden?

Grundsätzlich ist es für uns immer ein relevantes Thema, weil wir eine führende Technologie verwenden und auch künftig eine wichtige Rolle in diesem Markt spielen wollen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedoch nichts zu vermelden, auch nicht bezüglich möglicher Standorte. Sobald das Thema auf die Agenda kommt, werden wir verschiedene Standorte ergebnisoffen prüfen. Die wichtigsten Entscheidungskriterien sind dabei die Produktionskonditionen und die Nachfrage.

Als Finanzvorstand sind Sie mit dem finanzstarken neuen Eigentümer in einer komfortablen Lage. Brauchen Sie überhaupt noch ein Rating?

Wir als Vorstand sind für das Führen der Geschäfte verantwortlich. Es gibt für Adnoc keine Verpflichtung, uns über die Kapitalerhöhung hinaus finanziell zu unterstützen. Für uns ist es wichtig, jederzeit am Kapitalmarkt handlungsfähig zu bleiben – unabhängig von unserem neuen Eigentümer. Es gab in den diversen Krisen der jüngeren Zeit durchaus Beispiele, dass es ohne Bonitätseinstufung schwierig werden kann, am Kapitalmarkt Mittel aufzunehmen.

Mit Blick auf die Übernahme war gelegentlich von einem Ausverkauf Deutschlands die Rede. Was halten Sie Kritikern entgegen?

Ich finde es sehr gut, dass Covestro für Investoren attraktiv ist. Wir sind mit dem neuen Partner sehr zufrieden. Auch in der Vergangenheit befanden wir uns nicht ausschließlich im Besitz europäischer Investoren. Daher halte ich das Argument auch inhaltlich nicht für tragfähig.

Das Interview führte Annette Becker.