Cromme wirft das Handtuch - Abgabe aller Ämter bei ThyssenKrupp

Überraschender Rückzug auch bei der Krupp-Stiftung - Zunächst keine Auswirkungen auf Siemens

Cromme wirft das Handtuch - Abgabe aller Ämter bei ThyssenKrupp

ahe Düsseldorf – Nach mehr als 27 Jahren im Konzern hat Gerhard Cromme seine Ämter beim Essener Industriekonzern ThyssenKrupp aufgegeben. Der 70-Jährige kündigte überraschend an, zum Monatsende den Aufsichtsratsvorsitz bei Deutschlands größtem Stahlhersteller abzugeben und das Kontrollgremium zu verlassen. Auch bei der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, wo Cromme als designierter Nachfolger von Berthold Beitz galt, zieht er sich nun zurück. Die Stiftung ist der größte Einzelaktionär von ThyssenKrupp und hält mit 25,3 % eine Sperrminorität.Cromme, der in den vergangenen Monaten vor allem wegen der milliardenschweren Fehlinvestitionen in neue Stahlwerke in Brasilien und den USA in der Kritik gestanden hatte, begründete seine Entscheidung damit, er wolle nun auch im Aufsichtsrat einen personellen Neuanfang ermöglichen. Bislang hatte er einen solchen Schritt immer abgelehnt und die Schuld für das Debakel in Übersee auf den früheren Vorstand geschoben. Im Dezember war der halbe ThyssenKrupp-Vorstand vor die Tür gesetzt worden. Abschreibungen auf die neuen Stahlwerke, die in den kommenden Monaten wieder verkauft werden sollen, hatten allein im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordverlust von 5 Mrd. Euro verursacht.Bislang konnte sich Cromme auf den Rückhalt von Krupp-Patriarch Beitz verlassen. Das Verhältnis zu dem 99 Jahre alten Stiftungschef schien in jüngster Zeit aber Risse bekommen zu haben. Im Umfeld des Unternehmens hieß es, lange Gespräche mit Beitz hätten nun für ein Umdenken bei Cromme gesorgt.Der Rücktritt ist nach Einschätzung von Multiaufsichtsrat Christian Strenger auch eine Folge der massiven Kritik in jüngster Zeit. “Ohne den vielfachen Druck wäre Cromme kaum zum Rückzug bereit gewesen”, sagte Strenger der Börsen-Zeitung. Die Anfechtungsklage, die der Aktionärsvertreter gegen die Entlastung Crommes auf der jüngsten Hauptversammlung eingereicht hat (vgl. BZ vom 21. Februar), wird Strenger nun wahrscheinlich wieder zurück nehmen.An der Börse wurde die ThyssenKrupp-Aktie nach Crommes Paukenschlag kräftig nach oben getrieben. Zum Wochenschluss wurde ein Plus von mehr als 6 % festgestellt, weil sich Marktteilnehmer nun weitere Impulse für den Konzernumbau erhoffen. Ein Nachfolger für den Platz im Aufsichtsrat und für den Vorsitz in dem Kontrollgremium steht allerdings noch nicht fest.Mit dem Abschied von Cromme endet bei ThyssenKrupp eine Ära. Der promovierte Jurist und Volkswirt, der als einer der einflussreichsten deutschen Manager gilt und auch den Kodex für gute Unternehmensführung entscheidend mit geprägt hat, war 1986 von Beitz zu Krupp geholt worden. Dort hatte er schnell begonnen, die Konsolidierung der deutschen Stahlindustrie durch die Zusammenschlüsse mit den Konkurrenten Hoesch und später Thyssen voranzutreiben.”Cromme hat das Bild der deutschen Stahlindustrie entscheidend mit geprägt”, stellte jetzt auch Heinrich Hiesinger fest, den Cromme von Siemens ins Ruhrgebiet geholt und vor zwei Jahren an der ThyssenKrupp-Vorstandsspitze installiert hatte. Nach der Fusion von Thyssen und Krupp hatte Cromme den neuen Konzern zunächst in einer Doppelspitze zusammen mit Ekkehard Schulz selbst geführt, war dann aber 2001 von der Vorstands- an die Aufsichtsratsspitze gewechselt.Auf Siemens, wo Cromme ebenfalls noch den Aufsichtsrat führt, hat die jetzige Entscheidung zunächst keine Auswirkungen. Der Münchener Dax-Konzern wollte die Entscheidung nicht näher kommentieren, da dies “eine klare Angelegenheit von ThyssenKrupp” sei, wie es hieß.—– Bericht und Kommentar Seite 9- Personen Seite 16