Das bunte Portfolio der Scheichs
igo/tkb/dz Stuttgart/Mailand – Die Isolation Katars auf der arabischen Halbinsel hat am Dienstag europaweit die Aktienmärkte belastet. Den Anlegern bereitete der an internationale Konzerne gerichtete Aufruf Saudi-Arabiens Sorge, Katar zu meiden. Das Emirat ist über verschiedene Investmentvehikel, die in der 2005 gegründeten Dachgesellschaft Qatar Investment Authority (QIA) gebündelt sind, weltweit investiert. Zu den prominentesten Anlagen der Katarer gehören die Miramax-Studios in Hollywood und der Fußballclub Paris Saint-Germain. Der Fokus allerdings liegt auf Immobilien und Aktien. Gespeist werden der Fonds und seine Töchter (siehe Grafik) von den Überschüssen, die das Emirat durch den Export von Flüssiggas erwirtschaftet.Seit Anfang 2006 hat der Fonds Vermögenswerte von 338 Mrd. Dollar angehäuft. Rund 100 Mrd. Dollar davon sind in Katar angelegt, etwa bei der Qatar National Bank und dem Telekomanbieter Ooredoo, der in zwölf Ländern tätig ist und von Scheich Abdulla Bin Mohammed Bin Saud Al Thani geleitet wird. Der Scheich ist gleichzeitig CEO der QIA. Der Großteil der Investments befindet sich jedoch im Ausland.2015 hatte die Sorge vor fallenden Rohstoffpreisen den Fonds zu Veränderungen veranlasst. In diesem Zusammenhang stieg die QIA beim deutschen Baukonzern Hochtief aus, bei dem der Fonds 2010 zur Abwehr des spanischen Wettbewerbers ACS mit 10 % eingestiegen war. Laut dem Sovereign Investment Lab der Turiner Bocconi-Universität hat dieser Verkauf dazu beigetragen, die Verluste aus den Investments bei Volkswagen und dem Rohstoffkonzern Glencore aufzufangen. Lange Geschichte mit VWVW ist das größte Industrieinvestment der QIA in Deutschland. Die Tochter Qatar Holding hält 17 % der stimmberechtigten Stammaktien und 11,2 % der Vorzugsaktien des Konzerns und ist damit drittgrößter Einzelaktionär. Die Beteiligung hat einen Marktwert von 10,5 Mrd. Euro. Die Verbindung zwischen Katar, VW und den Familien Porsche und Piëch ist gewachsen. Das Emirat ist bis heute der einzige externe Investor, der je Stammaktien der SE erhielt: 2009, nach der Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche, verkauften die Familien 10 % an Katar. Im selben Jahr stieg das Emirat bei VW ein. Während die Familien die Anteile an der SE 2013 zurückkauften, besteht die Beteiligung an VW weiterhin. “Wir beobachten die aktuelle Entwicklung und hoffen auf eine schnelle Lösung des Konflikts”, so ein Konzernsprecher. Öl, Luxus, Büros und HotelsAuch an der Schweizer Glencore halten die Scheichs weiterhin 8,5 %. Sie hatten diese Beteiligung 2012 gegen ihren Anteil am Bergbaukonzern Xstrata eingetauscht. Der Poker um Xstrata war zweifellos mitverantwortlich dafür, dass die hoch verschuldete Glencore kurz darauf im Zuge dramatisch sinkender Rohstoffpreise in eine Abwärtsspirale geriet.Das Verhältnis zum Hauptaktionär ist offenbar intakt: Im Dezember kauften Glencore und die QIA über ein Joint Venture knapp 20 % am russischen Erdölkonzern Rosneft mit einem Marktwert von rund 11 Mrd. Dollar. Beim Schweizer Duty-free-Händler Dufry gehört die QIA mit einem Anteil von 6,9 % ebenfalls zu den größten Eigentümern.In Deutschland, neben Großbritannien bevorzugtes europäisches Investitionsziel der QIA, ist Katar neben VW auch mit rund 3 % an Siemens beteiligt. Weitere europäische Investments sind in Frankreich 10 ,4 % am Hotelkonzern Accor sowie 13 % am Sport- und Medienkonzern Lagardère. Am Ölkonzern Royal Dutch Shell hält das Emirat 2 % und am britischen Einzelhändler Sainsbury 22 %. Die Katarer gelten in der Industrie als stabiler Investor – engagiert, wo im Aufsichtsrat vertreten, aber ohne den Anspruch, in das operative Geschäft eingreifen zu wollen. Anzeichen, dass die Investments des Emirats zurückgefahren werden sollen, gebe es keine, heißt es.In Italien hat Katar in den vergangenen zehn Jahren rund 6 Mrd. Euro investiert. Einen Namen machte sich die Mutter des Scheichs Al Thani, als sie vor fünf Jahren über die Holding der Herrscherfamilie, Mayhoola for Investments, die Mehrheit des Modehauses Valentino für 700 Mill. Euro übernahm. Valentino soll demnächst an die Börse gehen. Daneben beteiligte sich der Staatsfonds am Nahrungsmittelkonzern Cremonini und steckte vor allem viel Geld in den Immobiliensektor. In zwei Schritten sicherte sich die QIA über die Tochter Qatar Diar im Mai 2013 zunächst 40 % und im Februar 2015 den Rest des neuen Mailänder Architekturkomplexes Porta Nuova. Daneben kontrolliert Katar Luxushotels in Rom und Mailand, die Nobelküste Costa Smeralda in Sardinien sowie die Airline Meridiana.Neben den Staatsfonds Singapurs und Norwegens ist die QIA einer der aktivsten Immobilieninvestoren. 2014 startete sie mit dem kanadischen Fonds Brookfield Property die Übernahme der britischen Songbird, Eigentümerin des Londoner Bürokomplexes Canary Wharf. Mit einem Volumen von 10,9 Mrd. Dollar war dies die bis dato größte Immobilientransaktion in Großbritannien. Auch die Londoner Luxushotels Claridge’s und The Berkeley gehören dem Emirat über die Constellations Hotels Holding, einen auf Hotelinvestitionen spezialisierten Arm der QIA.Zuletzt interessierte sich der Staatsfonds verstärkt für IT-Investitionen und Venture Capital. Unterstützt wird die QIA dabei von Kleiner Perkins, Caulfield & Byer, einem der ersten Investoren in Amazon und Google. Unter anderem beteiligte sich die QIA 2014 an einer 1,2 Mrd. Dollar schweren Finanzierungsrunde für den Taxidienst Uber.