Scorecard

Dax-Aufsteiger zeigen Governance-Defizite

Munich Re verteidigt ihre Spitzenposition im Ranking des Investorenverbands DVFA, das Aspekte guter Unternehmensführung analysiert. Punktabzug gab es häufig für Schwächen in der Online-Hauptversammlung.

Dax-Aufsteiger zeigen Governance-Defizite

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Die Erweiterung des Dax auf 40 Werte und eine detailliertere Analyse der Ausgestaltung virtueller Hauptversammlungen prägen das neue Governance-Ranking des Investorenverbands DVFA. In Dax und MDax hat der Neuzuschnitt der Indizes den Notendurchschnitt gedrückt. Die DVFA bewertet in einer Scorecard seit 2016 jährlich die Governance-Qualität im Dax und seit 2018 auch im MDax. Unternehmen mit Sitz im Ausland wie Linde oder Airbus bleiben in der Analyse außen vor, weil sie sich nicht dazu äußern müssen, inwieweit sie die Vorgaben im Deutschen Corporate Governance Kodex einhalten.

In der Auswertung greift die DVFA allein auf öffentlich verfügbare Informationen zurück. Den Unternehmen wird ermöglicht, ein Feedback auf die Auswertung zu geben. Die DVFA hat die Scorecard als Instrument etabliert, um einen fundierten Dialog zur Umsetzung guter Governance in den Unternehmen führen zu können.

Partizipation erwünscht

Stärker hinterfragt hat der Investorenverband diesmal das Thema „Aktionäre und Hauptversammlung“, um das in Pandemiezeiten eingeführte virtuelle Format der Aktionärstreffen auf die Governance-Qualität abzuklopfen. So sei beurteilt worden, ob und in welchem Umfang auch Nichtaktionäre an der Online-Hauptversammlung teilnehmen können, ob Aktionären die Möglichkeit eingeräumt wird, während der Hauptversammlung Nachfragen an die Verwaltung zu richten oder das Unternehmen Stellungnahmen von Investoren in den Ablauf der virtuellen Veranstaltung einbezieht.

Im Ergebnis des Ranking hat Munich Re im Dax ihren Spitzenplatz verteidigt und erneut als einzige die höchste Kategorie mit dem Prädikat „hervorragend“ erreicht. Insgesamt 13 Unternehmen bekommen das Gütesiegel „sehr gut“ angeheftet, im Vorjahr fielen noch 18 von 30 Gesellschaften in diese Kategorie. Um eine Stufe auf Platz 2 hochgearbeitet hat sich die Deutsche Börse. Ein rasanter Aufstieg gelingt BMW, die von Rang 19 auf Rang 3 klettert. Ebenfalls deutlich verbessert hat sich Allianz, die sich von Platz 10 kommend nun den dritten Rang mit dem Münchener Autokonzern teilt.

Commerzbank glänzt

Volkswagen, das Schlusslicht der beiden Vorjahre, ist diesmal auf Platz 30 eingruppiert, erhält nun aber das Zeugnis „gut“ und nicht mehr nur „befriedigend“. Auf den hinteren Rängen sind mehrheitlich Dax-Aufsteiger vertreten, bis auf einen noch mit der Gesamtwertung „befriedigend“. Die rote Laterne erhält diesmal die Porsche Automobil Holding, deren Governance insgesamt mit „mangelhaft“ benotet wird.

Im MDax liegen vier Unternehmen mit der Wertung „sehr gut“ an der Spitze. Auf Platz 1 glänzt Commerzbank gefolgt von Thyssenkrupp, Lanxess und ProSiebenSat.1. Alle waren auch im Vorjahr bereits auf den vorderen Plätzen. Schlusslicht bleibt Rational, ebenfalls mit „mangelhaft“ bewertet liegt Hypoport an vorletzter Stelle. Acht MDax-Unternehmen werden nur mit „ausreichend“ eingestuft, darunter United Internet, Ströer, Varta, Auto1, Jungheinrich, Nemetschek, Bechtle sowie CTS Eventim.

Insgesamt ist sowohl für den Dax als auch für den MDax eine leichte Verschlechterung im Vergleich zur durchschnittlichen Bewertung des Vorjahres festzustellen, teilt die DVFA mit. Dies führen die Investment Professionals auf die neue Zusammensetzung der beiden Indizes zurück. Zudem habe die intensivere Analyse des Formats der virtuellen Hauptversammlung Schwächen in der Governance offenbart und zu Punktabzug geführt.

Die Dax-Unternehmen mit besonders großen Verbesserungen in ihrem Governance-Score weisen sich laut DVFA durchweg durch Qualitätssteigerungen in den Themen Vorstand und Aufsichtsrat aus. Rasante Abstiege seien dagegen nahezu durchweg ausgelöst durch Verschlechterungen im Bereich Aufsichtsrat – vor allem im Hinblick auf die Unabhängigkeit von Gremienmitgliedern, fehlende oder nicht wirksam implementierte zeitliche Regelgrenzen für die Zugehörigkeit und fehlende Altersgrenzen sowie (unbegründet) zu geringe Teilnahmequoten in Aufsichtsrats- oder Ausschusssitzungen.

In Summe bescheinigt die DVFA nur 38% der Dax-Unternehmen und lediglich 9% der MDax-Unternehmen eine „hervorragende“ oder „sehr gute“ Governance-Qualität. Um in der DVFA-Auswertung immerhin das Prädikat „gut“ zu erreichen, müssten dagegen 19% der Dax und sogar 55% der MDax-Unternehmen ihre Governance-Qualität noch teils deutlich steigern.

Pochen auf Aktionärsrechte

In der Analyse der zweiten Saison mit Online-Hauptversammlungen rechnet die DVFA den Firmen zwar positiv an, dass einige Unternehmen auch Nichtaktionären einen be­grenz­ten Einblick in den Hauptversammlungsablauf gewährt haben. Vielfach seien auch die Reden von Vorstand und Aufsichtsrat einige Tage vor dem Aktionärstreffen im Internet veröffentlicht worden, damit die Anteilseigner in ihren schriftlich einzureichenden Fragen noch darauf eingehen können. Dennoch hätten es nur sehr wenige Unternehmen ermöglicht, Stellungnahmen der Investoren zum Beispiel über Video-Botschaften in den Ablauf der Hauptversammlung einzubeziehen. Ebenso gestatteten nur sehr wenige Unternehmen den Aktionären, noch während der Versammlung Nachfragen zu stellen. Als Vorreiterin gilt hier die Deutsche Bank, die im laufenden Jahr ein interaktives Aktionärstreffen ermöglichte. Sie stieg im Ranking von Platz 15 auf Rang 10 auf.

Insgesamt scheinen die Rechte der Aktionäre auch im zweiten virtuellen Hauptversammlungsjahr noch nicht hinreichend gesichert, resümiert die DVFA. Die durchschnittlichen Be­wertungen im Themenblock ‚Aktionäre und Hauptversammlung‘ seien daher 2021 deutlich gesunken.

Aufgeholt haben die Unternehmen im Themengebiet „Vorstand“. Sehr viele Gesellschaften haben der Hauptversammlung 2021 ein neues Vergütungssystem zur Billigung vorgelegt. Dabei haben sie nach Einschätzung der Studienautoren nahezu durchweg Nachhaltigkeitselemente in der Vorstandsvergütung stärker berücksichtigt, also nichtfinanzielle Ziele, stärkere Langfristigkeit der variablen Vergütung und Clawback-Regelungen. Auch das stärkere Befolgen der Kodexempfehlung, Erstbestellungen im Vorstand auf drei Jahre zu begrenzen, habe häufig zu einem besseren Abschneiden geführt.

Beim Thema „Aufsichtsrat“ zeigen laut DVFA wie im Vorjahr einige Gesellschaften Schwächen bezüglich der Unabhängigkeit des Gremiums sowie insbesondere des Prüfungsausschusses. Weiterbildungsmaßnahmen von Aufsichtsräten würden zudem nur selten in der nötigen Breite und Tiefe vorgenommen und dargestellt. „Auch wenn die Pandemie-Situation sicher auch die Aufsichtsratsarbeit vor große Herausforderungen gestellt hat, erscheint dies vor dem Hintergrund der stetig steigenden Anforderungen an ein qualifiziertes Aufsichtsgremium dennoch erstaunlich“, meint der Investorenverband. So blieben beispielsweise auch ESG-Experten im Aufsichtsgremium weiterhin eine Seltenheit.

Auskunftsfreude zählt

Im Thema „Transparenz und Governance-Verpflichtung“ merkt die DVFA kritisch an, dass viele Unternehmen weiterhin nur eine Erklärung zu den Empfehlungen des Corporate-Governance-Kodex geben – das ist als „Comply-or-Explain“ gesetzlich vorgegeben –, sich aber nicht freiwillig zu den sogenannten „Anregungen“ im Kodex äußern. Auch der Dialog mit Stakeholdern und die Reaktion auf Governance-Kritik werde nur von wenigen Unternehmen mit Leben gefüllt. Als positives Beispiel nennt die DVFA hier indes die Neukonzeption des Vergütungssystems, die eine kleine Anzahl von Unternehmen tatsächlich in engem Austausch mit den Aktionären umgesetzt habe.

Governance-Scorecard 2021 der DVFA im Dax 40
RangUnternehmenPunkte1RangUnternehmenPunkte1
 1Munich Re91,0120Continental77,78
 2Deutsche Börse87,3621Deutsche Wohnen76,42
 3BMW85,6722Siemens75,28
 3Allianz85,6723Zalando75,00
 5BASF85,3924Henkel74,44
 6Infineon84,8325Siemens Energy73,60
 6Eon84,8326Merck73,58
 8Daimler84,5527SAP73,03
 9Deutsche Post83,4328Heidelberg Cement71,91
10Deutsche Bank82,5829Puma71,35
11Bayer81,3930Volkswagen71,11
12Vonovia80,9731Siemens Healthineers69,89
13RWE80,5632Delivery Hero69,66
14Deutsche Telekom80,3433MTU Aero Engines68,82
14Covestro80,3434Symrise67,98
16Brenntag79,2635Sartorius67,13
17Fresenius Medical Care79,2136Hellofresh60,51
18Fresenius78,6537Porsche Automobil47,44
18Adidas78,652
1) in Prozent der möglichen Punktzahl; 2) Airbus, Linde, Qiagen wegen Auslandssitz nicht berücksichtigtQuelle: DVFA Börsen-Zeitung
Governance-Bewertungder DVFA 2021 im MDax
Gesellschaften mit Sitz im Inland
RangUnternehmenPunkte*
 1Commerzbank85,96
 2Thyssenkrupp83,43
 3Lanxess81,18
 4ProSiebenSat.1 Media80,68
 5Scout2478,41
 6Knorr-Bremse78,37
 7Deutsche Lufthansa78,33
. . .
42Jungheinrich55,90
43Nemetschek55,68
44Bechtle55,62
45CTS Eventim53,98
46Hypoport48,25
47Rational43,75
*) in ProzentQuelle: DVFA Börsen-Zeitung
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