Studie zu Pensionsverpflichtungen

Dax-Konzerne haben gut vorgesorgt

Die Baby Boomer gehen nach und nach in Rente. Sie haben oft üppige Betriebsrenten angehäuft. Das, so könnte man meinen, stellt Unternehmen vor große Probleme. Doch eine Studie gibt Entwarnung.

Dax-Konzerne haben gut vorgesorgt

Dax-Konzerne haben gut vorgesorgt

Flossbach-von-Storch-Studie zu Pensionsverpflichtungen stellt börsennotierten Unternehmen gutes Zeugnis aus – Einzelne Problemfälle wie VW

Die Baby Boomer gehen nach und nach in Rente. Viele haben über Jahrzehnte gut verdient und oft üppige Betriebsrenten angehäuft. Das, so könnte man meinen, stellt Unternehmen vor große Probleme. Doch eine Studie gibt Entwarnung: Das Thema ist beherrschbar – und wird auf lange Sicht sogar weniger kritisch.

das Frankfurt/Köln

Die größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands sind bilanziell gut auf den Renteneintritt der geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge vorbereitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Vermögensverwalters Flossbach von Storch, die der Börsen-Zeitung vorab vorlag. Demnach sind im Median mehr als 80% der Pensionsverbindlichkeiten durch Kapitalanlagen in Anleihen, Aktien, Immobilien oder alternative Investments gedeckt. Im Jahr 2014 lag dieser sogenannte Ausfinanzierungsgrad erst bei etwas mehr als 60%.

„Wir waren überrascht, wie gut die Dax-Unternehmen insgesamt dastehen“, sagt Sven Ebert, der die Studie zusammen mit Kai Lehmann und Myra Gelhausen erstellt hat. Das Team habe mit mehr bösen Überraschungen gerechnet. „Reicht es für die Boomer? Da kann man klar sagen: Ja.“

Investoren können aufatmen

Die Ergebnisse der Studie sind aber nicht nur für die Rentner eine gute Nachricht, sondern auch für die Investoren der Dax-Konzerne. „Pensionsverpflichtungen waren schon immer ein großes Thema, weil sie den freien Cashflow belasten", sagt Co-Autor Lehmann. Anders gesagt: Je mehr Geld ein Unternehmen aus seinem laufenden Geschäft in die Betriebsrenten stecken muss, desto weniger bleibt für Dividenden oder Investitionen übrig. „Vor zehn Jahren war die Situation kritischer angesichts eines niedrigeren Ausfinanzierungsgrads und eines deutlich niedrigeren Rechnungszinses.“

Bedeutsam sind dabei die klassischen Betriebsrenten, also leistungsorientierte Pensionszusagen, in denen ein Unternehmen seinem Mitarbeiter einen bestimmten monatlichen Betrag beim Renteneintritt verspricht – das Geld muss in der Zukunft erwirtschaftet werden. Im Gegensatz dazu wird beim heute üblichen beitragsorientierten System ein bestimmter Betrag für den Beschäftigten angelegt; die Auszahlung hängt dann in erster Linie vom Zinssatz und den Schwankungen an den Kapitalmärkten ab.

Old Economy betroffen

„Junge Unternehmen haben von vornherein eher auf beitragsorientierte Systeme gesetzt“, sagt Lehmann. „Es ist die Old Economy, die üppige Zusagen gemacht hat.“ Flossbach von Storch hat errechnet, dass Ende 2024 die unter IFRS ausgewiesenen Pensionsverbindlichkeiten aller Dax-Konzerne bei rund 325 Mrd. Euro liegen. Im gleichen Jahr zahlten die 40 größten börsennotierten Unternehmen des Landes mehr als 16 Mrd. Euro an Betriebsrenten aus – das sind 30% mehr als im Jahr 2014. Mit den Baby Boomern, die jetzt in Rente gehen, wird diese Summe noch steigen.

Umso wichtiger ist, dass die Unternehmen vorgesorgt haben. „In Zeiten der Null- und Niedrigzinsen ist die Finanzierungslücke immer größer geworden", sagt Lehmann. „Seit der Zinswende 2022 hat sich die Lage aber deutlich entspannt, gleichwohl die Verbindlichkeiten weiterhin hoch sind.“ Aktuell finanzieren die Dax-Konzerne die Auszahlungen zu einem Viertel aus den laufenden Cashflows und zu drei Vierteln aus dem Planvermögen, also den Kapitalanlagen.

Geschäftsmodell entscheidend

Zwischen den Unternehmen gibt es aber große Unterschiede. So hat VW laut der Studie nicht einmal 40% seiner Pensionsverpflichtungen ausfinanziert und musste in der Vergangenheit drei Viertel seiner Betriebsrenten aus dem laufenden Geschäft zahlen. Mittelfristig, so die Schätzung der Flossbach-Experten, dürfte immerhin noch die Hälfte der Betriebsrenten aus dem Free Cashflow kommen. Dem gegenüber steht Siemens mit einem Ausfinanzierungsgrad von mehr als 100%.

Der Ausfinanzierungsgrad für sich genommen ist dabei nicht aussagekräftig, sondern nur in Verbindung mit dem Geschäftsmodell. „Die Allianz hat ebenfalls einen vergleichsweise niedrigen Deckungsgrad, aber das Geschäft schwankt kaum und der Cashflow ist entsprechend beständig“, sagt Ebert. Dagegen sollten Unternehmen aus zyklischen Branchen wie der Autoindustrie grundsätzlich höhere Ausfinanzierungsgrade aufweisen. „BMW, und Mercedes sind in Sachen Pensionen solide ausfinanziert“, sagt der Experte. Dagegen sei VW „sportlich“ unterwegs. „Hier scheint sich das Management im Krisenfall auf den Großaktionär Niedersachsen zu verlassen.“

„Je unsteter der Geldfluss aus dem operativen Geschäft und je weniger Zusagen ausgelagert wurden, desto genauer sollte man hinschauen“, fasst Flossbach-Experte Lehmann zusammen. Ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten erwarten die Autoren der Studie jedoch nicht. Zum einen profitierten die Unternehmen davon, dass die Bundesregierung die Wirtschaft mit der Aufnahme neuer Schulden ankurbeln will – etwa über das Infrastrukturpaket. Zum anderen habe sich der Anstieg der Lebenserwartung abgeschwächt.

Betriebsrenten verlieren an Brisanz

Obgleich die Betriebsrenten wegen der Baby-Boomer aktuell an Brisanz gewinnen – auf lange Sicht wird das Thema für die Unternehmensbilanzen weniger relevant sein. „Etwa vor 20 Jahren ist das System umgestellt worden“, sagt Ebert. „Mitarbeitende, die heute anfangen, erhalten praktisch keine leistungsorientierten Pensionszusagen mehr.“

Im vergangenen Jahr entfielen auf diese klassischen Betriebsrenten 63% aller Pensionszahlungen der Dax-Unternehmen. „In zehn Jahren dürften die Anteile für leistungs- bzw. beitragsorientierte Auszahlungen bei etwa 50/50 liegen“, erwartet Lehmann. „In 25 bis 30 Jahren ist das Thema bilanziell dann nicht mehr relevant. Das genaue Datum hängt von der Zinsentwicklung ab.“ Dagegen hätten Turbulenzen an den Finanzmärkten, wie jüngst bei Anleihen, nur einen begrenzten Effekt. „Die meisten Unternehmen managen Krisen sehr gut.“