UNTERM STRICH

Deckel drauf und Problem erledigt?

Börsen-Zeitung, 11.3.2017 Volkswagen hat es nicht nur geschafft, mit Software zur Abgasmanipulation sauberere Autos vorzutäuschen, sondern jetzt auch in der Vergütung seines Aufsichtsrats den Eindruck von Bescheidenheit zu vermitteln - obwohl das...

Deckel drauf und Problem erledigt?

Volkswagen hat es nicht nur geschafft, mit Software zur Abgasmanipulation sauberere Autos vorzutäuschen, sondern jetzt auch in der Vergütung seines Aufsichtsrats den Eindruck von Bescheidenheit zu vermitteln – obwohl das Gegenteil der Fall ist. Von “Weniger Geld für VW-Aufsichtsrat” (Süddeutsche Zeitung) bis “Auch die Aufsichtsräte bekommen weniger” (Handelsblatt) lauteten am Freitag die Schlagzeilen zur veränderten Vergütung, die der Aufsichtsrat (AR) in Wolfsburg Ende Februar in eigener Sache beschlossen hatte. AR erfreut sich am FestgehaltFakt ist: Die Vergütung der VW-Aufsichtsräte wird sich durch die Einführung von Fixgehältern gegenüber 2015, dem “Dieselskandaljahr”, vervielfachen. Denn damals waren, neben einer bescheidenen Fix-Vergütung vor allem aus Sitzungsgeldern, die Leistungen an die Aufsichtsräte an die Dividendenhöhe gekoppelt. Da VW die Dividende für 2015 auf 0,11 Euro je Stamm- und 0,17 Euro je Vorzugsaktie zusammenstrich und nur noch 67,5 Mill. Euro nach 2,3 Mrd. Euro im Jahr zuvor ausschüttete, glichen die Aufsichtsratsvergütungen Erinnerungsposten: Von üppigen 12,1 Mill. Euro Gesamtvergütung des Jahres 2014, von denen allein 1,5 Mill. Euro auf den damaligen AR-Chef Ferdinand Piëch entfielen, blieben für 2015 nur noch knapp 700 000 Euro für das ganze 20-köpfige Gremium. Dank der Fixgehälter kann nun allein der AR-Vorsitzende einschließlich Ausschussarbeit wieder auf 500 000 Euro Vergütung kommen, möge es Volkswagen gehen, wie es wolle.Es ist zwar nicht zu vermuten, dass die 2015er Volatilität bei den Aufsichtsräten der Familien Porsche und Piëch und den Abgesandten aus Katar Existenzängste ausgelöst hat und die Hans-Böckler-Stiftung, die nach den DGB-Richtlinien die Tantiemen der Gewerkschaftsvertreter im AR vereinnahmt, nun von Finanzierungssorgen geplagt wird. Aber gerne kräftig zugelangt – finanziell und auch anderweitig – haben VW-Aufsichtsräte schon immer. Insofern ist es im Grunde absolut richtig, die Vergütung der Aufsichtsräte auf Dax-üblichem Niveau fix zu vereinbaren und nicht an so zweifelhafte Erfolgsparameter wie die Dividende zu binden. Gerade in schwierigen Zeiten ist der AR in besonderer Weise gefordert, auch zeitlich. Im Falle VW wurde er für das Jahr 2015 völlig unangemessen vergütet, wie umgekehrt zuvor in den guten Jahren.Wie so oft geht es aber auch hier um Timing und Transparenz. Dass eine solch grundlegende Änderung in der AR-Vergütung via Bild-Zeitung die Öffentlichkeit erreicht, ist das eine, der Spin der Geschichte als “Verzicht” das andere. Gerade in einem Konzern, dessen AR sich zuletzt durch zwar legale, aber ansonsten höchst zweifelhafte Vergütungspraktiken (Winterkorn, Pötsch, Hohmann-Dennhardt) nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl angebracht.Aber die Lernkurven sind in Wolfsburg traditionell flach. AR-Chef Wolfgang Pötsch hatte sich seinen Wechsel vom Vorstand in den AR im Oktober 2015 mit fast 20 Mill. Euro versüßen lassen, obwohl Aktionäre ihm die zu späte Information der Öffentlichkeit über die Dieselaffäre vorwerfen. Und die kürzliche Neuregelung der Vorstandsbezüge mit Deckelung auf 10 Mill. Euro per annum für den Vorstandsvorsitzenden und 5,5 Mill. Euro für andere Vorstandsmitglieder ist eine Farce, solange an den völlig überzogenen Altersbezügen nichts geändert wird, die immer noch auf bis zu 50 % des Festgehalts steigen können.Diese Vergütungsexzesse unter anderem im VW-Konzern hatte Friedrich Merz im Kopf, als er vor wenigen Tagen beim Finanzplatztag der Börsen-Zeitung vor der “politischen Sprengkraft” solchen Fehlverhaltens warnte und diese Praktiken als “Beitrag zur Zerstörung der Marktwirtschaft von innen” brandmarkte (vgl. BZ vom 8. März). Der Deutschland-Chairman von BlackRock und frühere CDU-Politiker weiß um die Stimmungslage in Berlin und die Eigendynamik politischer Diskussionen, zumal in Wahlkampfzeiten. Erst in der zurückliegenden Woche hat die SPD-Bundestagsfraktion einem Gesetzesentwurf zur Begrenzung von Managergehältern zugestimmt, der einerseits die Deckelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf 500 000 Euro pro Jahr und Vorstandsmitglied vorsieht und andererseits die Zustimmung der Hauptversammlung zu einer vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Relation von Vorstandsgehalt und durchschnittlichem Arbeitnehmereinkommen im Unternehmen.Der Versuch staatlicher Regelung von Vorstandsgehältern, der nicht nur bei der SPD, sondern auch in Teilen der CDU Anhänger hat, ist zwar ein systemwidriger Eingriff in unser marktwirtschaftliches System und auch steuerpolitisch völlig daneben, wenn nicht sogar verfassungswidrig. Aber die Ignoranz mancher Aufsichtsräte hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Folgen ihrer Vergütungsbeschlüsse macht nicht weniger sprachlos als die staatlichen Einmischungsversuche. Eine Mitverantwortung tragen aber auch die institutionellen Investoren, zu denen neben den großen deutschen Fondsgesellschaften auch hierzulande vor allem BlackRock zählt. BlackRock schaut zuDer amerikanische Assetmanager ist – wie bei vielen Dax-Unternehmen – auch bei der Deutschen Börse größter Aktionär, wo er zwar nicht im Aufsichtsrat sitzt, aber seinen Einfluss geltend zu machen weiß. Doch jene abenteuerliche Lex Kengeter, mit der der Deutsche-Börse-Aufsichtsrat verschleiern wollte, mit welch dickem zweistelligen Millionen-Paket man den Londoner Investmentbanker an den Main gelockt hatte, um die Fusion mit der Londoner Börse zu managen, hat auch BlackRock nicht verhindert. Dass Kengeter nun über den eigens für ihn gestrickten Co-Performance-Investment-Plan stolpern könnte, weil die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Zusammenhang mit seinem Aktieninvestment wegen des Verdachts auf Insiderhandel ermittelt, mag man als Ironie des Schicksals betrachten. Den politischen Drang, Vorstandsbezüge in ein Korsett zu packen, wird das nicht bremsen – im Gegenteil.—-c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringEine gesetzliche Begrenzung der Vorstandsbezüge ist die falsche Antwort auf Vergütungsexzesse. Der Aufsichtsrat ist gefragt.——-