Deere legt sich Wirtgen für 5 Mrd. Dollar zu

Deutsches Familienunternehmen geht in US-Landtechnikkonzern auf - Amerikaner wetten auf wachsende Infrastrukturinvestitionen

Deere legt sich Wirtgen für 5 Mrd. Dollar zu

Der Straßenbaumaschinenhersteller Wirtgen aus Rheinland-Pfalz wird für 4,6 Mrd. Euro an den Traktor- und Baumaschinenproduzenten Deere verkauft. Die bisher in den Händen der Eigentümerfamilie liegende Gruppe setzt mit 8000 Beschäftigten in mehr als 100 Ländern rund 2,6 Mrd. Euro um.wb Frankfurt – Die rheinland-pfälzische Familie Wirtgen hat ein Problem: wohin mit 4,4 Mrd. Euro? Diese Schwierigkeit hat sich der Clan selbst eingebrockt, denn er verkauft sein Unternehmen nach Amerika. Deere & Co., Weltmarktführer in der Landmaschinentechnik, legt sich in seinem bisher größten Deal überhaupt das deutsche Familienunternehmen Wirtgen für 5,2 Mrd. Dollar zu. Es ist der nach 1&1 und Stada größte angekündigte M & A-Deal mit deutschem Ziel in diesem Jahr. Deere (Börsenwert: 38,6 Mrd. Dollar) wettet damit auf das Infrastrukturgeschäft. Es ist laut Dealogic die achtgrößte Akquisition eines deutschen Unternehmens durch Amerikaner bisher.Der Transaktion liegt eine Bewertung von Wirtgen (Eigenkapital plus Nettofinanzposition) in Höhe des 9-fachen für 2017 veranschlagten operativen Ergebnisses (Ebitda) zugrunde. Nach Realisierung der Synergien (Run Rate), die mit 100 Mill. Euro auf Sicht von fünf Jahren erwartet werden, soll das Multiple bei 7,9 liegen. Vom Enterprise Value über 5,2 Mrd. Dollar entfallen 4,4 Mrd. Euro auf den Übernahmepreis, hinzu kommen in geringem Umfang Schulden. Das 1837 von John Deere in Illinois gegründete Unternehmen finanziert aus vorhandenen Barmitteln, aus der Rückzahlung eines Intercompany Loan der Finanzsparte und neuen Schulden bis zu 1 Mrd. Dollar. Deere wird von der Citi sowie Linklaters und Kirkland & Ellis beraten. Den Abschluss erwarten beide Seiten bis Ende Januar 2018. Das Plazet der Wettbewerbshüter steht noch aus.Wirtgen ist ein Unternehmensverbund der Baumaschinenindustrie mit den traditionsreichen Produktmarken Wirtgen, Vögele, Hamm, Kleemann und Benninghoven. Angeboten werden Maschinen für Straßenbau und Instandsetzung, Anlagen für Gewinnung und Aufbereitung von Nutz- und Recyclingmaterial sowie für Asphaltherstellung. Es geht um den Kreislauf Aufbereiten, Mischen, Einbauen, Verdichten und Sanieren. Im vorigen Jahr wurden 2,6 Mrd. Euro umgesetzt. Die Ebit-Marge wird 2017 bei 15 % erwartet. Verkauf nach 56 Jahren1961 startete Reinhard Wirtgen mit kleinen Transportaufträgen und der Entwicklung von Betonzertrümmerern für den Straßenbau in einer Werkstatt in Windhagen. Systematisch erweiterte er die Flotte an eigenen Fräsen bis auf 100 Großmaschinen. Tagebau und Trassierung von Hartgestein, Kaltrecycling, Gleitschalungsfertiger kamen hinzu. 1997 übernahmen Jürgen und Stefan Wirtgen die Leitung. Es wurden der Straßenfertigerhersteller Joseph Vögele aus Mannheim (bis 2002 börsennotiert) übernommen und der Walzenhersteller Hamm. 2014 wurde mit Benninghoven ein Hersteller von Asphaltmischanlagen gekauft.Die Gruppe stehe “weltweit für führende, innovative Technologien, marktführende Produkte und eine konsequente Fokussierung auf ihre Kunden”, lässt sich Stefan Wirtgen als geschäftsführender Gesellschafter zitieren. Man habe Deere ausgewählt, weil der Konzern am langfristigen Erfolg von Wirtgen interessiert sei. Die Bewertung sprechen Familie und Unternehmen in ihrer Mitteilung nicht an. Deere plane, Marken, Management, Produktionsstandorte, Belegschaft, sowie das Vertriebs- und Servicenetz von Wirtgen zu erhalten.Marktposition und langjährige Kundenbeziehungen sowie die hohe Wertschöpfung machten Wirtgen für Deere interessant. “Gerade vor der strategischen Zielsetzung, dass Deere seine Position in Construction & Forestry ausbaut”, sagt Chairman und CEO Samuel Allen. Die Ausgaben für Projekte in Straßenbau und Verkehr wüchsen schneller als die Baubranche insgesamt und seien tendenziell weniger zyklisch. Weltweit seien in Infrastruktur Neubau und Instandsetzung von Straßen und Autobahnen entscheidend. Starke NachfrageDurch den Zukauf werde Deere mehr Kunden, Märkte und Regionen erreichen, sagte Konzernchef Samuel Allen. Deere hat weltweit mehr als 50 000 Beschäftigte und setzte im vorigen Turnus 26,6 Mrd. Dollar um. Rivalen sind die Fiat-Abspaltung CNH, Caterpillar und Agco. Hierzulande hatte Deere 1956 Heinrich Lanz in Mannheim erworben. Investoren sind unter anderen Warren Buffett und Bill Gates.Deere profitiert derzeit von starker Nachfrage und einer deutlichen Erholung der Landmaschinenverkäufe in Südamerika. Im Quartal von Februar bis April wurden 802 Mill. nach 495 Mill. Dollar im Vorjahr verdient. Die Erlöse legten um 5 % auf 8,3 Mrd. Dollar zu. Für 2017 prognostiziert der Konzern ein Plus in Umsatz und Ertrag von 9 % und einen Gewinn von 2 Mrd. Dollar.