IM INTERVIEW: GUILLAUME FAURY, AIRBUS

"Der Flugverkehr wird nicht zusammenbrechen"

Airbus-Chef setzt auf weiterhin offene EU-Grenzen

"Der Flugverkehr wird nicht zusammenbrechen"

Herr Faury, wie ist Airbus auf die zweite Welle, auf die neuen Lockdowns vorbereitet?Im Gegensatz zum Frühjahr sind wir diesmal vorbereitet. Wir haben während der ersten Welle in einer Notsituation eine Reihe von Vorkehrungen getroffen und sie seitdem kontinuierlich verfeinert. Wir haben die Maßnahmen im Sommer nicht wieder zurückgedreht, im Gegenteil: Wir haben sie eher verstärkt. Produktionsunterbrechungen wie im Frühjahr sind also nicht notwendig?Wir denken nein. Im Frühjahr haben wir die Produktion unterbrochen, um die neue Art zu arbeiten in unsere Arbeitsabläufe zu integrieren, um eine ganze Reihe an Sicherheitsvorkehrungen zu etablieren. Und die Auslieferungen, finden die jetzt wieder virtuell statt?Die Regierungen haben uns versichert, dass sie den besten Kompromiss zwischen der Vermeidung von sozialen Kontakten, die zur Verbreitung des Virus beitragen können, und der Sicherstellung, dass Unternehmen weiterarbeiten können, garantieren wollen. Für das vierte Quartal erwarten Sie einen zumindest ausgeglichenen Free Cash-flow. Sind in dieser Prognose die strengen Ausgangssperren in Frankreich integriert?Wir denken, dass unsere Vorhersage im Hinblick auf die in Europa getroffenen Maßnahmen robust ist. Aber wir haben natürlich eine Situation, die so noch nie dagewesen ist. Deshalb haben wir einen Disclaimer eingefügt. Angesichts der ganzen Volatilität und Risiken müssen wir vorsichtig bleiben, aber wir sind verhalten optimistisch, dass unsere Ambition in dem heutigen Umfeld zu halten ist. Wie wird sich die Produktion entwickeln, wenn der Lockdown länger als erwartet dauert?Wir haben unsere Produktion schon während der ersten Welle angepasst. Die Situation jetzt ist viel weniger disruptiv als damals. Seinerzeit waren wir nicht vorbereitet. Trotzdem haben wir die Produktion dann wieder in Gang gebracht und sogar mehr produziert, als wir ausliefern konnten. Wir haben einen signifikanten Bestand, den wir nach und nach abarbeiten. Ich bin nicht sehr besorgt, was die Produktionskapazität angeht. Der zweite Lockdown jetzt ist sehr viel mehr an die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst. Aber der Flugverkehr droht nun erneut zusammenzubrechen.Ich glaube nicht, dass er zusammenbrechen wird. Er wird zurückgehen, aber nicht zusammenbrechen, denn es ist explizit gesagt worden, dass die innereuropäischen Grenzen offen bleiben und dass Tests für Reisende eingerichtet werden. Das ist etwas, was wir uns wirklich wünschen, dass das systematische Testen von Reisenden vorgenommen wird. Ist es nicht zu optimistisch, weiterhin davon auszugehen, dass der Flugverkehr zwischen 2023 und 2025 zu seinem Niveau von 2019 zurückkehren wird?Wir beobachten die Situation ständig. Die Erholung des Flugverkehrs hängt von einer Rückkehr zur Normalität ab, die wiederum darauf basiert, dass ein Impfstoff kommen wird. In den letzten sechs Monaten hat sich die Situation zwar kurzfristig deutlich verschlechtert, aber gleichzeitig sind Impfstoffe in großer Menge und früher als gedacht wahrscheinlicher geworden. Deshalb glauben wir nach wie vor, dass der Flugverkehr zwischen 2023 und 2025 zum Niveau von 2019 zurückkehrt. Was Kostenreduzierungen angeht, haben Sie mal gesagt, dass die Produktion vielleicht zu zersplittert sei.Die Anzahl der Standorte ist nicht das Thema. Man muss bei jedem Standort versuchen, die Fixkosten zu senken. Wir brauchen unsere Produktionskapazitäten aber, um wieder durchstarten zu können. Wir rechnen mit einer Erholung der Produktion und der Auslieferungen ab 2021/2022, für die Widebodys später. Boeing hat gerade weitere Stellenkürzungen als ursprünglich geplant angekündigt. Schließen Sie so etwas aus?Wir haben einen Plan angekündigt, der dem Produktionsniveau von Rate 40 bei der A320-Familie, Rate 5 bei der A350 und Rate 2 bei der A330 entspricht. Da hat sich nichts geändert, wir denken, dass wir so gut aufgestellt sind. Als Unternehmenschef ist es aber momentan sehr schwierig, irgendetwas auszuschließen. In der Vergangenheit war schon einmal der Verkauf von Premium Aerotec und ein Tausch der Beteiligung an ATR gegen eine höhere Beteiligung an MBDA angedacht. Könnten beide jetzt zur Disposition gestellt werden?Diese Themen stehen heute nicht auf der Tagesordnung. Das Interview führte Gesche Wüpper.