CFO-InterviewThomas Toepfer, Airbus

„Der Raumfahrtsektor in Europa ist zu zersplittert“

Airbus hält trotz geopolitischer Risiken an der Prognose fest. Der Konzern will 2025 das operative Ergebnis um 30% auf 7 Mrd. Euro steigern. Laut CFO Thomas Toepfer seien die Mehrbelastungen bislang „beherrschbar“. In der Raumfahrt setzt er auf Kooperation.

„Der Raumfahrtsektor in Europa ist zu zersplittert“

Im Interview: Thomas Toepfer

„Der Raumfahrtsektor in Europa ist zu zersplittert"

Airbus-CFO bekräftigt Jahresprognose – Risikofaktor Zölle bisher „beherrschbar“ – Auftragseingang für Rüstung auf Rekordhöhe

Airbus hält trotz geopolitischer Risiken an der Prognose fest. Der Konzern will 2025 das operative Ergebnis um 30% auf 7 Mrd. Euro steigern. Sollten die Zölle gleich bleiben, wäre dies erreichbar, sagt CFO Thomas Toepfer. Bislang seien die Mehrbelastungen durch Zölle „beherrschbar“. In der Raumfahrt setzt er auf Kooperation.

Herr Toepfer, die Risiken für die Luftfahrtindustrie nehmen zu. Wie wirkt sich das auf Airbus aus?

Airbus ist operativ gut in das Jahr gestartet. Die Lieferkette hat sich insgesamt deutlich verbessert und wir sind auf einer guten Spur, um unsere Ziele zu erreichen. Das heißt aber nicht, dass alle Herausforderungen aus dem Weg geräumt sind. Vor allem bei Triebwerken und der Kabinenausstattung gibt es Nachholbedarf, gerade bei CFM, Pratt & Whitney und Business-Class-Sitzen. Deshalb sitzen wir kurzfristig auf sogenannten Glidern, also Flugzeugen, bei denen nur noch das Triebwerk fehlt.

Dazu kommt nun verstärkt das geopolitische Umfeld.

Richtig. Im Jahr 2025 sind Themen dazu gekommen, die wir so vorher nicht auf dem Radar hatten, etwa die US-Strafzölle. Das bringt mehr Unsicherheit.

Wie wirken sich die US-Strafzölle aus?

Die direkten Auswirkungen der bisherigen Zölle sind für uns beherrschbar, sofern sie auf dem jetzigen Niveau bleiben.

Kann Airbus denn dann den Ausblick für 2025 halten?

Unsere Prognose bleibt unverändert. Solange sich die Dinge nach dem 9. Juli, wenn die Zölle in Kraft treten, nicht wesentlich verschlechtern, wäre das beherrschbar. Dann wären wir auf einem guten Weg, unsere Ziele für das laufende Jahr zu erreichen.

Wie hoch wären die Zollbelastungen für Airbus, wenn man von einem beherrschbaren Szenario ausgeht?

Unter der Annahme, dass die Zölle unverändert bleiben, würden die finanziellen Auswirkungen innerhalb der normalen Grenzen dessen liegen, was wir als Schwankung in unseren Finanzergebnissen bezeichnen würden. Insgesamt können wir das noch gut verarbeiten.

Wie bereiten Sie sich auf einen möglichen Anstieg der Zölle vor?

Es ist schwer, sich vorzubereiten. Was gut für uns ist, dass wir von der Produktion her sehr global aufgestellt sind. Wir sind stark in den USA, in China und natürlich in Europa vertreten. Wir versuchen außerdem stärker als in der Vergangenheit sicherzustellen, dass wir nicht von einzelnen Lieferanten abhängig sind, sondern jedes Teil von mindestens zwei Zulieferern beziehen, idealerweise aus zwei unterschiedlichen Regionen.

Auftragseingang auf Rekordhöhe

Wie wirken sich die Zölle auf Ihre Zulieferer aus?

Im Augenblick sehen wir nicht, dass die Zulieferkette wegen den Strafzöllen aus dem Tritt gerät. Allerdings müssen wir teilweise Zölle zahlen, teilweise unsere Zulieferer. Aber insgesamt ist das System in der Lage, mit dieser Herausforderung umzugehen.

Die Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Länder steigen deutlich. Wie wirkt sich das auf Airbus aus?

Es ist noch zu früh für Umsatzprognosen. Aber man sieht es am Auftragseingang, da erzielen wir so hohe Werte wie noch nie. Wir bekommen gerade viele Anfragen von europäischen Verteidigungsministerien, welche Produkte wir in welcher Geschwindigkeit bis 2029 liefern können. Im Vergleich zu Munitionsherstellern dauert es aber, bis sich das in unserem Umsatz niederschlägt.

Was bedeutet das auf lange Sicht für die Umsatzstruktur von Airbus?

Der Umsatz der Sparte Defence and Space wird sich graduell nach oben verschieben, aber das wird sich nicht kurzfristig in unseren Zahlen zeigen.

Ist dadurch mit einer tendenziell höheren Marge von Airbus zu rechnen?

Unser Ziel ist, bei Defence and Space mittelfristig eine mittlere bis hohe einstellige Marge zu erreichen. Die Sparte liegt momentan noch unter dem Konzerndurchschnitt. Das liegt nicht an den Neugeschäften, sondern daran, dass wir noch immer dabei sind, die Vergangenheit zu verdauen, vor allem Belastungen im Raumfahrtgeschäft. Wenn das bewältigt ist, wird sich die Sparte dem Niveau des Gesamtkonzerns in Bezug auf das Ebit annähern.

Also ist die Marge von Defence and Space dann jetzt niedrig einstellig?

Letztes Jahr war sie wegen den Abschreibungen sogar negativ. Wenn Sie das rausrechnen wäre die Marge niedrig bis mittel einstellig. Unsere Ambition ist, bis 2028 ein Ebit von mehr als 1 Mrd. Euro bei Defence and Space zu erzielen.

Ist das Rüstungsgeschäft tendenziell nicht ganz so profitabel wie das kommerzielle Flugzeuggeschäft?

Im Verteidigungsbereich haben wir Aufträge im Portfolio, die den Margenzielen noch nicht genügen, etwa im Satellitenbereich. Diese Aufträge arbeiten wir über die Zeit ab, aber das zieht sich noch hin, teilweise fünf Jahre. Strukturell gibt es keinen Grund, dass der Rüstungsbereich weniger Marge abwirft als der zivile Flugzeugbereich.

Arbeiten am Turnaround

Wie ist es denn jetzt um Ihr Sorgenkind, das Satellitengeschäft, bestellt?

Wir haben aufgrund der finanziellen Belastungen eine umfassende Evaluierung durchgeführt und die Probleme bei Space Systems identifiziert. Jetzt arbeiten wir systematisch an einem Turn-Around. Das ist unsere Priorität und wir sehen bereits erste positive Ergebnisse. Nur wenn wir uns intern adäquat aufstellen, kann sich Airbus auch auf europäischer Ebene entsprechend einbringen, um die Raumfahrt insgesamt zukunftsfähiger zu machen. Hierzu führen wir Sondierungsgespräche mit Thales und Leonardo. Der Raumfahrtsektor in Europa ist zu zersplittert, das beeinträchtigt unsere Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf den globalen Wettbewerb. Deshalb glauben wir, dass eine stärkere Zusammenarbeit der verschiedenen europäischen Akteure genau die Antwort ist, die übrigens auch im Draghi-Report gefordert wird.

Es gab bereits Spekulationen, dass die Gespräche scheitern, weil sie so lange dauern.

Wir machen gute Fortschritte, aber es darf nicht überraschen, dass eine solche Transaktion sehr komplex ist. Deshalb dauert es, bis man zu einer Einigung kommt. Aber im Augenblick sind wir optimistisch, dass uns das gelingen kann.

Warum ist das so komplex?

Weil Gespräche mit drei verschiedenen Playern auf europäischer Ebene geführt werden und eine Due Diligence einfach ihre Zeit dauert. Das ist nicht trivial. Ziel muss aber schon sein, vor Ende des Jahres zu einer Entscheidung zu kommen.

Wie läuft denn der Umbau des Satellitengeschäfts? Kommen neue Abschreibungen?

Das glauben wir nicht, auch wenn es in unserem Geschäft aufgrund vieler Faktoren immer kleinere negative und kleinere positive Überraschungen geben kann.

Und beim Militärtransporter A400M?

Der A400M war in der Vergangenheit immer wieder Cash-negativ. Wir werden 2025 beim A400M erstmals cash-neutral sein, nach Jahren der Liquiditätsabflüsse. Von 2026 an wird das Programm positive Ergebnisbeiträge liefern. Die Zeiten der hohen Belastungen sind vorüber.  Deshalb sind wir erstmal zufrieden.

Auch wenn keine neuen Exportkunden dazukommen?

An möglichen Exporten arbeiten wir und haben auch etliche Eisen im Feuer. Wir sind zunächst einmal froh darüber, dass Frankreich und Spanien einige ihrer Flugzeugauslieferungen vorgezogen haben. Das bringt Stabilität in unser Orderbuch in den kommenden Jahren. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass auch genügend Aufträge 2029 und in den Folgejahren kommen, damit wir die Produktionsrate von acht Maschinen pro Jahr, die wir für notwendig halten, halten können. Aber da sind die Zeichen positiv, dass gerade die europäischen Nationen die strategische Bedeutung der A400M erkennen und ihren Beitrag leisten, das Programm fortzusetzen.

Kooperation in der Raumfahrt

Sehen Sie andere Möglichkeiten für Kooperationen im Rüstungsgeschäft?

Die offensichtlichste besteht im Raumfahrtgeschäft. Langfristig muss sich Europa jedoch fragen, ob es nicht insgesamt zu viele Plattformen im Rüstungsgeschäft gibt, etwa beim Luftkampfsystem der sechsten Generation und Panzern.

Vor 13 Jahren wollte Airbus mit BAE Systems zusammengehen, doch das Projekt ist damals gescheitert. Gibt es jetzt eine neue Chance für einen zweiten Anlauf?

Das Scheitern damals hatte ganz spezielle Gründe. Die geopolitische Situation hat sich seitdem massiv geändert, genau wie das Wettbewerbsumfeld. Nehmen Sie das Raumfahrtgeschäft: Da ist jetzt in den USA ein neuer starker Wettbewerber am Start, den wir so vor 13 Jahren noch nicht hatten. Wenn man von Konsolidierung spricht, muss man sich ja immer den relevanten Markt anschauen.

Ist das ein Plädoyer für einen neuen Anlauf?

Ganz klar nein. Die Situation hat sich weiterentwickelt.

Die Politik von US-Präsident Donald Trump droht, den Dollar zu schwächen. Welche Folgen hat das für Airbus?

Für uns spielt der Dollar eine große Rolle, da wir einen großen Teil unserer Umsätze in Dollar machen, aber nicht alle Kosten in Dollar anfallen. Das natürliche Hedging ist wichtig für uns, also in Dollar denominierte Kosten, amerikanische Zulieferer oder Verträge in Dollar. Damit decken wir einen Großteil der Exponierung ab. Den verbleibenden Teil versuchen wir mittelfristig mit Kontrakten zu hedgen.

Wie gut sind Sie jetzt konkret gegen eine Kursverfall des Dollar abgesichert?

Kurzfristig haben wir für 2025 eine gute Visibilität. Für 2025, 2026 und guten Teilen von 2027 haben wir unsere Hedging-Quoten schon gut erreicht. Klar, wenn der Dollar langfristig schwach bleibt, dann müssen wir weiter an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.

Stellt Airbus die US-Standorte wegen der Politik Trumps in Frage?

Nein. Die USA sind für uns ein wichtiger Markt mit vielen Standorten und mehr als 5.000 Beschäftigten. Ein wichtiger Standort ist Mobile in Alabama mit bald drei Endmontagelinien – eine für die A220 und ab 2026 eine zweite für die A320-Familie. Auch für Hubschrauber haben wir wichtige Standorte in den USA. All das hilft uns jetzt eher.

Komplexes Dollar-Hedging

Ist der Dollar-Kurs derzeit eher günstig für Airbus?

Wir beziehen keine Position, ob der Dollar-Kurs ungünstig ist oder nicht. Es ist schwer zu sagen, wohin sich der Dollar-Kurs entwickeln wird. Für uns ist Verlässlichkeit wichtig.

Wie wirkt sich der Dollar-Kurs auf Ihre Zulieferer aus?

Für uns ist das Wichtigste, auch bei diesem Thema immer eng an allen Zulieferern dran zu sein, egal ob groß oder klein. Dadurch bekommen sie von uns Visibilität. In ganz wenigen Fällen gibt es finanzielle Probleme.

Für die Übernahme von Teilen des Zulieferers Spirit Aerosystems bekommt Airbus jetzt eine höhere Mitgift als ursprünglich geplant.

Spirit liefert zwei wichtige Arbeitspakete für das A220- und das A350-Programm. Deshalb wollten wir nicht, dass Boeing dafür die Verantwortung bekommt, wenn sie Spirit übernehmen. Der Umfang dessen, was wir jetzt kaufen, ist nochmal größer geworden, weil auch Prestwick dazugekommen ist. Die Arbeitspakete schreiben Verluste, deshalb bekommen wir eine Kompensierung von 439 Mio. Dollar.

Was macht Airbus, um die Verluste zu stoppen?

Wir haben bereits mehrere Dutzend Beschäftigte an die Standorte entsandt, um Verbesserungen anzustoßen, vor allem nach Kinston in North Carolina und nach Belfast in Nordirland.

Wann wird die Übernahme abgeschlossen?

Das Closing ist für das dritte Quartal geplant. Danach müssen wir die IT-Systeme übernehmen, Investitionen tätigen, das Qualitätsmanagement neu aufsetzen. Zur Zeit gibt es sehr viele Nacharbeiten. Die Integration wird Zeit brauchen. Normalerweise dauert so etwas zwei Jahre.

Ende des Jahrzehnts steht auch die Entscheidung über den A320-Nachfolger an. Wir bereiten Sie das vor?

Wir arbeiten jetzt an den zentralen Technologiebausteinen, an Fragen, welche Art von Triebwerken er bekommen soll, ob die Flügel klappbar sein sollen oder nicht, welches Material für die Kabine und welches industrielles Design. Ziel ist, noch mal 20% bis 30% weniger Treibstoffkosten im Vergleich zum A320neo zu ermöglichen.

Wasserstoffflugzeug verzögert sich

Von welchem Zeitrahmen sprechen wir?

Die Technologiebausteine sollen Ende des Jahrzehnts stehen, um eine Indienststellung in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts zu erreichen.

Frühere Programme haben rund 10 Mrd. Dollar gekostet. Wie teuer wird der A320-Nachfolger?

Das hängt von den Technologien ab. Aber wenn die Technologien für einen Quantensprung sorgen, lohnen sich die Entwicklungskosten. Wir können uns das leisten.

Das 2020 für 2035 angekündigte Wasserstoffflugzeug ist aber verschoben worden.

Wir setzen unsere Bemühungen zu dem Thema unvermindert fort. Aber wir mussten erkennen, dass das Ökosystem um uns herum noch nicht so entwickelt ist, wie wir es erhofft hatten. Deshalb war unser Zeitplan nicht einzuhalten. Die Entwicklung eines Wasserstoffflugzeugs wird länger dauern als ursprünglich gedacht. Es dürfte erst in den 40ern kommen.

Sie haben gerade ihre Ausschüttungsquote angehoben, aber Aktienrückkäufe derzeit eher ausgeschlossen.

Grundsätzlich schließen wir Aktienrückkäufe nicht aus, aber diese Programme laufen meistens über mehrere Jahre. Dafür brauchen wir Sichtbarkeit und die haben wir derzeit nicht. Wir sind aber bemüht, die Rendite für unsere Aktionäre zu steigern.

Wie entwickelt sich Ihre Dividendenpolitik?

Wir wollen ein nachhaltiges Dividendenwachstum anstreben. Daher werden wir die obere Grenze der Ausschüttungsquote für Dividenden von derzeit 30% bis 40% auf 30% bis 50% erhöhen.

Das Interview führten Gesche Wüpper und Stefan Kroneck.

Airbus hält trotz geopolitischer Risiken an der Prognose fest. Der Konzern will 2025 das operative Ergebnis um 30% auf 7 Mrd. Euro steigern. Sollten die Zölle gleich bleiben, wäre dies erreichbar, sagt CFO Thomas Toepfer. Bislang seien die Mehrbelastungen durch Zölle „beherrschbar“. In der Raumfahrt setzt er auf Kooperation.

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