PERSONEN - ZF FRIEDRICHSHAFEN UND KNORR-BREMSE IM BIETERKAMPF

Der Stratege und sein Meister

Von Isabel Gomez, Stuttgart Börsen-Zeitung, 17.9.2016 Dass die Übernahme des schwedischen Lkw-Bremsenherstellers Haldex ein so schweres Stück Arbeit werden würde, hatte ZF-Vorstandschef Stefan Sommer (53) sicher nicht erwartet. Im Vergleich zu dem...

Der Stratege und sein Meister

Von Isabel Gomez, StuttgartDass die Übernahme des schwedischen Lkw-Bremsenherstellers Haldex ein so schweres Stück Arbeit werden würde, hatte ZF-Vorstandschef Stefan Sommer (53) sicher nicht erwartet. Im Vergleich zu dem Wettkampf, den er derzeit mit dem Mitbieter Knorr-Bremse austrägt, und dem öffentlichen Wirbel, den die Übernahmeschlacht verursacht, war der Kauf des US-Wettbewerbers TRW im vergangenen Jahr – immerhin für 12,4 Mrd. Dollar und damit fast das Zwanzigfache des derzeitigen ZF-Angebots für Haldex – ein entspannter Spaziergang.Das Wort entspannt ist recht passend, wenn es um Stefan Sommer geht. Er gilt als kühler Kopf, als besonnener Stratege, kein Freund lauter Worte, keiner, der Hektik verbreitet. Seit Mai 2012 steht der gebürtige Münsteraner an der Spitze von ZF – und er ist mit einer klaren Mission angetreten. “Wir müssen groß und mächtig sein”, begründete er einst die TRW-Akquisition. Er baut den Konzern seit seinem Amtsantritt konsequent um und hat ihm einen neuen Fokus verpasst: die Ausrichtung auf vernetztes und autonomes Fahren. Groß und mächtig bedeutet für ihn, in allen Tätigkeitsfeldern zu den größten Anbietern zu gehören, auch im neu aufgebauten Geschäft mit Nutzfahrzeugen. Für Sommer steht fest, dass nur große, breit aufgestellte Zulieferer der Autoindustrie eine rosige Zukunft haben. Mit der TRW-Übernahme hat er ZF auf einen Schlag in die Top 3 der globalen Zulieferer katapultiert und einen neuen Geschäftsbereich dazugekauft – die für das autonome Fahren wichtige Sicherheitstechnik.Die Übernahme von Haldex soll nun dafür sorgen, dass auch das Angebot für autonome Lkw komplettiert wird. Dabei steht Sommer privat weniger auf Nutzfahrzeuge denn auf schnittige Sportwagen der Marke Porsche. Mitte 2008 war der promovierte Maschinenbauer von Continental an den Bodensee gekommen, zunächst als Vorstand der ZF Sachs AG. 2010 stieg er zum Konzernvorstand für Materialwirtschaft auf. Vom Vorgänger gefördertSeine Berufung zum Vorstandschef war für den Traditionskonzern eine kleine Revolution: Sommer war, anders als seine Vorgänger, kein langjähriger Mitarbeiter und zudem erst 47 Jahre alt. Seine Vorgänger hatten bei Amtsantritt die 60 bereits überschritten. Schon als einfaches Vorstandsmitglied arbeitete Sommer an jener neuen Konzernstrategie, die er nun als Vorstandschef umsetzt. Es ist ein offenes Geheimnis in Friedrichshafen, dass Sommer den damaligen Vorstandschef Hans-Georg Härter (71) nachhaltig mit seinem strategischen Weitblick beeindruckte. So sehr, dass Härter ihn als seinen Nachfolger empfahl.Es ist eine Laune der Geschichte, dass nun ausgerechnet die geplante Haldex-Übernahme den Strategen Sommer und seinen Meister Härter auseinanderbringt. Härter saß bis zuletzt im ZF-Aufsichtsrat, ist aber auch seit Jahren Aufsichtsrat von Knorr-Bremse. Im Juli rückte er in München gar an die Spitze des Kontrollgremiums, nachdem Bernd Bohr das Amt nach wenigen Monaten niedergelegt hatte. Nachdem ZF im August das erste Angebot für Haldex abgegeben hatte, saß Härter in der Zwickmühle, da Haldex ein direkter Wettbewerber von Knorr-Bremse ist.Der zweifache Vater Härter, der seine gesamte berufliche Laufbahn bei ZF verbracht hat, zog die Konsequenzen und legte sein Amt bei ZF nieder (vgl. BZ vom 20. August). Schweren Herzens, wie seine Aussage vermuten lässt, er könne die weitere Entwicklung “seines” Unternehmens jetzt nur noch von außen verfolgen. Während Härters Einfluss bei ZF damit endgültig zu Ende ist, hat Sommer die Chance, die bisherige Erfolgsgeschichte des einst als Zackenbude kleingeredeten Konzerns fortzuschreiben. Er hat bereits angekündigt, dass auch eine mögliche Haldex-Übernahme nicht das Ende seiner Einkaufstour bedeute. Im Juni wurde Sommers Vertrag frühzeitig um fünf Jahre verlängert. Das gibt ihm mehr Zeit, mit ZF groß und mächtig zu werden.