Chinesische Autohersteller „kreisen über Deutschland“
Im Interview: Ferdinand Dudenhöffer
„Die Chinesen kreisen Deutschland ein“
Autoexperte erwartet weitere Verlagerung von Produktionskapazitäten deutscher Autohersteller nach USA und China
Während sich Deutschlands Autobauer vom 8. bis 14. September auf der IAA Mobility wieder von ihrer besten Seite präsentieren werden, nimmt der Gegenwind für die Branche zu. Experte Ferdinand Dudenhöffer rechnet mit einem wachsenden Wettbewerbsdruck. Die Unternehmen seien gezwungen, ihre Produktionskapazitäten in den USA und in China zu erweitern.
Herr Dudenhöffer, die IAA Mobility findet das dritte Mal in Folge in München statt. Hat sich der neue Austragungsort der Messe bewährt?
Die Messe ist in einem neuen Format, welches sehr nah an den Menschen dran ist. Neben dem Messegelände sind die Aussteller sehr breit in der Stadt vertreten. Dadurch erreicht man eine hohe Aufmerksamkeit. Das Konzept ist gut. Die IAA ist die zweitwichtigste Automesse der Welt nach China Auto. Alle anderen Fachmessen im Westen spielen keine Rolle mehr: Genf, Paris, Tokio. Detroit ist längst Vergangenheit.
In Frankfurt am Main hofft man, die Messe wieder zurückholen zu können. Wie sehen Sie das?
Das wäre die schlechteste Möglichkeit für die IAA, sich zu entwickeln. Frankfurt ist ein sehr schwieriger Austragungsort. Man sollte dort bleiben, wo man gut unterwegs ist. Und das ist München.
Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung des Veranstalters VDA, wie es weitergeht?
Der VDA wird das mit den Autobauern und Zulieferern besprechen. Womöglich wird eine Entscheidung während der IAA bekannt gegeben. Ich gehe davon aus, dass die IAA in München verbleibt.
2023 haben chinesische Autohersteller einen großen Auftritt auf der Messe hingelegt. Wird sich das 2025 wiederholen?
Die Chinesen werden dieses Jahr in noch größerer Form präsent sein. Die IAA wird die größte Autoshow der Chinesen außerhalb von China sein.
Tesla wird diesmal nicht präsent sein. Was bedeutet das?
Tesla ist ein amerikanischer Autobauer, den niemand mehr richtig ernst nimmt. Das Unternehmen hat viel verloren. Tesla ist schon lange nicht mehr Weltmarktführer bei Elektroautos. In Westeuropa tut sich Tesla sehr schwer und verliert Marktanteile. Bei den Neuzulassungen in Deutschland rangiert Tesla im ersten Halbjahr auf Platz 13 hinter Opel. Das ist bezeichnend. Tesla ist langweilig geworden. Tesla hat nichts Neues mehr. Tesla produziert alte Modelle. CEO Elon Musk hat mit Innovationen nicht mehr weitergearbeitet. Er hat die Zeit verpasst.
Die chinesischen Autobauer streben auf, sind hierzulande aber auf recht niedrigem Niveau. Wie sehen Sie das?
Die Exporte der Chinesen unterscheiden sich nach Ländern. So ist zum Beispiel deren Marktanteil in Belgien deutlich höher als in Deutschland. Deutschland ist für die Chinesen das schwierigste Land. In Deutschland hat man eine eigene Autoindustrie mit starken Marken. In Deutschland legt man auf die Technikkomponenten sehr viel Wert. Die Chinesen gehen zunächst dort hin, wo es leichter fällt, Märkte zu erobern. Die Chinesen kreisen Deutschland ein. Der Druck wird größer werden. Den Deutschen tut es gut, dass die Chinesen kommen. Ohne mehr Wettbewerb gibt es keine Veränderung.
Ist es übertrieben zu behaupten, dass die deutsche Autoindustrie ums Überleben kämpft?
Man sollte unterscheiden zwischen dem Standort Deutschland und der deutschen Autoindustrie. Die deutsche Autoindustrie ist global aufgestellt. Die Autobauer und die großen Zulieferer verfügen über große Standorte in China. Wir sehen, dass sich der Standort Deutschland verschlechtert. Auch in den kommenden Jahren. Der Stellenabbau geht bei Auto- und Nutzfahrzeugherstellern sowie Zulieferern weiter. Die einzige Ausnahme ist der Verteidigungssektor mit Panzerbau.
Was erschwert die Lage der Branche?
Der deutschen Autoindustrie fällt es unter den gegebenen Bedingungen in der Heimat immer schwerer, Kosteneffizienz zu erreichen. Hohe Arbeitskosten, hohe Energiekosten, die Regulierungsdichte und löchrige Logistikstrukturen dämpfen die Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben uns in Deutschland ein Eigentor geschossen. Die deutsche Autoindustrie ist ein Wirtschaftszweig, der zwar seine Unternehmenszentralen in Deutschland hat, aber im operativen Geschäft nicht mehr stark am Heimatmarkt gebunden ist. Die deutsche Industrie wird ihre Kapazitäten weiter in China und den USA ausbauen. Die Produktion in Deutschland wird dünner.
Was sind die Treiber dafür?
Trotz der aktuellen Absatzprobleme bleibt China ein zukunftsfähiger Markt für die Deutschen. Es ist der größte Automarkt der Welt. Nach den Zollvereinbarungen der EU mit Donald Trump werden weitere Arbeitsplätze in die USA abwandern.
Glauben Sie, dass die Zölle nach dem Ende der Ära Trump wieder aufgehoben werden?
Wenn man sich an die Zölle gewöhnt hat, werden diese nicht mehr zurückgenommen.
Wie ist die Lage in China?
Die IAA könnte ein Impuls sein, die Situation in China für die deutschen Autobauer zu drehen. Elektroautos haben in China mittlerweile einen Marktanteil von 51% bei den Neuzulassungen. Die deutschen Modelle funktionieren dort nicht mehr. Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz versuchen, mit neuen Automodellen gegenzusteuern. Wenn die Innovationen stimmen, können sie ihre Position in China stabilisieren. Das Problem der Deutschen sind die Elektroautos in China.
Glauben Sie, dass die deutschen Autobauer in China zu den goldenen Zeiten zurückkehren?
Ich bezweifle, dass die deutschen Hersteller ihre früheren Marktanteile zurückgewinnen. Sie können aber den Rückgang stoppen. Um dies zu erreichen, sind die neuen Fahrzeuge wichtig. Es hängt davon ab, wie diese Modelle eingepreist werden. Der chinesische Markt wächst. Dort werden jährlich 24 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. In zehn Jahren könnten es 30 Millionen sein.
Verstärkt der Kostendruck den Trend zu Kooperationen in der Autoindustrie?
Ja, klar. Denn eigene Software-Entwicklung macht man immer weniger. Das Auto der Zukunft ist ein intelligentes Fahrzeug, ein sich teilautonom fortbewegendes. Diese Entwicklung schafft man nicht allein. Deutschland verfügt über keine großen, weltweit bedeutende Tech-Konzerne. SAP macht kein autonomes Fahren. Ein großer Teil der Wertschöpfung landet auf diesem Feld bei amerikanischen oder chinesischen Unternehmen. Westeuropa ist auf diesem Gebiet weit abgeschlagen. Das intelligente Fahrzeug wird in China entwickelt, nicht in Deutschland. In China ist man viel weiter. In Deutschland fehlen die Grundstrukturen. So gibt es kein flächenumfassendes G5-Netz.
Wie bewerten Sie das im Juni bekannt gegebene Software-Bündnis unter Federführung der deutschen Autoindustrie?
Die vom VDA initiierte offene Plattform ist eine sehr gute Sache. Da sollten nicht nur überwiegend deutschstämmige Unternehmen mitmachen. Es ist hilfereich, wenn das Spektrum dieser Plattform internationaler wird.
Warum?
Wichtig beim autonomen Fahren sind die Sensorik, die Rechner und die Software. Auf diesem Gebieten sind die USA und China federführend. Deutschland hat auf den beiden erstgenannten Feldern wenig zu bieten, bei der Software schon. Letzteres zeigt Bosch, die auch in der Allianz mitmacht.
Das Interview führte Stefan Kroneck.