Deutsche Maschinenbauer verlieren Anschluss
kro Frankfurt − Die deutsche Maschinenbauindustrie wird im internationalen Vergleich immer unprofitabler. Mit einer Kapitalrendite von etwas über 4 % lagen die Unternehmen in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr auf dem letzten Platz der zehn wichtigsten Maschinenbauländer, wie aus der neuen Industrial Goods Study der Restrukturierungsberatung Alix Partners hervorgeht. 2019 waren es noch knapp 9 %. Auf Platz 1 hat sich hingegen zuletzt der große Konkurrent China vorgearbeitet, mit einer Kapitalrendite von deutlich über 11 %. Dabei setzten chinesische Firmen strategisch vor allem auf Investitionen in Forschung und Entwicklung − und liegen mit ihren Etats im Verhältnis zu den Gesamtausgaben dennoch deutlich hinter Deutschland.
Grund für die seit einigen Jahren nachlassende Wettbewerbsfähigkeit hierzulande sind laut Studienautor Patrick Widmaier unter anderem die vergleichsweise starren Strukturen in den Unternehmen. „In der deutschen Krisenbewältigung hat man nicht so konsequent gehandelt, wie es in anderen Ländern in der Regel der Fall ist, und versucht, die Ressourcen trotz Abschwung zu halten“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. In der Finanzkrise seien die Firmen mit dieser Strategie noch gut gefahren. „Jetzt ist die Frage, ob es dieses Mal wieder so klappt.“ Denn zur Corona-Pandemie an sich kämen in der heutigen Zeit zunehmend disruptive Tendenzen hinzu, die einen frühzeitigen Abbau der Kapazitäten mit anschließender Anpassung womöglich eher erforderlich machen würden.
Lieferketten entscheidend
Auch die Inflation und Materialschwierigkeiten könnten der kräftigen Erholung der Branche in diesem Jahr noch einen Dämpfer verpassen. Laut der Studie dürften sich die Knappheiten noch bis ins dritte Quartal 2022 hineinziehen, wobei die Erholung der Lagerbestände besonders ausschlaggebend für den weiteren Erfolg der Geschäftsmodelle sein werde. „Die Unternehmen müssen Transparenz über ihre Supply Chain haben und wissen, wo es sich um Engpassmaterialien handelt, also wo es ein wirkliches Problem in der Produktion gibt, wenn diese Materialien nicht mehr verfügbar sein sollten“, sagt Widmaier. Nachdem in der Corona-Pandemie alle Akteure auf die Bremse getreten seien und Lagerbestände aus Angst vor weiteren Einbrüchen haben auslaufen lassen, gebe es nun eine gegenläufige Entwicklung, die sich im logistischen Fachjargon auch „Bullwhip“- beziehungsweise „Peitscheneffekt“ nennt. Damit sind Nachfrageschwankungen gemeint, die sich in mehrstufigen Lieferketten durch unzureichende Koordination und Informationsweitergabe immer weiter potenzieren. „Manche schießen jetzt über das Ziel hinaus und kaufen teils mehr ein, als sie brauchen“, sagt Widmaier. Das sei ineffizient, lasse sich aber durchaus vermeiden, wenn nur schon vorhandene Instrumente zur Lagerautomatisierung und digitalen Überwachung der Bestände wie etwa Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme konsequenter genutzt würden.
Auf dem Markt tummeln sich mittlerweile zahlreiche, oft noch junge Tech-Unternehmen, die sich auf die vielfältigen Maßnahmen zur Lieferkettenoptimierung spezialisiert haben. Gleiches gilt für andere Themen, die die Industrie zunehmend umkrempeln, wie etwa die digitale Zwillingstechnologie, intelligente Plattformen oder On-Demand-Fertigung.
„Gerade Start-ups exerzieren einem vor, was in der Zukunft kommt, und das heute stärker, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war“, sagt Widmaier. „Hier sind die Führungskräfte in deutschen Firmen gefragt, die neuen Akteure und Technologien im Markt genau zu beobachten, um Anregungen zur Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells zu gewinnen.“ Unternehmenslenker müssten sich dafür jedoch ausreichend Zeit nehmen und sich vom Tagesgeschäft auch mal lösen.