Raumfahrtindustrie

Europa kämpft um Anschluss im Weltraum

Deutschland und Italien wollen in der Raumfahrt enger zusammenarbeiten und die europäische Autonomie gegenüber den USA sicherstellen.

Europa kämpft um Anschluss im Weltraum

Europa kämpft um den Anschluss im Weltraum

Nach der Grundsatzeinigung auf das Satellitenbündnis geht es um Startkapazitäten – Deutsch-italienisches Raumfahrtforum

bl Rom

Italien und Deutschland wollen in der Raumfahrt enger zusammenarbeiten, um die riesigen Wachstumspotenziale zu nutzen und die technologische Souveränität und Autonomie Europas in diesem Sektor zu erhalten und auszubauen. Das deutsch-französisch-italienische Satellitenbündnis Bromo aus Thales, Leonardo und Airbus kann nur ein Zwischenschritt sein. In dieser Einschätzung waren sich die Teilnehmer des von der italienischen Handelskammer in Deutschland veranstalteten ersten deutsch-italienischen Luft- und Raumfahrtforums einig.

Der Teufel liegt im Detail. Entscheidend für die Installierung der Satelliten im Weltraum sind eigene und günstige Startkapazitäten für Träger-Raketen. Elon Musks SpaceX hat den Markt für diese Starts mit Kampfpreisen aufgemischt und seit 2019 mehr als 5.000 meist kommerzielle Satelliten ins All geschickt. Laut Giulio Ranzo, CEO des italienischen Träger-Raketen-Produzenten Avio, kann SpaceX nur deshalb „Dumpingpreise“ anbieten, weil Musks Unternehmen massive öffentliche Hilfen der US-Regierung erhält. Laut einer Studie von Eurospace, der Vereinigung der europäischen Raumfahrtbranche, sind die wahren Kosten bei SpaceX zwei- bis viermal so hoch wie offiziell angegeben.

Zahlreiche Neugründungen

Doch die Branchenvertreter in Rom waren sich einig, dass Europa reagieren und massiv in Startkapazitäten investieren muss, um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen und nicht gegenüber China und den USA abgehängt zu werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte kürzlich bis zum Jahr 2030 für Deutschland Investitionen von 35 Mrd. Euro in die Raumfahrt an. Die Mittel sollen vor allem in die Entwicklung von Satelliten, Bodenkontrollstationen und eine robuste Sicherheitsarchitektur im All fließen. Bei der ESA-Ministerratskonferenz Ende November in Bremen treffen sich die 22 Vertreter der Mitgliedsstaaten, um auch über die Festlegung der zukünftigen europäischen Raumfahrtprojekte und deren finanzielle Ausstattung zu beraten.

Die EU-Kommission, die einzelnen Staaten und die Europäische Raumfahrtagentur ESA haben Initiativen zur Entwicklung weiterer Startkapazitäten in Europa gestartet. Ziel ist es, angesichts der jüngsten politischen Entwicklung in den USA sowie der zahlreichen geopolitischen Konflikte, die Autonomie Europas in zentralen Sektoren wie der Verteidigung, Satellitennavigation, Telekommunikation und auf vielen weiteren Gebieten zu stärken. In der Branche hat es in den letzten Jahren eine Welle von Neugründungen gegeben. Unternehmen wie Isar Aerospace und RFA in Deutschland arbeiten an Träger-Raketen und Startkapazitäten. Sie sollen bis 2027 eigene Raketen ins All bringen. Roland Berger empfiehlt in einer Studie, außer am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch Guyana auch Startkapazitäten in Europa zu entwickeln. Ein solcher Standort ist Andøya in Norwegen.

Avio sichert sich frisches Kapital

Avio, ein führender Anbieter im Bereich Raumfahrtantriebe und Träger-Raketen, kooperiert im Rahmen der europäischen Raumfahrtinitiative Flight Ticket etwa mit Isar Aerospace. Die Italiener, die sich durch eine Kapitalerhöhung, bei der Leonardo die Beteiligung um 9,4% auf etwa 19% reduziert, neue Mittel gesichert haben, planen drei Missionen mit ihrer Vega-C-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou, während Isar Aerospace zwei Missionen mit der Spektrum-Rakete aus Andøya plant.

Die geplante Ausweitung der deutsch-italienischen Kooperation soll auch ein Gegengewicht zu der in Europa führenden französischen Raumfahrtindustrie schaffen. Die Luft- und Raumfahrtbranche kommt in Italien auf einen Umsatz von etwa 19 Mrd. Euro und in Deutschland auf etwa 52 Mrd. Euro.