Stefan Kirsten

„Die Aktionäre goutieren den Neuanfang“

Der Verwaltungsratschef der angeschlagenen Adler Group, Stefan Kirsten, zu den Beschlüssen der Hauptversammlung, der Kritik von Bondholdern, den geplanten Verkäufen und der Zukunft des Immobilienkonzerns.

„Die Aktionäre goutieren den Neuanfang“

Herr Kirsten, seit der letztjährigen Hauptversammlung müssen die Aktionäre der Adler Group rund 80% Wertverlust hinnehmen. Sie haben Kontakt zu vielen Anteilseignern. Wie war die Stimmung zur Hauptversammlung?

Jeder Investor versteht, dass der Aktienkurs derzeit so niedrig ist. Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den 22 Euro vor einem Jahr und den aktuell rund 4 Euro. Solange wir keine Wirtschaftsprüfer haben und die BaFin-Untersuchung läuft, sehe ich nur limitiertes Erholungspotenzial. Ist die Substanz deutlich höher? Ohne Frage ja. Adler verfügt über eine ordentliche Liquiditätsposition. Unser größter Aktionär Vonovia hat klipp und klar gesagt, dass der Aktienkurs nicht die Substanz des Unternehmens reflektiert.

Wie bewerten Sie die Abstimmungsergebnisse?

Die Shareholder haben alle Verwaltungsräte mit sehr hohen Prozentsätzen gewählt. Ich interpretiere das so: Die Aktionäre goutieren den Neuanfang. Die Präsenz lag bei 57,3%. Für eine virtuelle Hauptversammlung in Luxemburg ist das normal. Früher lagen unsere Präsenzen zwischen 55 und 63%.

Warum wurde nicht über eine Entlastung abgestimmt?

Eine Anwaltskanzlei hat geprüft, ob Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen, und nichts gefunden. Des Weiteren untersucht die Kanzlei White & Case mögliche zivilrechtliche Ansprüche. Diese Prüfung dauert an. Daher stand eine Entlastung der Verwaltungsräte nicht auf der Tagesordnung der Hauptversammlung.

Kommt die Suche nach einem neuen Wirtschaftsprüfer voran?

Wir haben gestern die Ausschreibung auf den Weg gebracht. Die Suche nach einem dauerhaften CFO läuft ebenfalls. In der nächsten Woche starten die Gespräche. Das zeigt: Wir nehmen langsam Traktion auf.

Wo sehen Sie die Zukunft von Adler?

Dieses Strategieprojekt wird gerade angestoßen. Das Spektrum reicht von einer Abwicklung des Unternehmens, also einer Zerschlagung, bis hin zur Positionierung in einer sauberen strategischen Nische. Das ist der aufgespannte Rahmen.

Bondholder monieren, dass die geplante Komplettübernahme von Adler Real Estate und der Verkauf eines Bestandsportfolios an diese Tochtergesellschaft ihre Position als Gläubiger schwächen. Zu Recht?

Ich bin den legitimen Interessen aller Stakeholder verpflichtet. Es geht darum, die ertragsbringenden Assets zunehmend in Adler Real Estate zu bündeln und die Liquidität in die Obergesellschaft zu bringen. Wenn jetzt jemand beklagt, er sei im Falle eines Zahlungsausfalls weniger gesichert, dann antworte ich: Das ist kein legitimes Interesse eines Bondholders von Adler Real Estate. Diese werden im Prospekt abge­bildet.

Die Kritik der Anleihegläubiger ist also ungerechtfertigt.

Ja. Ein Bondholder ist auf die Rechte beschränkt, die im Prospekt stehen.

Wie hoch sind die Kosteneinsparungen durch den Börsenrückzug von Adler Real Estate und Consus?

Das ist in erster Linie ein Steuerungsthema. So können wir dann die Liquidität poolen, und wir müssen nicht ständig prüfen, ob Minderheitsinteressen zu berücksichtigen sind. Welche Einsparungen das bringt, lässt sich nicht quantifizieren. Der Squeeze-out bei Adler Real Estate kostet um die 20 Mill. Euro, je nach Ergebnis des Wertgutachtens. Hinzu kommen Transaktionskosten. Bei Consus sind die Kosten viel niedriger. Da ist nur ein Delisting geplant.

Die BaFin nimmt die Jahresabschlüsse früherer Jahre unter die Lupe. Mit welchem Ausgang rechnen Sie?

Der Abschluss 2021 ist durch das fehlende Testat des Wirtschaftsprüfers kontaminiert. Die Prüfung durch die BaFin trägt dazu bei, die gegen Adler erhobenen Vorwürfe aufzuklären. Daher begrüßen wir die Prüfungsanordnung. Zu den Abschlüssen 2020 und 2019 findet ein konstruktiver Dialog mit der Finanzaufsicht statt. Es gibt Punkte, zu denen die Behörde und wir unterschiedliche Ansichten haben. Gerade arbeiten wir wieder an einer Stellungnahme. Grundsätzlich tut das schärfere und professionellere Vorgehen der BaFin nach dem Wirecard-Skandal dem Finanzplatz Deutschland gut. Wir sind darauf gut vorbereitet und nicht die Leidtragenden.

Kriegt die BaFin auch die Informationen, die der Wirtschaftsprüfer KPMG nicht erhalten hat?

Die BaFin bekommt alle Informationen, die sie anfragt.

Wie geht es beim Projektentwickler Consus weiter, der kein Eigenkapital mehr hat?

Es wird eine cashneutrale Sanierung der Bilanz geben. In den nächsten Tagen geht die Einberufung der außerordentlichen Hauptversammlung raus. Diese findet vermutlich ab Mitte August statt.

Wie steht es um die Verkäufe von Immobilienprojekten, die bis Jahresende 1 bis 1,2 Mrd. Euro bringen sollen?

Da tut sich einiges. Eine Transaktion wird kurzfristig abgeschlossen. Diverse andere Verträge sind unterschrieben. Es wird aber keine Fire-Sales geben. In dem ein oder anderen Fall wird der Verkaufserlös auch mal unter dem IAS-Bilanzwert liegen, doch die Verkäufe verbessern die Risikostruktur.

Was ist, wenn der Verkauf von Brack Capital scheitert, weil LEG die Kaufoption verfallen lässt?

Es liegt im Interesse aller drei Unternehmen, dass die Transaktion stattfindet. Falls LEG einen Rückzieher macht, werden wir einen kontrollierten Verkauf von Assets einleiten, um unsere Kreditlinien wieder zurückzuführen. Falls LEG einige Parameter der Transaktion anpassen will, werden wir reden. Aber wir werden kein Geld verschenken.

Sie wären also bereit, Zugeständnisse zu machen?

Alle Seiten müssen der neuen Situation an den Immobilienmärkten Rechnung tragen. Das ist für mich kein Zugeständnis.

Das Interview führte Helmut Kipp.