Investmentbranche

„Die DVFA ist ein wesentlicher Trans­missionsriemen“

Der Branchenverband der Investment Professionals, die DVFA, spielt nach eigener Einschätzung eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, ESG-Vorgaben und ESG-Kriterien in den Investmentprozess konkret zu übersetzen.

„Die DVFA ist ein wesentlicher Trans­missionsriemen“

fed Frankfurt

– Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) nimmt für sich in Anspruch, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, um die regulatorischen Vorgaben für eine umweltschonende, soziale und nach Regeln der guten Unternehmensführung organisierte Wirtschaft in den Investmentprozess zu übersetzen. „Die DVFA ist ein wesentlicher Transmissionsriemen, damit ESG-Vorgaben Eingang in die tagtägliche Arbeit der Finanzindustrie finden“, unterstreichen Thorsten Müller, Vorstandsvorsitzender der DVFA, und der Vizevorsitzende Ingo R. Mainert. Die beiden Vorstandsmitglieder verweisen auf die eigenständige, international vernetzte Finanzakademie des Verbands. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 400 ESG-Spezialisten zertifiziert“, berichtet Müller. Die Besetzung des Vorstands spiegele exemplarisch wider, welche große Rolle ESG (Environmental, Social, Governance) mittlerweile an den Kapitalmärkten spiele, erklärt Mainert. Im Führungsgremium der DVFA seien mit Prof. Christina Bannier, Michael Schmidt und Ingo Speich „drei der prominentesten Vertreter des Themas ESG am Finanzplatz vertreten.“

Neben der nachhaltigen Transformation habe auch die Digitalisierung Einfluss auf das Berufsbild der Investment Professionals – also jener Gruppe, als deren Vertretung sich die DVFA versteht. „Der Investment Professional ist schon lange nicht mehr auf Analysten und schon gar nicht auf Aktienanalysten eingegrenzt“, betont Mainert.

Breitere Mitgliederbasis

Früher sei die DVFA ein Verband mit Schwerpunkt Finanzanalysten gewesen, erinnert Müller. In den vergangenen Jahren seien jedoch in der Finanzanalyse viele Stellen abgebaut worden, auch infolge der Vorgaben der EU-Marktrichtlinie Mifid II und durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Der Verband habe zeitgleich seine Ausrichtung und damit seine Mitgliederbasis verbreitert – über die gesamte Wertschöpfungskette im Investmentprozess hinweg: „von Spezialisten im Bereich Primärmarkt über Research und Sales, über Assetmanager bis hin zu Marktfolge- und ESG-Spezialisten“, erläutert Müller und ergänzt: „Wir haben heute auch Mitglieder, die sich intensiv mit der Anwendung der Blockchain in der Finanzindustrie beschäftigen.“

Der Verband reagiere darauf, indem er unter anderem einen Fachausschuss Digital Assets und Blockchain gründe – oder auch mit dem Angebot des Chartered Financial Data Scientist (CFDS). „Das stellt stark auf die immer bedeutenderen Themen Datenqualität und Künstliche Intelligenz ab“, erklärt Mainert – und sei somit eine Möglichkeit, um jüngere Kollegen in der Finanzbranche anzusprechen und für die DVFA ein neues Tätigkeitsfeld in der Finanzindustrie zu öffnen.

Zugang auch für Kleinfirmen

Ausdrücklich betonen Müller und Mainert, dass die DVFA auch die Interessen kleiner Marktteilnehmer vertrete. „Wir treten dafür ein, dass der Kapitalmarkt nicht nur für große Teilnehmer funktioniert. Es darf nicht sein, dass es heute wesentlich einfacher ist, in Deutschland 1 Mrd. Euro zu emittieren als 20 Mill. Euro“, betont Müller. Die DVFA mache sich durchaus Sorgen um den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zum Kapitalmarkt und um deren Liquidität am Markt. Manches börsennotierte Unternehmen sei kaum mehr investierbar, weil sie die hohen Liquiditätsanforderungen nicht erfüllten und ESG-Daten noch nicht vorhanden seien. „Diese Unternehmen werden somit systematisch ausgesteuert“, beklagt Müller. Der Finanzplatz und die Regulatoren müssten sich deshalb Gedanken darüber machen, für kleinere und mittelgroße Unternehmen den regulatorischen Rahmen etwas weiter und großzügiger zu spannen und sie weniger stark zu belasten. „Das wird ein Thema sein, das sich die DVFA in den nächsten zwei Jahren intensiv anschauen wird“, kündigt der DVFA-Vorstandsvorsitzende an. Müller veranschaulicht seine Bedenken anhand des Beispiels einer mittelständischen Firma, die gut geführt ist und über ein externes BB-Rating verfügt. Einige Investoren lehnten ein Engagement in dieser Firma ab, weil sie nur in Unternehmen mit mindestens BBB investierten. „Hätte der Mittelständler über kein externes Rating verfügt, hätte der Investor die Chance gehabt, im Zuge eines internen Investmentratingprozesses zu einem anderen Ergebnis zu kommen“, nämlich dass es sich um einen erfolgreichen Nischenspieler handele, den die hausinternen Ratingsysteme mit BBB bewertet hätten, so dass sich der Investor hätte engagieren können. Die Transparenz eines externen Ratings wirke in diesem Fall kontraproduktiv – „das ist finanzanalytisch völlig paradox“, resümiert Müller. Mainert ergänzt: „Das Risiko, das für kleine und mittlere Marktteilnehmer irgendwann im Research überhaupt keine Informationen mehr zur Verfügung gestellt werden, ist hoch.“

Regulierung im Blick

Die DVFA beteilige sich nach wie vor rege an Konsultationen über Regulierungsthemen. Dabei werde die Meinung des Verbands geschätzt, weil die DVFA unterschiedliche Per­spektiven von Marktteilnehmern vereine. „Wir sind weder nur Sell Side noch nur Buy Side, wir sind weder Vertreter nur der kleinen noch nur der großen Marktteilnehmer, sondern eine Mischung der Investmentprofis in der ganzen Breite.“ Müller erinnert daran, dass der – auch von der DVFA vorgetragene – Vorschlag im Zuge der Mifid-Konsultationen aufgegriffen wurde, das Bundling (Vergütung des Research über Sales Commissions) bis zu einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro wieder zu erlauben.

Neben der Beteiligung an der regulatorischen Debatte sei die Etablierung von Standards nach wie vor ein sehr wichtiger Fokus – „ob historisch der „gute alte“ Gewinn je Aktie nach DVFA, die Grundsätze für Finanzresearch, der DVFA-Verhaltenskodex, das Thema Fairness Opinion oder die Corporate Governance Scorecard.“ Der Verband wolle ein Netzwerk sein, in dem Argumente ausgetauscht und Leitlinien und Standards erarbeitet werden, auch um dadurch zu vermeiden, dass der Gesetzgeber überhaupt regulieren müsse.

Der Verband, der seit einigen Jahren mit rund 1400 Investment Professionals eine stabile Mitgliederbasis habe, kann sich gut vorstellen, „dass wir mit anderen Verbänden Kooperationen eingehen, die sich zentral mit dem Thema Verantwortung im Kapitalmarkt identifizieren“, sagt Müller. Schließlich müsse die DVFA mit begrenzten Ressourcen versuchen, eine möglichst große Durchschlagskraft zu erzielen. „Wir erleben den Trend, dass der Kapitalmarkt stärker ins gesellschaftspolitische Blickfeld rückt“, so Mainert. Ob in der Altersvorsorge oder beim Kampf gegen den Klimawandel: Der Kapitalmarkt werde zunehmend als wichtiges Element politischer Lösungen im Sinne einer Art Public-Private-Partnership wahrgenommen. „Das spüren wir etwa bei den Diskussionen um und für eine Aktienrente.“

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