Die Suche nach dem Gral der Mobilität
Von Isabel Gomez, StuttgartIn Baden-Württemberg läuten die Alarmglocken. Toyota steigt beim Chauffeursdienst Uber ein, VW investiert 267 Mill. Euro in den Rivalen Gett, während GM 500 Mill. Dollar in den Uber- und Gett-Wettbewerber Lyft steckt und mit ihm an Robotertaxis forschen will. Kein Wunder, dass in der Heimat von Daimler, Porsche und Bosch die Angst groß ist, dass der nächste technologische Sprung der Autoindustrie im Silicon statt im Neckar Valley vollzogen wird: wenn es darum geht, statt Autos Mobilität anzubieten.”Wir haben eine neue Mobilität geschaffen”, lobte sich Uber-Deutschlandchef Christian Freese am Montagabend in Stuttgart bei einer Podiumsdiskussion zum Thema. In San Francisco, der Keimzelle des Konzerns, der Privatfahrten und Mitfahrgelegenheiten über eine App anbietet, sei der Taximarkt nicht geschrumpft, seit Uber tätig sei. Dennoch gelte Uber als Bedrohung. “Wir haben in Deutschland einen schweren Stand”, klagt Freese. Anders als es Vertreter relativ junger, IT-lastiger US-Konzerne oftmals gerne tun, schießt er jedoch nicht gegen die “alte Industrie”. Er sieht, und das hört Mitdiskutant Ola Källenius, Vertriebsvorstand von Daimler, gerne, Uber als Ergänzung zu öffentlichen Verkehrsmitteln und privaten Autos.Källenius sieht Daimler gut auf diesen Wandel vorbereitet. “Wir investieren erheblich und stellen Hundertschaften von IT-Ingenieuren ein”, stellt er klar. “Massive Geldbeträge” flössen in die Erforschung alternativer Antriebe und autonomer Fahrsysteme. Auch Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitsorganisation, sieht etablierte Unternehmen nicht im Nachteil. Im Hinblick auf neue Mobilitätsdienste säßen nicht nur IT-Konzerne auf dem Fahrersitz und die Hersteller auf der Rückbank. Deutsche Autohersteller steckten seit Jahrzehnten mehr Gelder in die Erforschung neuer Technologien als einige neue Wettbewerber, so Bauer. Allein: “Die haben die bessere Öffentlichkeitsarbeit.””Am Ende entscheidet nicht die PR, sondern die Substanz”, sagt Källenius zwar. Dennoch trägt nicht zuletzt die Außendarstellung der Silicon-Valley-Firmen dazu bei, dass IT-Profis sie als attraktivere Arbeitgeber wahrnehmen und ihnen so weitere Vorteile verschaffen. Diesbezüglich hat Freese sogar noch einen Ratschlag: Europäische Manager würden in das Silicon Valley fliegen, sich anschauen, wie Mobilität dort funktioniere, und die Modelle dann in ihre Heimatmärkte übertragen. “Sie sollten vor Ort schauen, wie die Bedürfnisse sind”, so Freese, der “mehr Pilotprojekte und mehr Mut, Dinge auszuprobieren” fordert. Nur so ziehe man die für Innovationen erforderlichen Talente an. Marcus Berret, Aufsichtsratschef der Unternehmensberatung Roland Berger, sieht die Konzerne dabei auf einem guten Weg. Früher seien Produkte erst auf den Markt gekommen, wenn man damit Geld verdienen konnte. Nun gingen die Konzerne in Vorleistung, etwa Daimler mit Car2Go oder Moovel, die keinen Gewinn bringen, oder Bosch, die den Technologiewandel global vorantrieben.Ein bisschen könnte Daimler Källenius zufolge auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Mobilität auch von sich selbst lernen. “Wir brauchen jetzt wieder die Einstellung von Daimler und Benz, den Pioniergeist.” Das mag bei Daimler angekommen sein, an anderer Stelle in Stuttgart offenbar aber noch nicht. “Stuttgart ist die einzige von 400 Städten, in der wir verboten wurden, bevor wir überhaupt da waren”, erzählt Christian Freese zum Schluss. Da war das Großherzoglich-Badische Bezirksamt 1888 gnädiger, als es Carl Benz die erste Fahrerlaubnis der Welt ausstellte. ——–Baden-Württemberg fürchtet, dass die heimische Autoindustrie nicht innovativ genug ist.——-