TIKTOK

Die Uhr tickt

Microsoft will das US-Geschäft der chinesisch kontrollierten Social-Video-App Tiktok übernehmen und könnte dabei zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen würde eine Lücke im Produktportfolio geschlossen. Der Softwarekonzern hat anders als...

Die Uhr tickt

Microsoft will das US-Geschäft der chinesisch kontrollierten Social-Video-App Tiktok übernehmen und könnte dabei zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen würde eine Lücke im Produktportfolio geschlossen. Der Softwarekonzern hat anders als die Rivalen Google oder Facebook keine Videoplattform, die sich an jüngere Internetnutzer richtet, und hat damit wenig Zugang zu dieser Zielgruppe. Zum anderen würde das Unternehmen die US-Regierung um ein Problem erleichtern. Tiktok ist ein Dorn im Auge von US-Präsident Donald Trump, der die App am liebsten verbieten würde. Übernimmt Microsoft, könnte es die Regierung vermeiden, die Verbotskeule herauszuholen.Doch just als Microsoft dachte, man wäre mit dem Deal auf einem guten Weg, hat sich Trump eingeschaltet und gar ein Verbot der Übernahme ins Spiel gebracht. Der Fall mutet aberwitzig an. Denn um wessen Daten geht es hier eigentlich? Um die freiwillig bereitgestellten Daten von überwiegend jungen Menschen, die gerne Kurzvideoclips mit bis zu 15 Sekunden Länge schauen oder selbst teilen. Wird hier die nationale Sicherheit tangiert? Scheinbar, denn Microsoft hat frühzeitig die US-Aufsicht für Auslandsinvestitionen CFIUS und Finanzminister Steve Mnuchin kontaktiert, um die Chancen eines Deals abzuklopfen.Trump dürften ganz andere Sorgen mit der Plattform umtreiben als die nationale Sicherheit. So ist etwa US-Comedian Sarah Cooper mit kurzen Videoclips, in denen sie Trumps eigene Worte nutzt, um sich über diesen lustig zu machen, zu einem Tiktok-Star geworden. Außerdem hatten sich junge Anwender wohl über die Plattform erfolgreich organisiert, um bei Trumps erstem Wahlkampfauftritt nach Ausbruch der Pandemie für weitgehend leere Ränge zu sorgen.So absurd die Basis für Trumps Tiktok-Aversion sein mag, als so hilfreich könnte sie sich für Microsoft erweisen. Nach einem Telefonat von CEO Satya Nadella mit dem Präsidenten forderte dieser von den Chinesen den Verkauf des US-Geschäfts bis Mitte September. Sonst müsse der Dienst eingestellt werden. Ein Asset, dem die Schließung droht, wird sicher nicht teurer. Doch der Nutzen ist ein kurzfristiger. Ist der Vorgang doch nur ein weiterer Beweis für die unter Trump zunehmend unsicher gewordenen Rahmenbedingungen für ausländische Konzerne in den USA. Für jeden, der signifikant Geschäft in China hat – etwa die deutsche Autoindustrie -, tickt unter diesem Präsidenten die Uhr. Tiktok – bis schließlich der Alarm schrillt.