Der Streit um Chiplieferant Nexperia bedroht Produktion
Der Streit um Chiplieferant Nexperia bedroht Produktion
Streit um Chiplieferant Nexperia
Autoindustrie schlägt Alarm – Produktionsausfälle drohen
Reuters Frankfurt/Washington
Die Autoindustrie schlägt Alarm wegen drohender Produktionsausfälle durch Lieferprobleme des niederländischen Chipherstellers Nexperia. Nach dem europäischen Autoverband Acea warnt nun auch die US-Autolobby vor Störungen der Produktion. Nexperia habe Autobauer und Zulieferer am 10. Oktober darüber informiert, dass es seine Lieferungen nicht mehr garantieren könne, hatte Acea bereits am Donnerstag erklärt. Ohne die Chips von Nexperia, die in elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugen verbaut werden, drohten Produktionsstopps. Die Bestände reichten nur noch wenige Wochen. „Wir befinden uns plötzlich in dieser alarmierenden Lage“, erklärte Acea-Generaldirektorin Sigrid de Vries. „Wir brauchen wirklich schnelle und pragmatische Lösungen von allen beteiligten Ländern.“
In den USA drängte der Verband Alliance for Automotive Innovation, der u.a. General Motors, Toyota, Ford und Volkswagen vertritt, auf eine schnelle Lösung. „Wenn die Lieferung von Auto-Chips nicht schnell wieder aufgenommen wird, wird dies die Autoproduktion in den USA und vielen anderen Ländern stören und einen Dominoeffekt auf andere Branchen haben“, sagte Verbandschef John Bozzella. Einigen Autobauern zufolge könnten US-Werke bereits November betroffen sein.
Handelsstreit zwischen den USA und China als Auslöser
Hintergrund ist der Handelsstreit zwischen den USA und China, der zu Ausfuhrbeschränkungen für Nexperia von beiden Seiten führte. Das niederländische Unternehmen gehört dem chinesischen Konzern Wingtech. Mit weltweit 11.700 Beschäftigten ist Nexperia der führende Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden und Transistoren. In Hamburg befindet sich das größte Werk; in Deutschland hat Nexperia 2.500 Mitarbeitende. Die Chips werden nach China zur Verpackung und Weiterverarbeitung geliefert. Doch das dortige Handelsministerium verbot Anfang Oktober den Export bestimmter Bauteile mit Nexperia-Chips. Das betrifft Wingtech zufolge 80% der Endprodukte.
Auf US-Sanktionsliste
In den USA steht Wingtech wegen angeblicher Gefahren für die nationale Sicherheit auf einer Sanktionsliste von Unternehmen, mit denen US-Firmen keine Geschäfte machen dürfen. Am vergangenen Sonntag hatte die niederländische Regierung die Kontrolle bei Nexperia übernommen und den chinesischen Unternehmenschef per Gerichtsbeschluss absetzen lassen. Sie begründete dies mit der Sorge vor einer Weitergabe von Technologie an die chinesische Muttergesellschaft. Wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht, drängte die US-Regierung die Niederlande zu diesem Schritt. Nexperia erklärte am darauffolgenden Dienstag, man sehe sich mit Ausfuhrbeschränkungen sowohl aus den USA als auch aus China konfrontiert und suche Gespräche. Betroffen von Lieferausfällen wären neben den deutschen Autobauern BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen auch ihre großen Zulieferer wie Bosch, Aumovio und Valeo. Die Unternehmen stellen sich auf Lieferprobleme ein. Teile des Lieferantennetzwerks seien von den aktuellen Entwicklungen bei dem niederländischen Unternehmen betroffen, erklärte ein BMW-Sprecher. Die Fertigung in den Werken des Konzerns verlaufe jedoch weiter planmäßig. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten und bewerten die Lage fortlaufend, um potenzielle Versorgungsrisiken frühzeitig zu identifizieren und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“ Mercedes-Benz erklärte, das Unternehmen beobachte die Situation und sei mit relevanten Beteiligten in Kontakt.
Deutsche Autobauer und Zulieferer betroffen
Volkswagen teilte mit, Nexperia sei kein direkter Lieferant. Aber Bauteile steckten in Komponenten, die VW von Zulieferern erhält. „Derzeit ist unsere Produktion unbeeinträchtigt.“ VW versuche im Austausch mit den Lieferanten, Risiken zu identifizieren, um darauf zu reagieren. Acea teilte weiter mit, es gebe alternative Anbieter der Chips. Doch Zulassung und Aufbau der Produktion dürften mehrere Monate dauern.
Die Autoindustrie hatte bereits während der Corona-Pandemie Produktionsausfälle, weil Halbleiter aus Asien bei hoher Nachfrage anderer Branchen Mangelware wurden. Auch Exportbeschränkungen für seltene Erden aus China behindern die Fertigung.