Edtech-Sektor zieht lernwilliges Kapital an
Edtech-Sektor zieht lernwilliges Kapital an
Von Stefan Paravicini, Berlin
Digitale Lernplattformen wie die österreichische Gostudent oder die norwegische Kahoot sind nicht nur bei SchĂŒlern, Lehrern und Eltern beliebt, sondern stehen auch bei Investoren hoch im Kurs. Das Einhorn aus der Alpenrepublik hat erst vor wenigen Tagen eine 300 Mill. Euro schwere Finanzierungsrunde bei Investoren unter FĂŒhrung von Prosus abgeschlossen. Auch Kahoot hat es im vergangenen Jahr auf eine Bewertung oberhalb von 1 Mrd. Dollar geschafft. Insgesamt haben Investoren nach EinschĂ€tzung von Brighteye Ventures im vergangenen Jahr 2,5 Mrd. Dollar in europĂ€ische Edtech-Firmen gesteckt, wĂ€hrend es 2020 noch 785 Mill. Euro waren (siehe Grafik). Weltweit waren es demnach gut 20 Mrd. Dollar, wobei das Investitionsvolumen gegenĂŒber 2020 global etwas mehr als ein Drittel zulegte. China verzeichnete einen Einbruch, den die Experten von Brighteye Ventures â ein auf Edtech spezialisierter Venture-Fonds â mit den neuen regulatorischen Risiken fĂŒr Technologiefirmen im Reich der Mitte in Verbindung bringen.
Auch fĂŒr die Firma lernen wir
Das Geld der Investoren flieĂt immer öfter in Unternehmen, die mit ihren Angeboten nicht SchĂŒler und Lehrer, sondern Unternehmen und ihre Belegschaft im Fokus haben. Eine der gröĂten Finanzierungsrunden im vergangenen Jahr drehte in dem Sektor die französische 360Learning, die eine kollaborative Lernplattform fĂŒr Firmen anbietet. Die Berliner Masterplan, die Unternehmen Edtech-Software anbietet, sammelte im Sommer 13 Mill. Euro Fremdkapital bei Tengelmann Social Ventures, der RAG-Stiftung, NRW.Bank und DvH Ventures ein. Kurz vor Jahresschluss hat die niederlĂ€ndische Lepaya, die Unternehmen auf ihrer Plattform mehr als 50 Trainingsmodule fĂŒr die Entwicklung von FĂ€higkeiten wie datengestĂŒtzte Entscheidungskompetenz, FĂŒhrungsverhalten oder Stressresilienz anbietet, 40 Mill. Dollar unter FĂŒhrung von Target Global aus Berlin eingesammelt. Zur Bewertung werden keine Angaben gemacht. Das Unternehmen will die Mittel auch dafĂŒr nutzen, seine Marktposition in Deutschland auszubauen, sagt Co-GrĂŒnder und CEO RenĂ© Janssen.
âDas GeschĂ€ft in Deutschland wĂ€chst sehr schnell und innerhalb der nĂ€chsten zwölf Monaten wird es hoffentlich unser gröĂter Markt seinâ, sagt Janssen. Dazu schaut sich Lepaya hierzulande auch nach Ăbernahmezielen um. âWir haben konkrete Ziele in Deutschland, an dieser Stelle darĂŒber zu sprechen, wĂŒrde unsere Verhandlungsposition aber nicht verbessernâ, sagt der FirmengrĂŒnder. Die 2018 gegrĂŒndete Firma suche nach Anbietern von Weiterbildungsangeboten, die ĂŒber ein tiefes VerstĂ€ndnis fĂŒr ihre Firmenkunden verfĂŒgen, das auf der Plattform von Lepaya skaliert werden kann, beschreibt er das Raster. âWir sehen M&A als Möglichkeit, die KrĂ€fte zu bĂŒndeln und starke Kundenbeziehungen mit unserer Technologie zu kombinierenâ, erklĂ€rt Janssen. Als Beispiel nennt er die Ende 2020 erfolgte Ăbernahme des Amsterdamer Konkurrenten Smartenup, dessen Angebote zu datengestĂŒtzter Entscheidungsfindung mittlerweile ein Teil der Plattform von Lepaya sind. âDie Kombination hat sehr gut funktioniert und das GeschĂ€ft hat sich vervielfachtâ, sagt Janssen.
Der Weiterbildungsbedarf in den Unternehmen sei enorm und die Pandemie habe auch Firmen, die bisher lieber auf ein zweitĂ€giges FĂŒhrungsseminar im abgelegenen Tagungshotel als auf ein FĂŒhrungsmodul auf einer Online-Plattform wie Lepaya gesetzt haben, zum Umdenken bewegt, berichtet Janssen. Im vergangenen Jahr hat sich der Umsatz des Edtech mehr als verdreifacht und im gleichen Tempo soll es 2022 weitergehen, sagt der FirmengrĂŒnder, der seine Karriere in der Beratung bei Boston Consulting Group startete. Zu den Kunden von Lepaya zĂ€hlen illustre Namen wie Microsoft, LâOrĂ©al, Takeaway, Hellofresh, Mollie, Flink und KPMG. Ihnen bietet Lepaya Module mit technologiegestĂŒtzten Lerninhalten in Verbindung mit individuellem Coaching.
Das Start-up vereinbart mit den Kunden konkrete Weiterbildungsziele und wird danach bezahlt, wie viele Mitarbeiter diese Ziele erreichen. âManagement ist Handwerk. Wie mit jedem Handwerk gibt es Leute mit mehr oder weniger Talent, aber wie bei jedem Handwerk kann man mit professionellem Training und Feedback sehr weit kommenâ, sagt Janssen zu den Lernerfolgen. Technologie wie E-Learning oder VR-Learning werde dort genutzt, wo sie Wert schafft und persönliche Interaktion dort, wo Technologie noch nicht den erwĂŒnschten Erfolg zeige. Die Wettbewerber nutzten dagegen entweder einen traditionellen Ansatz oder setzten komplett auf Technologie. âDie Kombination von beidem ist besonders wirkungsvoll, weshalb sich unsere Kunden fĂŒr uns entscheiden, sie ist aber auch eine besondere Herausforderungâ, sagt Janssen.
Die Idee fĂŒr die GrĂŒndung von Lepaya reifte bei der Rocket-Internet-Tochter Lazada, wo Janssen zunĂ€chst fĂŒr das Wachstum in Indonesien und Vietnam verantwortlich zeichnete und spĂ€ter in die Rolle des Head of Human Ressources wechselte. âDamals habe ich die Probleme kennengelernt, die wir heute mit Lepaya lösen wollenâ, erinnert sich Janssen. Denn auf der Suche nach einem Anbieter von Schulungsinhalten, die eine Firma mit 5000 Mitarbeitern und 26 BĂŒros in acht LĂ€ndern ĂŒber die gesamte Organisation skalieren kann, wurde er mit Lazada nicht fĂŒndig. âAlso haben wir Lepaya gegrĂŒndet, um das zu beheben.â Als GrĂŒnder von Anfang mit dabei war auch Peter Kuperus, ein ehemaliger Kollege von Janssen bei Boston Consulting, der wĂ€hrend Janssens Ausflug nach SĂŒdostasien als Strategiechef der niederlĂ€ndischen Travelbird Start-up-Luft atmete.
Lerneffekte an der Börse
Die jĂŒngste Finanzierungsrunde, an der sich neben Target Global unter anderen auch die Bestandsinvestoren Mediahuis Ventures und Tablomonto, sowie die ehemalige Personalchefin von N26, Noor van Boven, beteiligten, bedeute eine Validierung des GeschĂ€ftsmodells, sagt Janssen. Insgesamt hat die Firma nach der Series B etwas mehr als 47 Mill. Dollar Risikokapital eingesammelt. Jetzt gehe es darum, in den KernmĂ€rkten Niederlande, Belgien, Deutschland, GroĂbritannien und Schweden die Marktposition zu stĂ€rken und dazu neben M&A weiter in das Produkt zu investieren. Auch der Einstieg in ein oder zwei neue LĂ€ndermĂ€rkte in Europa sei angedacht und Datenpunkte fĂŒr einen Einstieg in den USA zu einem spĂ€teren Zeitpunkt habe man ebenfalls im Blick.
In den USA hat der Edtech-Boom lĂ€ngst die Börse erfasst. Coursera, Duolingo und Nerdy legten im vergangenen Jahr allesamt milliardenschwere DebĂŒts auf das Parkett, bevor mit der kalifornischen Udemy auch ein Anbieter von Online-Kursen fĂŒr Unternehmen an die Börse startete und eine Bewertung von 3,8 Mrd. Dollar erzielte. DemnĂ€chst könnte die indische BYJU via Spac-Deal in New York an die Börse starten, erwarten Marktbeobachter.