Digitale Plattformen

EU brummt Nachrichtendienst X Strafe auf

Trotz anhaltender Drohungen der US-Regierung verhängt die EU-Kommission erstmals eine Strafe wegen Verstößen gegen Europas Regeln für Digitaldienste – und zwar gegen den Kurznachrichtendienst X. Er muss 120 Mill. Euro berappen. Damit sind aber noch nicht alle Vorwürfe gegen die Firma von Elon Musk ausgeräumt.

EU brummt Nachrichtendienst X Strafe auf

EU brummt Nachrichtendienst X Strafe auf

Brüssel beanstandet mangelhafte Transparenz – Tiktok entgeht Buße durch Zugeständnisse

Trotz anhaltender Drohungen der US-Regierung verhängt die EU-Kommission erstmals eine Strafe wegen Verstößen gegen Europas Regeln für Digitaldienste – und zwar gegen den Kurznachrichtendienst X. Er muss 120 Mill. Euro berappen. Damit sind aber noch nicht alle Vorwürfe gegen die Firma von Elon Musk ausgeräumt.

fed Berlin

Erstmals verdonnert die EU-Kommission einen digitalen US-Riesen zu einer Geldstrafe, weil er die Vorgaben des Digital Services Act der EU nicht eingehalten hat. Konkret geht es um Verstöße gegen Transparenzanforderungen. Der Kurznachrichtendienst X muss 120 Mill. Euro Strafe zahlen. Das Unternehmen von Elon Musk muss darüber hinaus binnen 90 Arbeitstagen Abhilfemaßnahmen vorschlagen und anschließend umsetzen, sonst drohen Zwangsgelder.

Konkret geht es um drei Verstöße, für die die EU-Kommission jeweils 35 bis 45 Mill. Euro in Rechnung stellt. Zum einen stören sich die EU-Beamten am „blauen Häkchen“ und rügen die Irreführung von Verbrauchern. Denn das blaue Häkchen insinuiere, dass die Identität der Kontoinhaber überprüft worden sei. Das sei aber nicht der Fall. Auf X könne jeder zahlen, um den Status „überprüft“ zu erhalten, ohne dass die Plattform ernsthaft prüfe, wer hinter dem Konto stehe. Das öffne Betrügereien Tür und Tor.

Zweiter Beschwerdepunkt ist die mangelhafte Transparenz des Anzeigen-Speichers von X. Diese „Repositorien“ seien unter anderem von entscheidender Bedeutung, um gefälschte Werbung zu erkennen, schreibt die EU-Kommission. Ein EU-Beamter erklärt eines der damit zusammenhängenden praktischen Probleme damit, dass er auf die Individualisierung von Werbung hinweist: „Jeder Nutzer bekommt etwas anderes zu sehen.“ Das Gesetz fordere deshalb Klarheit über die dafür verantwortlichen Kriterien. Dieser Transparenzpflicht werde X nicht gerecht.

Forschern wird Zugang verwehrt

Drittens beanstandet die EU-Behörde, dass X Forschern nicht ausreichend Zugang zu den öffentlichen Daten der Plattform gewähre. Der unabhängige Zugriff auf Daten, unter anderem durch Scraping, also durch automatische Extraktion von Daten aus Webseiten, werde verwehrt.

Die für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie zuständige EU-Vizepräsidentin Henna Virkkunnen resümiert: „Das Gesetz über digitale Dienste stellt das Vertrauen in die Online-Umgebung wieder her.“ Die Täuschung von Nutzern mit blauen Häkchen, die Verschleierung von Informationen über Anzeigen und der Ausschluss von Forschern „haben in der EU keinen Platz im Internet“, betont die Finnin. Das Gesetz über digitale Dienste schütze die Nutzer und gebe Wissenschaftlern die Möglichkeit, potenzielle Bedrohungen aufzudecken. 

Die US-Regierung beklagt sich seit langem darüber, dass US-Anbietern in der EU durch den Digital Services Act und Digital Markets Act Grenzen gesetzt werden. Sie vermutet dahinter den Versuch, den US-Techriesen das Leben zu erschweren. US-Vizepräsident J. D. Vance wird von Reuters kurz vor Bekanntwerden der Brüsseler Entscheidung mit der Warnung zitiert: "Die EU sollte sich für Meinungsfreiheit aussprechen und nicht US-Unternehmen wegen Müll angreifen.“

Tiktok kommt straffrei davon

Anders als X hat sich die EU-Kommission im Falle des Kurzvideoportals Tiktok gegen eine Geldstrafe entschieden. Tiktok habe der EU-Behörde in Reaktion auf das eingeleitete Verfahren Zugeständnisse bei den Geschäftspraktiken angeboten, die von den EU-Beamten nach Überprüfung als angemessen akzeptiert worden sind.

Auf die Frage, ob eine Strafe von 120 Mill. Euro ausreichend hoch sei, um X zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, verweisen EU-Beamte darauf, dass die Bußen unter dem Digital Services Act nicht der gleichen Logik folgten wie Kartellstrafen. Das Verhältnis zum Umsatz spiele hier nur insofern eine Rolle, als dass davon Obergrenzen abgeleitet werden.

Gegen X bleiben Verfahren wegen anderer – und letztlich gravierenderer – Verstöße gegen das Digitalgesetz weiter anhängig. Dabei geht es darum, ob die Kurznachrichtenfirma ausreichende Maßnahmen getroffen hat, um die Verbreitung illegaler und manipulativer Inhalte zu unterbinden.