EU treibt Kartellverfahren gegen Amazon voran

Vorwürfe wegen des Umgangs des Marktplatzbetreibers mit Geschäftsdaten unabhängiger Verkäufer

EU treibt Kartellverfahren gegen Amazon voran

fed Frankfurt – Dem US-Onlinehändler Amazon drohen saftige Geldbußen. Denn die EU-Kommission sieht sich im Zuge eines seit zwei Jahren laufenden Verfahrens mittlerweile in ihrem Verdacht bestätigt, dass Amazon die Doppelrolle als Marktplatzbetreiber einerseits und als Verkäufer auf diesem Marktplatz andererseits auf unlautere Art ausnutzt. Konkret beanstanden Europas Wettbewerbshüter, dass das US-Unternehmen in systematischer Weise auf nicht-öffentliche Geschäftsdaten von unabhängigen Verkäufern zugreife, die den Amazon-Marktplatz nutzen. So profitiere der Konzern davon, dass er Zugang habe zu Daten von Drittanbietern über die von ihnen gelieferten Produkteinheiten oder die Klicks der Kunden bei bestimmten Produkten. Die vorläufigen Ergebnisse der Brüsseler Behörde belegten, dass “sehr große Mengen” von Daten der Konkurrenz direkt in automatisierte Systeme gelangten, um auf deren Basis strategische Geschäftsentscheidungen zu treffen. In anderen Worten: Da Amazon über die Daten erfahre, welche Produkte bei den Wettbewerbern besonders gefragt seien, könne sich der US-Konzern genau auf diese Bestseller konzentrieren. Das wiederum ist im Urteil der Kartellwächter ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung.Das Unternehmen kann auf die Vorwürfe der EU-Kommission nun ausführlich antworten, um die Wettbewerbshüter vom Gegenteil zu überzeugen. Gelingt dies jedoch nicht, muss sich Amazon auf milliardenschwere Geldbußen einstellen. Über die Länge des Verfahrens lässt sich keine Voraussage machen, denn es gibt – anders als beispielsweise in der Fusionskontrolle – bei Kartellverfahren keinerlei Fristen.Nachrichtenagenturen zufolge hat Amazon die Anschuldigungen der EU-Kommission umgehend zurückgewiesen. Die Aktie von Amazon lag gestern vorbörslich im Minus und eröffnete schwächer. Allerdings war nicht klar, ob das allein an den Nachrichten aus Brüssel lag, denn auch andere Big Techs starteten am Dienstag an der Nasdaq leichter in den Handel.”Wir müssen sicherstellen, dass Plattformen mit einer Doppelrolle als Marktplatz und als Verkäufer auf diesem Marktplatz, die wie Amazon über große Marktmacht verfügen, den Wettbewerb nicht verzerren”, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zur Begründung der intensivierten Untersuchung. “Die Wettbewerbsbedingungen auf der Amazon-Plattform müssen fair sein.” Zugleich informierte sie darüber, dass die EU-Kommission ein zweites formales Kartellverfahren gegen Amazon eröffnet hat. Dabei geht es um den Verdacht einer Vorzugsbehandlung des Einzelhandelsgeschäfts von Amazon und von Verkäufern, die Logistik- und Lieferdienste des US-Konzerns nutzen.